Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen

Vom 7.5. bis 9.10.1892 fand in Wien auf dem Ausstellungsgelände im Prater (Rotunde und Umgebung) eine Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen statt. Sie war geteilt in eine Fachausstellung (mit den Kategorien „Biographische Denkwürdigkeiten“, „Musik“, „Theater“, „Ethnographisch interessante Gegenstände“) und in eine gewerbliche Spezialausstellung („Moderne Musikinstrumente“, „Graphische Darstellung der Musikliteratur“, „Gewerbe und Kunstgewerbe im Dienste des modernen Theaters“). In einem eigens erbauten Ausstellungstheater fanden unter dem Motto „Theatralische Völkerbegegnung im Donauraum“ Gastspiele in- und ausländischer Bühnen statt (z. B. Deutsches Theater Berlin, Hamburger Stadttheater, Comédie Française, Nationaltheater Budapest). Operntruppen aus allen Gebieten der Monarchie gastierten mit ihren Nationalopern in der Originalsprache (Bedřich Smetana [1824–1884], Prodaná nevesta [Erstaufführung in Wien] und Dalibor; Stanisław Moniuszko [1819–1871], Halka und Straszny dwór); eine italienische Operntruppe führte u. a. I Pagliacci, Cavalleria rusticana und L‘amico Fritz unter Leitung der Komponisten Ruggero Leoncavallo (1857–1919) bzw. Pietro Mascagni (1863–1945) auf. Die Ausstellung war zwar ein finanzieller Misserfolg, doch ist ihre Bedeutung für das Musik- und Theaterleben, insbesondere durch dessen wissenschaftliche Aufarbeitung in Fachkatalogen, nicht hoch genug einzuschätzen. So wurde z. B. nach einem Arbeitsplan von Guido Adler, der auch den Fachkatalog herausgab, und Oskar Fleischer (1856–1933) in einer „Musikhistorischen Abteilung“ die Musikgeschichte Deutschlands und Österreichs – gemeinsam (!) und chronologisch – in 25 Räumen dargestellt, wobei „deren Inhalt die ganze musikgeschichtliche Entwikelungsreihe vom Alterthum bis zur Gegenwart durchlief“ (Fleischer, S. 34) und so „der Musikwissenschaft eine Gelegenheit geboten [wurde], in der ausgedehntesten Weise auf die grosse Allgemeinheit zu wirken“ (Fleischer, S. 36).

Bruckner besuchte die Ausstellung in Gesellschaft wiederholt und mit großem Interesse; die dabei vorgefallenen teils rührenden, teils komischen Episoden sind bei Göll.-A. 4/3 verzeichnet. In der „Musikhistorischen Abteilung“ der Ausstellung war er durch zwei Autografe (Briefe I, 770322 und 810519) vertreten, ebenso war seine von Viktor Tilgner geschaffene Büste (IKO 55) ausgestellt. Unter den in einem Ausstellungsführer reproduzierten Musikerporträts findet sich (neben Johann Strauss, Franz von Suppé [1819–1895], Johannes Brahms, Karl Goldmark u. a.) auch jenes von Bruckner.

Die Entstehung der Vertonung des Psalms 150 ist mit der Geschichte der Ausstellung eng verbunden, denn am 23.12.1891 fragte Richard Heuberger im „Auftrage des Musikcomite‘s“ nach einer Absage von Brahms an, ob Bruckner für das Eröffnungskonzert „eine Hymne oder Cantate für gem. Chor u. Orchester“ (Briefe II, 911223) komponieren würde. Die Uraufführung gelang allerdings wegen Zeitverzögerung seitens des Komponisten nicht, ebenso wenig kam sie bei der Schlussfeier zustande. Die dritte Aufführungsmöglichkeit misslang wegen der Absage des Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereines schließlich ebenfalls (Antonicek, S. 138f.).

Für die Rezeption von Bruckners Schaffen von großer Bedeutung war die Aufführung zweier Symphonien in der eigens für die Ausstellung errichteten, 2.200 Personen umfassenden Tonhalle: Im Rahmen der Festkonzerte wurde am 15.6.1892 die Vierte Symphonie (vom Symphonie-Orchester der Ausstellung unter Josef Schalk) und am 9.7.1892 im Rahmen der Symphoniekonzerte die Dritte (unter Ferdinand Löwe) mit größtem Erfolg aufgeführt.

Literatur

HUBERT REITTERER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 1.9.2017

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft