Diskografie

Einleitung – Überblick

Seit den Anfängen der Aufnahme von Musik für den kommerziellen Vertrieb gibt es Einspielungen von Bruckners Musik. Bereits 1909 oder 1910 wurde eine Aufnahme der Motette Locus iste auf Schellackplatte herausgebracht. Aufgrund der zunächst sehr beschränkten Spieldauer der Schallplatten dauerte es bis 1924 bis Otto Klemperer mit der Staatskapelle Berlin das Adagio der Achten Symphonie und Oskar Fried (1871–1941) ebenfalls mit der Staatskapelle Berlin die erste Gesamtaufnahme der Siebenten Symphonie (auf sieben Schallplatten, jeweils beidseitig bespielt) einspielte.

Für die 1948 aufkommende Langspielplatte waren die Symphonien Bruckners hinsichtlich der Spieldauer gut geeignet, dennoch dauerte es viele Jahre bis eine repräsentative Zahl an Einspielungen von Bruckners Musik auf diesem Medium vorlag. Viele der früheren Aufnahmen wurden ins Langspielformat übertragen; neue kamen kaum auf den Markt und waren meist Aufnahmen von Radioübertragungen.

Mit dem Aufkommen der Stereo-Langspielplatte 1958 brachten die Musikproduzenten ab ca. 1960 alle Neuaufnahmen nur noch in diesem Format heraus. So entstand auch die erste zyklische Einspielung von Bruckners Symphonien: Zwischen 1958 und 1967 produzierte Eugen Jochum mit den Berliner Philharmonikern und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die erste kommerzielle Aufnahme in Stereo für die Deutsche Grammophon.

1982 kam die compact disc (CD) in Verwendung. Mit diesem digitalen Speichermedium wurde eine größere dynamische Vielfalt etc. der Aufnahmen möglich. Herbert von Karajans Symphonie-Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern für die Deutsche Grammophon von 1975–1981 wurden digital eingespielt und E. Jochum brachte bei EMI einen weiteren Zyklus mit der Staatskapelle Dresden, der 1975–1980 aufgenommen worden war, heraus.

CDs können für die kommerzielle Nutzung deutlich kostengünstiger produziert werden als LPs. So stieg, da mehr CD-Presswerke gebaut wurden, die Zahl der CD-Ausgaben stark an. Auch Aufnahmen von Bruckners Musik wurden nun in größerer Zahl veröffentlicht. Neben über 30 umfassenden und partiellen Symphonie-Zyklen wurden seit der Mitte der 1980er Jahre hunderte Einspielungen einzelner Werke auf CD kommerziell angeboten.

Die Art, in der Musik aufbereitet und konsumiert wird, ist maßgeblich von den technischen Weiterentwicklungen geprägt. Der größte die Musikindustrie beeinflussende Wandel hat sich mit dem phänomenalen Anstieg der Musik-Downloads, der 2001 mit der Einführung des Apple iPod erfolgreich begann, vollzogen. Derzeit werden die meisten Musik-Downloads in Zusammenhang mit einer CD-Ausgabe desselben Inhalts durchgeführt, aber es gibt auch immer mehr Aufnahmen, die nur noch online verfügbar sind. Was Bruckner betrifft, sind z. B. die Aufnahmen der Vierten, Sechsten und Siebenten Symphonie von Andreas Delfs (* 1959) und dem Milwaukee Symphony Orchestra derzeit nur mehr als Download auf der Website des Orchesters und über Download-Anbieter wie iTunes erhältlich. Die ausufernden, unüberschaubaren Download-Angebote von Musik Bruckners und anderer Komponisten bringen spezielle Probleme für Diskografen mit sich, da diese Aufnahmen nicht als materiell fassbare Produkte angeboten werden und die Dateien im Internet nur für eine beschränkte Zeit zugänglich sein können. Eine Erweiterung dieses Phänomens sind Podcasts, MP3-Dateien und Videoaufzeichnungen von Aufführungen auf diversen Webseiten (z. B. YouTube), die üblicherweise wenig kommerziell sind und ein unvorhersehbares Eigenleben führen. Privataufzeichnung von Aufführungen oder Radio- und Fernsehübertragungen werfen vergleichbare Fragen auf, wie beispielsweise diejenige, wann eine Aufzeichnung als Veröffentlichung betrachtet werden kann.

Ein großes Problem stellen auch Raubkopien dar. Während des Zweiten Weltkriegs gemachte Aufnahmen von Wilhelm Furtwängler und den Berliner Philharmonikern wurden von privaten Labels und den internationalen Wilhelm-Furtwängler-Gesellschaften herausgegeben; solche Fälle sind allerdings relativ selten. Mit der Einführung der compact disc-Technologie und insbesondere der bespielbaren CD entstand ein beträchtlicher Raubkopiehandel. So sind z. B. von Sergiu Celibidache mittlerweile über 15 Aufnahmen der Achten Symphonie greifbar, von denen die meisten Pirateneditionen sind. Während die „klassischen“ europäischen und amerikanischen Piratenlabels wie etwa Fonit Cetra, Arkadia oder Disques Refrain vermutlich aufgrund verschärfter Urheberrechtsgesetze ihre Tätigkeit eingestellt haben, haben sich neue Labels besonders im südostasiatischen Raum etabliert, die den Markt mit illegalen, meistens überteuerten, zum Teil sehr aktuellen Live-Mitschnitten von Bruckners Werken u. a. überschwemmen; das Herstellungsland wird oft verschleiert bzw. falsch angegeben („Made in U.S.A.“). Da diese illegalen Ausgaben in vielen Ländern (u. a. der EU) nicht vertrieben werden dürfen, lassen sie sich oft schwer ermitteln.

Im Großen und Ganzen erlebte die Bruckner-Diskografie einen nahezu unkalkulierbaren Anstieg von Aufnahmen, was auf das Interesse an den ausführenden Musikern, an bestimmten Editionen und Fassungen von Bruckners Werken bzw. auf die zunehmende Beliebtheit von Bruckners Musik zurückzuführen ist. Zur Veranschaulichung dieser Entwicklung eignen sich die Aufnahmen von Locus iste. Sind im Katalog von Jerome F. Weber von 1971 nur zwölf Aufnahmen dieser Motette verzeichnet, so sind es in der Diskografie von Lee T. Lovallo von 1991 bereits 39 und mittlerweile sind über 450 Aufnahmen bekannt. Auch wenn die Aufnahmen anderer Bruckner-Werke zahlenmäßig nicht ganz so stark angestiegen sind, veranschaulicht dies doch den allgemeinen Trend der Beliebtheit von Bruckners Musik.

Seit den Tagen von Robert Haas sind Aufführungen und Aufnahmen der „Erstfassungen“ Teil der Auseinandersetzung mit Bruckners Werken. Während die Musikwissenschaft den Wert der etablierten Editionen erforscht und Fassungsfragen diskutiert, versuchen Künstler diese neuen Einblicke in Bruckners Kunst musikalisch umzusetzen. Ein Beispiel ist das anhaltende Interesse an der Ersten Symphonie, die es in zwei Fassungen und sechs Ausgaben gibt. Die ursprüngliche Fassung des Adagio (langsamer Satz) und Scherzo, komponiert ca. 1865, wurde von Ricardo Alejandro Luna 2013 erstmals eingespielt (Bruckner unknown [Preisler PR 91250] 2013). 1998 spielte Georg Tintner die 1866 entstandene, unrevidierte 1. Fassung („Linzer Fassung“), eingerichtet von William Carragan, mit dem Royal Scottish National Orchestra ein. Obwohl diese Fassung weitgehend als „Erstfassung“ akzeptiert wird, gibt es beträchtliche Diskussionen darüber, ob sie auch von Bruckner als „endgültige Erstfassung“ autorisiert worden wäre. In jedem Fall werden Aufnahmen der Frühfassungen von Bruckners Werken von Künstlern und Wissenschaftlern wie auch von den übrigen Hörern geschätzt.

Des Weiteren stoßen sowohl neuere als auch historische Bearbeitungen von Bruckners Werken zunehmend auf Interesse. Weithin bekannt sind besonders die verschiedenen Komplettierungen des 4. Satzes der Neunten Symphonie, von denen etliche auf CD erschienen sind. 2005 stellte Peter Jan Marthé eine „Neufassung“ der Dritte Symphonie her – indem er alle vier Versionen zu einer Synthese vereinte, von der er annahm, dass sie Bruckners wahre Intention einer „endgültigen Fassung“ gewesen sein könnte –, die er mit dem European Philharmonic Orchestra auch aufführte und aufnahm. Ersteinspielungen solcher Editionen und Bearbeitungen verschiedener Werke für Bläser, Klavier, Orgel, Chor und diverse andere Besetzungen haben sich in den letzten zwanzig Jahren vervielfacht.

Symphonien

In den 1930er Jahren entstand mit der Einspielung der neu veröffentlichten Ausgabe von Alfred Orel durch die Münchner Philharmoniker unter Siegmund von Hausegger 1938 eine bahnbrechende Aufnahme der Neunten Symphonie. EMI trat mit Aufnahmen der Vierten und Fünften Symphonie der von Karl Böhm geleiteten Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Siebenten mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Oswald Kabasta sowie der Sechsten und Achten Symphonie mit den Berliner Philharmonikern unter Furtwängler auf den Plan. Die ersten Aufnahmen, die die Deutsche Grammophon in ihrem Sortiment hatte, waren die Achte mit den Wiener Philharmonikern und die Neunte mit den Berliner Philharmonikern jeweils unter Furtwängler. Es ist interessant, dass die meisten dieser historischen Aufnahmen noch immer im Handel erhältlich sind.

Während des Zweiten Weltkrieges führte die Begeisterung der Nationalsozialisten für Bruckner zu vielen interessanten Aufnahmen, wie z. B. 1944 zu dem Versuch einer Stereoaufnahme mit dem jungen Karajan und der Staatskapelle Berlin. Für das Radio wurde zwar die gesamte Achte Symphonie aufgenommen, jedoch nur das Finale in Stereo eingespielt. Diese Aufnahme wurde nach dem Krieg kommerziell angeboten.

Unter den früh veröffentlichten LPs sind unter anderem solche mit Aufführungen Walter Goehrs (1903–1960), Gerhard Pflügers (1907–1991), Henk Spruits (1906–1998), Eduard van Beinums, Georg Ludwig Jochums und Hermann Abendroths zu finden. Amadeo brachte drei Aufnahmen von Volkmar Andreaes historischem Bruckner-Zyklus mit den Wiener Symphonikern, aufgenommen durch die RAVAG, der ersten österreichische Rundfunkgesellschaft, heraus. Dieser wichtige 1953 entstandene Zyklus kam 2009 als vollständiges Set in den kommerziellen Handel (Andreae conducts Bruckner [Music and Arts 1227] 2009).

Bereits Mitte der 1950er Jahre wurden von Allegro Records die ersten Aufnahmen von Bruckner-Symphonien mit der Angabe von Pseudonymen statt der richtigen Dirigenten angeboten: die Dritte Symphonie, dirigiert von „Gerd Rubahn“ (Pseudonym für verschiedene Dirigenten), und die Vierte Symphonie mit „Jan Hubbs“. Bis heute sind diese beiden Aufnahmen nicht identifiziert. In den 1960ern und 1970ern kam eine Reihe weiterer Einspielungen auf den Markt, die bis zum heutigen Tag Fragen hinsichtlich der mitwirkenden Dirigenten und Ensembles aufwerfen. Diese wurden von dem Dirigenten und Produzenten Alfred Scholz (* 1920) produziert oder sich zu eigen gemacht. Zum einen Teil produzierte er Einspielungen mit dem von ihm eigens zu diesem Zweck beschäftigten Ensemble Süddeutsche Philharmonie – größtenteils bestehend aus Mitgliedern der Bamberger Symphoniker und der ehemaligen Prager Deutschen Philharmonie – und verkaufte diese unter der Angabe unterschiedlicher Dirigentennamen – teils Pseudonyme, teils echte Namen (darunter sein Lehrer Hans Swarowsky) – an zahlreiche Labels. Zum anderen Teil verkaufte er Aufnahmen anderer Interpreten als solche der Süddeutschen Philharmonie unter wiederum verschiedenen nicht zutreffenden echten bzw. fiktiven Dirigentennamen. Solche Ausgaben der Zweiten, Vierten, Fünften, Sechsten und Neunten Symphonie Bruckners erschienen bei zahllosen Budget-Labels und sind bis heute auf CD erhältlich. Die groteskeste dieser Aufnahmen ist jene der Neunten Symphonie, die aufgrund eines Fehlers beim Mastering wiederholt mit dem 3. Satz anstelle des 1. Satzes in den Handel kam. Es scheint, als ob auf dem Band der 1. Satz verlorengegangen wäre und deshalb nie auf den herausgebrachten Tonträgern aufscheint. Diese Aufnahme mit der Folge 3. Satz – 2. Satz – 3. Satz erschien über 40 Jahre hinweg auf LP, Kassette und CD.

1963–1972 spielte Bernard Haitink mit dem Amsterdamer Koninklijk Concertgebouworkest einen Symphonien-Zyklus für Philips ein. Dieser Zyklus beinhaltet neben der Ersten bis Neunten Symphonie auch die Symphonie in d-Moll („Annullierte“). Haitink war Teil einer neuen Generation von Dirigenten, die bald viele neue Aufnahmen präsentierten. Deccas aufgehender Stern, Sir Georg Solti, begann einen weiteren Zyklus mit dem Chicago Symphony Orchestra. Eurodisc veröffentlichte einen Zyklus des Leipziger Gewandhausorchesters unter der Leitung von Kurt Masur und Electrecord einen weniger stark vertriebenen unter dem Dirigat von Cristian Mandeal (* 1946).

In den 1980er Jahren brachte Teldec einen zukunftsweisenden Bruckner-Zyklus, dirigiert von Eliahu Inbal, heraus, der sowohl die Symphonie in f-Moll („Studiensymphonie“) und die Symphonie in d-Moll als auch die Erstfassungen (nach der Neuen Gesamtausgabe von Leopold Nowak) der Dritten, Vierten und Achten Symphonie berücksichtigte. In diesem Zyklus wurde auch die Komplettierung des Finales der Neunten Symphonie von Nicola Samale, Giuseppe Mazzuca und Benjamin-Gunnar Cohrs (Zustand 1985) aufgenommen (Neunte Symphonie). Melodiya Records zog mit einem interessanten Zyklus unter dem Dirigat von Gennadi N. Roschdestwenski mit verschiedenen Fassungen der Ersten, Dritten und Vierten Symphonie und derselben Finalekomplettierung zur Neunten Symphonie von Samale, Mazzuca und Cohrs nach. Bereits eher hatte Chandos Records eine Aufnahme der Neunten Symphonie mit der Finalekomplettierung von Carragan (Zustand 1985) von Yoav Talmi (* 1943) und dem Oslo Filharmonien herausgebracht, der eine halb-private Aufnahme der europäischen Erstaufführung dieser Carragan-Fassung des Finales mit Hubert Soudant (* 1946) und den Utrechter Symphonikern vorausgegangen war.

Zusätzlich zu den frühen digitalen Aufnahmen der Symphonien mit Karajan und Eugen Jochum (s. o.), brachte die Deutsche Grammophon 1980 auch einen Zyklus mit dem Chicago Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim heraus. Bis heute ist das Chicago Symphony Orchestra das einzige amerikanische Orchester, das eine Gesamtaufnahme von Bruckners Symphonien bestritten hat. Von Barenboim erschienen ca. zehn Jahre später die Erste bis Neunte mit den Berliner Philharmonikern als Einzelausgaben bei Teldec und 2017 ein weiterer Zyklus mit Live-Mitschnitten von Konzerten mit der Staatskapelle Berlin bei der Deutschen Grammophon (Anton Bruckner. The Complete Symphonies [DG 4796985] 2017). Die Deutsche Grammophon war auch dabei, einen vollständigen Symphonien-Zyklus mit Giuseppe Sinopoli aufzunehmen, was aber durch den frühzeitigen Tod des Dirigenten verhindert wurde. Riccardo Chaillys Bruckner-Zyklus erschien bei Decca Records und Tintners bei Naxos. Tintners Zyklus enthält die Erstfassungen der Ersten, Zweiten und Dritten Symphonie, die Erstaufnahme des Adagio Nr. 2 (1876) in Es-Dur zur Dritten Symphonie und das „Volksfest“-Finale der Vierten Symphonie. Günther Wands Einspielung der Ersten bis Neunten Symphonie mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester wurde von der Deutschen Harmonia Mundi und RCA herausgebracht. Als Wand zum NDR-Sinfonieorchester wechselte, nahm er mit diesem ebenfalls die Dritte bis Neunte Symphonie auf. Die begeisterten Kritiken führten zu einer Reihe von Live-Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern: Die Vierte, Fünfte, Siebente, Achte und Neunte Symphonie wurden veröffentlicht und eine Aufführung der Sechsten geplant. Dieses Projekt konnte durch den Tod des Dirigenten nicht mehr verwirklicht werden.

Der rumänische Dirigent Celibidache war nicht nur wegen seiner einzigartigen Aufführungen legendär, sondern auch dafür, dass er keine Aufnahmen machte. Dieser Umstand führte dazu, dass eine große Anzahl an illegalen Aufnahmen seiner Konzerte entstand. Ironischerweise sind Celibidaches Aufführungen möglicherweise die von allen großen Dirigenten am meisten aufgenommenen. Um Celibidaches musikalisches Erbe angemessen zu bewahren und eine gewisse technische Qualität der Aufnahmen sicherzustellen, stimmte seine Familie der Veröffentlichung einer Reihe von Aufnahmen zu, die unter anderem die Dritte bis Neunte Symphonie mit den Münchner Philharmonikern (EMI) und die Dritte, Fünfte, Siebente, Achte und Neunte Symphonie mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (DG) enthält.

Während sich die Aufnahmeaktivitäten zu Bruckner zunächst meist auf Europa konzentrierten, spielt zunehmend Japan eine wichtige Rolle. Der Japaner Takashi Asahina, Gründer des Osaka Philharmonic Orchestra, fand als Bruckner-Dirigent internationale Anerkennung und die japanische Plattenindustrie war bestrebt, seine Erfolge zu dokumentieren. Unter seinem Dirigat entstanden vier Zyklen, zwei Teilzyklen und zahlreiche Einzelaufnahmen von Bruckners Symphonien. Durch sein Wirken entwickelte sich in Japan eine große Begeisterung für Bruckners Musik und führte zu einer wachsenden Zahl von Aufnahmen, so dass die Zahl der Aufnahmen von Bruckners Musik aus Japan jene aus Europa mittlerweile vielleicht schon übersteigt.

Zusätzlich zu den auf CD veröffentlichten vollständigen und partiellen Zyklen der Symphonien sind seit Mitte der 1980er Jahre auch zahlreiche einzelne Einspielungen erhältlich. Viele davon haben Kultstatus erworben, z. B. die Aufführung der Fünften Symphonie durch E. Jochum mit dem Koninklijk Concertgebouworkest in Ottobeuren 1964, die Aufnahmen von Carlo Maria Giulini (Siebente und Neunte), Karajan und Böhm mit den Wiener Philharmonikern sowie von Wand mit den Berliner Symphonikern und Klemperers Aufführung der Sechsten Symphonie mit dem Philharmonia Orchestra.

Vokalwerke

Besonders von den kleineren Chorwerken Bruckners existiert eine Fülle an Aufnahmen. Diese wurden oft auf LPs oder CDs veröffentlicht, die einen bestimmten Chor porträtieren sollen und also meistens nur ein oder ein paar wenige kleine Werke Bruckners enthalten. Interessanter sind LP- oder CD-Ausgaben, die sich auf Bruckners Werke konzentrieren. Wichtigster Bestandteil der meisten dieser Anthologien sind die Motetten, die weltlichen Chorwerke sind kaum vertreten. Seit den 1970er Jahren sind zahlreiche LPs und CDs mit den Motetten erschienen.

Die Diskografie der Chorwerke weist eine lange Geschichte auf, ist doch das erste je aufgenommene Werk Bruckners die Motette Locus iste, die 1910 (oder vielleicht schon 1909) vom Chor der Hofmusikkapelle eingespielt wurde. Die neue Technik der Schallplattenaufnahme war vorläufig vor allem für kleinere Werke geeignet, und so wurden in den 1920er und 1930er Jahre auch einige andere Motetten (v. a. mit Pius Kalt [* ?, † ?] und dem Chor der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin sowie Ludwig Berberich [1882–1965] und dem Domchor München) aufgenommen. Obwohl es bereits in den 1920er Jahren gelang, auch längere Werke aufzunehmen, wurde von den großen Chorwerken Bruckners vorerst nur die Messe in e-Moll unter Hermann Odermatt (1888–1964), vermutlich 1930, vollständig aufgenommen und ansonsten nur einige Ausschnitte derselben (ca. 1931 unter Berberich), der Messe in d-Moll (das Gloria 1925 unter Kalt), der Messe in f-Moll (Ausschnitt des Credo 1946 unter Karl Forster) und des Te Deum (1927/28 unter Felix Maria Gatz). Vollständige Aufnahmen der letztgenannten Werke entstanden erst um 1950 (Messe in d-Moll 1954 unter Frederick Charles Adler [1889–1959], Messe in f-Moll ca. 1952 unter Ferdinand Großmann [1887–1970], Te Deum 1949 unter Joseph Messner [1893–1969] bzw. 1950 Eugen Jochum, Messe in e-Moll erneut 1957 unter Forster).

Bis heute gibt es keine „Gesamtausgabe“ der Chorwerke, nicht einmal der geistlichen Chormusik, und erst recht nicht der weltlichen. Die umfangreichsten Sammlungen auf LP bzw. CD stammen von E. Jochum und Matthew Best (* 1957) und konzentrieren sich auf die geistlichen Chorwerke – also das Te Deum, die drei großen Messen, eine Auswahl der bekanntesten Motetten, einen (E. Jochum) bzw. alle (Best) Psalmen sowie im Fall von Best das Requiem in d-Moll (WAB 39) und die beiden Aequale. Beide Einspielungen sind trotz ihres unterschiedlichen Interpretationsansatzes maßgebend. Dafür, dass er mit seinen Einspielungen sowohl der Symphonien wie der Chorwerke Standards setzte, erscheint E. Jochum vielen als der Bruckner-Dirigent dennoch zögerlich auf dem Parkett der Chormusik. Von G. Wand beispielsweise gibt es keine einzige Bruckner-Aufnahme außerhalb des symphonischen Œuvres; andere Dirigenten nehmen gelegentlich eines der bekannten Chorwerke auf und lassen es dabei bewenden. Vor allem das Te Deum erweist sich als beliebter Exkurs in die Bruckner‘sche Chormusik: Asahina, Barenboim, Celibidache, Haitink, Karajan, Herbert Kegel (1920–1990), Klemperer, Lovro von Matačić, Heinz Rögner (1929–2001), Heinz Wallberg, Bruno Walter und Franz Welser-Möst sind die bekanntesten Dirigenten, die dieses Werk einspielten. Von ihnen haben nur Asahina (Messe in f-Moll), Barenboim (Messe in e-Moll und Messe in f-Moll), Celibidache (Messe in f-Moll) und Rögner (Messe in e-Moll und Messe in f-Moll) auch weitere große Chorwerke aufgenommen. Ein Sonderfall ist Philippe Herreweghe, der sich vom Vokalwerk ausgehend (Messe in e-Moll, Messe in f-Moll und Motetten) das symphonische Œuvre erarbeitet hat.

Bruckners Vokalwerk ist ansonsten das Wirkungsfeld der Chordirigenten. Vor allem seit den 1980er Jahren ist eine Reihe von Aufnahmen erschienen, die durch das Niveau der Interpretation neue Maßstäbe gesetzt und fallweise durch die Programmauswahl auch zur Erweiterung des Kanons beigetragen haben. So kombinierten manche Dirigenten auf CDs altbekannte Motetten mit weniger bekannten geistlichen Liedern, weltlichen Chorwerken und/oder mit einer der frühen Messen; zu ihnen zählen Robert Shewan (* ?; Trösterin Musik, Das deutsche Lied, Germanenzug), Josef Pančík (* 1938; Messe für den Gründonnerstag in F-Dur), Hans-Christoph Rademann (* 1965; Messe in C-Dur [„Windhaager Messe“]), Rupert Gottfried Frieberger (Messe für den Gründonnerstag in F-Dur, Messe in C-Dur, selten gespielte geistliche Lieder) und Petr Fiala (* 1964; fünf Tantum ergo [WAB 41/1–4 und WAB 42]). Andere Dirigenten konzentrieren sich auf die bekannteren Werke, wie etwa Erwin Ortner (* 1947), der das Te Deum, die großen Messen und die Motetten (letztere in einer Neuaufnahme 2009) aufgenommen hat, oder Robert Jones (* ?), der 1994 mit dem Londoner Choir of St. Bride's Church eine Anthologie der Motetten einspielte (Bruckner. Motets [Naxos 8.550956] 1994).

Bei der weltlichen Vokalmusik ist die Auswahl an Aufnahmen deutlich geringer. Dieses Repertoire wurde erst viel später erschlossen und ist daher relativ unbekannt; nur Trösterin Musik erfreut sich einer gewissen Beliebtheit. Abgesehen von CDs, die in einem breiter gefächerten Bruckner-Programm das eine oder andere weltliche Chorwerk beinhalten, gibt es bisher nur drei CDs, die einen Querschnitt durch die weltliche Vokalmusik bieten: eine von Guido Mancusi (* 1966) mit dem Chorus Viennensis von 1996 (Musik, du himmlisches Gebilde! [ORF CD 73], 1996) und zwei von Thomas Kerbl (* 1965) von 2010 bzw. 2013 (Anton Bruckner: Männerchöre [Gramola 98869] 2010; Anton Bruckner: Männerchöre Vol. 2 [Gramola 98997] 2013). Diese bieten eine ganze Reihe von Ersteinspielungen, im Fall der beiden letzteren durch ein sehr informatives Beiheft unterstützt. Von dem guten Dutzend an Liedern für Solostimme gibt es noch so gut wie keine Einspielung. Amaranths Waldeslieder, Der Mondabend, Frühlingslied, Herbstkummer, Im April und Mein Herz und deine Stimme wurden jüngst von Kerbl und dem Bassisten Robert Holzer (* 1963) auf CD veröffentlicht (Anton Bruckner. Lieder, Chöre, Magnificat [Gramola 99071] 2016).

Kleinere Instrumentalwerke

Bruckners beliebtestes Kammermusikwerk ist ohne jeden Zweifel das Streichquintett in F-Dur. Die ersten beiden Einspielungen erschienen kurz nacheinander: die Aufnahme des Prisca-Quartetts 1937, die des Strub-Quartetts vermutlich 1940. Unklar ist die Entstehungszeit der Aufnahme des Wiener Philharmonischen Streichquintetts, die meistens auf etwa 1950 datiert wird, aber auch deutlich älter sein könnte. Die Bearbeitungen (meistens des Adagios) nicht mit eingerechnet, gibt es ca. 40 Aufnahmen des Streichquintetts in F-Dur; an qualitätsvollen Einspielungen herrscht dabei kein Mangel. Neben den älteren, interpretatorisch wie klanglich noch immer überzeugenden – und inzwischen auch auf CD erschienenen – Aufnahmen des Koeckert-Quartetts (1952) und des Amadeus-Quartetts (1964), gibt es neuere, wie z. B. die des Wiener Philharmonia Quintetts (1974), von L’Archibudelli (1994) oder des Fine Arts Quartet (2007), die auf einer CD das Streichquartett in c-Moll und das Streichquintett in F-Dur bieten.

Von den Orgelwerken und den Klavierwerken entstanden die ersten Aufnahmen erst später, da hier noch sehr viel editorische Arbeit geleistet werden musste. Die Orgelwerke wurden zunächst alle einzeln veröffentlicht; da bei manchen die Urheberschaft Bruckners zweifelhaft war, dauerte es bis 1970, bis eine erste Gesamtausgabe (Hans Haselböck [* 1928]) entstand. Erst 1999 erschien die maßgebliche Notenedition von Erwin Horn (Gesamtausgaben), der schon 1990 eine allseits sehr positiv aufgenommene Gesamteinspielung der Orgelwerke veröffentlicht hatte. Da Bruckner nur einige wenige Werke für Orgel hinterlassen hat, müssen diese auf CDs immer mit anderen Werken kombiniert werden, was Organisten bzw. Labels möglicherweise vor ihrer Einspielung abschreckt – Horn hat sich bei seiner Gesamteinspielung mit Arrangements einzelner symphonischer Sätze beholfen. Dennoch sind in den 1960er und 1970er Jahren einige LPs mit den Orgelwerken erschienen: 1965 von Alois Forer (1909–2001), ca. 1969 von Kurt Rapf (1922–2007), 1972 von Franz Haselböck (* 1929), 1974 von Heinz Lohmann (1934–2001), vermutlich 1976 von Augustinus Franz Kropfreiter und vermutlich 1978 von Herwig Jansen-Wedekind (* ?); keine dieser Ausgaben wurde aber bisher digitalisiert.

Ein völliges Novum stellt die CD mit Klaviermusik Bruckners dar, die Wolfgang Brunner (* 1958) und Michael Schopper (* 1942) 1995 aufnahmen; sie enthält Werke für Klavier zu zwei und vier Händen, überwiegend solche, die Bruckner für seine Klavierschüler schrieb (Anton Bruckner. Piano Works [CPO 999256-2] 1995). 2001 spielte Fumiko Shiraga (* 1967) Klavierwerke zu zwei Händen zusammen mit dem 2. Satz der Siebenten Symphonie in der Klavierbearbeitung von Cyrill Hynais ein (Anton Bruckner. Piano Works [BIS-CD 1297] 2001).

Diskografische Quellen

Der erste systematisch zusammengestellte Katalog der Bruckner-Aufnahmen wurde von Jerome F. Weber 1971 und in revidierter Fassung 1975 herausgebracht. Eine erweiterte Diskografie wurde 1991 von Lee T. Lovallo erstellt. In Anerkennung der stetig wachsenden und sich wandelnden Welt der Bruckner-Aufnahmen, die fast täglich Neues und Wiedereingespieltes hervorbringt, hat sich das Internet als adäquates Medium für die Dokumentation erwiesen. Die bekanntesten und umfangreichsten Datenbanken sind www.abruckner.com von John F. Berky und die Anton Bruckner Diskographie (www.brucknerdiskographie.nl) von Hans Roelofs, die sich auf die vokalen und kleineren instrumentalen Werke konzentriert.

Literatur

JOHN F. BERKY, MIRJAM KLUGER, LEE T. LOVALLO, HANS ROELOFS

(Übersetzung: Andrea Partsch)

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 8.4.2019

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