Generalbass
Bezeichnung für eine durchlaufende, d. h. der jeweils tiefsten Stimme eines mehrstimmigen Satzes entsprechende Bassstimme (ital. basso continuo), die der Begleitung einer oder mehrerer Oberstimmen durch ein Akkordinstrument dient. Aus den beigefügten Ziffern, die Intervalle zum Bass angeben, geht der Aufbau jedes Akkordes hervor, den der Continuo-Spieler zu greifen hat. Beispiele bezifferter Bässe reichen von der italienischen Monodie des frühen 17. Jahrhunderts bis zur Kirchenmusik des 19. Jahrhunderts.
Der Gegenstand des gleichnamigen Unterrichtsfaches ist die Generalbass-Bezifferung, deren schriftliche Aussetzung und instrumentale Ausführung. Im Kompositionsunterricht, als dessen fester Bestandteil der Generalbass im Barock galt, wurde das Fach seit dem 18. Jahrhundert durch die Harmonielehre (Musiktheorie) abgelöst, die neben dem Aufbau der Klänge auch deren Abfolge behandelt. In den Lehrplänen der Konservatorien bleibt der alte Name gelegentlich für das neue Fach bestehen. Simon Sechter unterrichtete in Wien den Stoff der Harmonielehre bis 1867 offiziell als Professor für Generalbass; erst mit dem Eintritt Bruckners wechselte die amtliche Bezeichnung.
Die Lehre vom Generalbass gehörte im Vormärz zu den Grundlagen des Orgelspiels und somit zu den Elementarfächern der Lehrerausbildung. Erste Unterweisung im Generalbass erhielt Bruckner durch seinen Cousin Johann Baptist Weiß in Hörsching (1835–1837) und anschließend als Chorknabe in St. Florian (1837–1839) durch Michael Bogner. 1840/41 besuchte er an der Linzer Präparandie Vorlesungen über „Harmonie- und Generalbaß-Lehre“ bei Johann August Dürrnberger. Die Lehrbücher von Dürrnberger und Friedrich Wilhelm Marpurg (1718–1795), die Bruckner in Linz und Windhaag zur Verfügung standen, behandeln die Generalbasslehre als untergeordnetes Teilgebiet der Harmonielehre. In den 1843–1855 intensiv betriebenen Studien bei Leopold von Zenetti benutzte Bruckner die Generalbassschule von Daniel Gottlob Türk (1750–1813) und ein vermutlich von ihm selbst angefertigtes Manuskript „Kurze General-Baß-Regeln“, eine Zusammenstellung von Zenettis Unterrichtsstoff oder die Abschrift eines anderwärts nicht nachgewiesenen anonymen Traktates.
Bruckner benutzte die Generalbassschrift gelegentlich im Particell. In Reinschriften verwendete er Generalbass-Bezifferung für die Orgelstimme in den Kirchenwerken bis 1856; in späteren Kompositionen ist der Orgelpart ausgesetzt.
Literatur
- Friedrich Wilhelm Marpurg, Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition […]. Berlin 1755–1758
- Daniel Gottlob Türk, Kurze Anweisung zum Generalbaßspielen. Halle–Leipzig 1791
- Johann Aaugust Dürrnberger, Elementar-Lehrbuch der Harmonie- und Generalbaßlehre. Abgesondert in den theoretischen und practischen Theil mit systematisch geordneten, vollständig ausgeführten Cadenzen und eigenen Orgelsätzen als Leitfaden zu den öffentlichen Vorlesungen und auch zum Selbst-Unterrichte. Linz [1841]
- Jahres-Bericht des Wiener Conservatoriums der Musik. Siebenter Jahrgang, neue Folge. Schuljahr 1866/67. [Wien 1867]
- Jahres-Bericht des Conservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Schuljahr 1868/69. Wien 1869
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 88, 144–147, 200, 220
- Manfred Wagner, Die Harmonielehren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 38). Regensburg 1974
- Bruckner und ZenettiElisabeth Maier/Franz Zamazal, Anton Bruckner und Leopold von Zenetti (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 3). Graz 1980, bes. S. 110–114
- Elisabeth Maier, Bruckners oberösterreichische Lehrer, in: Bruckner‑Symposion 1988Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Anton Bruckner als Schüler und Lehrer. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1988. 21.–25. September 1988. Bericht. Linz 1992, S. 35–49