Furtwängler, (Gustav Heinrich Ernst Martin) Wilhelm

* 26.1.1886 Berlin/D, † 30.11.1954 Baden-Baden, Baden-Württemberg/D. Dirigent, Komponist.

Sohn des Theologen und Archäologen Johann Adolf Michael Furtwängler (1853–1907) und dessen Frau Adelheid, geb. Wendt (1862–1944). Früher Klavier- und Kompositionsunterricht bei Anton Beer-Walbrunn (1864–1929), Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901) und Max von Schillings (1868–1933). Nach Ausbildung in München und Anstellungen als Repetitor (in Breslau 1905/06, Zürich 1906/07 und in München 1907–1909 unter Felix Mottl) debütierte er 1906 als Dirigent von Bruckners Neunter Symphonie im Rahmen der Kaim-Konzerte, auf dem Programm standen außerdem Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu Die Weihe des Hauses und eine symphonische Dichtung von Furtwängler selbst (Schmitz, S. 439). Es folgten Verpflichtungen als Opern- und Konzertdirigent in Deutschland (1910/11 Straßburg [Strasbourg/F], 1911–1915 Lübeck, 1915–1920 Mannheim) und Gastdirigate in Österreich. 1920 übernahm er die Leitung der Berliner Opernhauskonzerte, nach dem Tod Arthur Nikischs (1922) wurde er Leiter des Leipziger Gewandhausorchesters, zu gleicher Zeit Chefdirigent (ab 1952 auf Lebenszeit) der Berliner Philharmoniker. Ab 1928 übernahm er die Leitung der Wiener Philharmoniker, wodurch ihm eine omnipotente Position im deutschen Musikwesen zufiel. 1931 erschien er erstmals als Dirigent bei den Bayreuther Festspielen. 1933 wurde er aufgrund seiner internationalen Reputation zum Direktor der Berliner Staatsoper und Vize-Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt. Doch bereits im nächsten Jahr legte er das Amt des Operndirektors aus Protest gegen die Rassen- und Kulturpolitik des NS-Regimes zurück (Nationalsozialismus), die Reichsmusikkammer musste er 1934 wegen seines Einsatzes für Paul Hindemiths (1895–1963) Mathis der Maler verlassen. 1937 trat er erstmals bei den Salzburger Festspielen auf, denen er bis in sein Todesjahr treu blieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er für kurze Zeit mit Auftrittsverbot belegt, doch durfte er ab 1947 wieder dirigieren und wurde als Gastdirigent im internationalen Musikleben gefeiert. 1951 nahm er die Verbindung mit den Berliner Philharmonikern wieder auf, im selben Jahr leitete er das Eröffnungskonzert der ersten Bayreuther Festspiele nach dem Krieg.

Der ruhmreiche Dirigent galt für viele als der „deutsche Musiker“ schlechthin. Seine Wiedergaben zeichneten sich durch ideale Verbindung von Vergeistigung und Leidenschaft aus. Von Jugend auf stand ihm das Werk Bruckners besonders nahe. Bruckners Kompositionen erfuhren unter seiner Leitung ergreifende Wiedergaben, in denen sich feierlicher Ernst mit begeisterter Hingabe verband. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Berliner Philharmonischen Orchesters führte Furtwängler im Festkonzert am 15.4.1932 neben der Suite in h-Moll für Flöte und Streichorchester von Johann Sebastian Bach und eines eigens für diesen Anlass komponiertes Philharmonisches Konzert von Hindemith Bruckners Siebente Symphonie auf. In seiner Rede zu diesem Jubiläum betonte er, dass er, „so paradox das vielleicht manchem erscheinen mag, der einzige oder einer der ganz wenigen [sei], die moderne Werke in ihr Programm aufnehmen können, ohne eine wirtschaftliche Schädigung des Besuches ihrer Konzerte dadurch befürchten zu müssen“. Zu den modernen Werken zählten auch Bruckners „noch kaum ein Menschenalter alt[en]“ Symphonien (Rede abgedruckt in: Philharmonische Blätter 1992/93, H. 1, S. 1–6, bes. S. 5).

Mit den Wiener Philharmonikern – ob auf europaweiten Konzertreisen, bei den Festspielen in Salzburg oder im Wiener Musikverein – gab er oftmals Bruckners Vierte, Siebente und Achte Symphonie. Das Adagio (langsamer Satz) der Achten leitete Karl Böhm am 12.12.1954 auf der im Wiener Musikverein abgehaltenen Trauerfeier für Furtwängler. Sowohl mit den Berliner als auch den Wiener Philharmonikern spielte Furtwängler Bruckners Vierte, Fünfte und Achte Symphonie ein. In zahlreichen Schriften und Vorträgen setzte er sich mit dem Komponisten und seinem Werk auseinander. Auch als schöpferischer Musiker stand er unter dem Eindruck und Einfluss Bruckners.

Werke
  • Symphonien
  • Kammermusik
  • Klavierwerke
  • Chöre
  • Lieder
Schriften
  • Anton Bruckner, in: Bruckner-Blätter 11 (1939) H. 3/4, S. 10–16
  • Johannes Brahms und Anton Bruckner (Universal Bibliothek 7515). Leipzig 1942
  • Der Fremdling im Diesseits, in: Rheinischer Merkur 4 (1949) Nr. 36, S. 7f.
  • Ton und Wort. Aufsätze und Vorträge 1918 bis 1954. Wiesbaden 1954
  • (Hg. v. Elisabeth Furtwängler/Günter Birkner), Aufzeichnungen 1924–1954. Wiesbaden 1980
  • Die Klassiker in der Musikkrise. Rede beim Jubiläum des Berliner Philharmonischen Orchesters 1932, in: Philharmonische Blätter 1992/93, H. 1, S. 1–6
Literatur

CLEMENS HÖSLINGER, ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 27.1.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Furtwängler-Stern vor dem Wiener Musikverein (© Andrea Singer)

Normdaten (GND)

Furtwängler, (Gustav Heinrich Ernst Martin) Wilhelm: 118536931

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