Rezeption

Die im Bruckner-Handbuch 1996 erschienene Zusammenstellung der Bruckner-Rezeption in verschiedenen Teilen der Welt war in den meisten Fällen ein erster, oft vom Anton Bruckner Institut Linz (ABIL) in Auftrag gegebener Versuch, Nachrichten (soweit überhaupt vorhanden bzw. bekannt) über Aufführungen von Bruckner‘schen Werken und ihre Wirkung auf Publikum und Presse auszuwerten. Aufführungsmeldungen aus aller Welt werden seit 1970 – je nach Einlangen von Berichten – in den IBG-Mitteilungsblättern (bzw. deren Fortsetzung unter dem Titel Studien & Berichte) der Internationalen Bruckner‑Gesellschaft veröffentlicht. Die Ergebnisse der Forschung der letzten Jahrzehnte sowie die internationalen Kontakte ermöglichen nun eine detailliertere Beschäftigung mit dem Phänomen Bruckner weltweit.

Für die meisten Länder Afrikas können keine Aussagen getroffen werden. Wenige Daten liegen lediglich für Ägypten, Algerien und Tunesien vor, nähere Informationen konnten nur für Südafrika erhoben werden.
In Ägypten ist erstmals am 23.4.1951 eine Aufführung einer Symphonie von Bruckner nachweisbar: Die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler spielten in Kairo die Siebente Symphonie. „Für die zahlenmäßig noch kleine deutsche Gemeinde in Kairo […] waren die Konzerte das bisher stärkste Erlebnis überhaupt“ (Muck S. 238). Im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten des neuen Kairoer Opernhauses spielte u. a. das Anton Bruckner Quartett am 16.11.1988 das Streichquartett in c‑Moll.
Der aus Wien gebürtige Eric-Paul Stekel (1898–1978) führte in den Jahren 1945–1947 in Algier, der Hauptstadt von Algerien, die Dritte, Vierte, Sechste und Siebente Symphonie auf.
Aufführungen von Werken Bruckners sind in Tunesien erstmals 2014 nachweisbar. Das Nationale Jugendorchester der Bundesrepublik Deutschland spielte Bruckners Vierte Symphonie bzw. einzelne Sätze daraus unter der Leitung von Markus Stenz (* 1965) am 2.8.2014 in Karthago (Tunis), am 4.8.2014 im Musée Archéologique in Sousse und am 6.8.2014 im Amphitheater von El Jem.

Bezüglich Amerika konnten erstmals nähere Informationen für Nordamerika sowie für ca. die Hälfte der Staaten Lateinamerikas (insbesondere Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile und Mexiko) erhoben werden.

Lagen 1996 nur für Japan ausführlichere Informationen vor, so konnten nun auch für andere Länder Asiens Daten eruiert werden: China, Indien, Iran, Hongkong, Israel, Korea, Malaysia, Singapur, Taiwan und Vietnam.
In Indien ist Bruckners Musik kaum bekannt und bisher nur eine Aufführung nachweisbar: Am 19.3.2008 führte das Remscheider Vokalensemble gemeinsam mit den Capital City Minstrels unter der Leitung von Werner Rizzi (* 1953) im Stein-Auditorium des India Habitat Centre in New Delhi Bruckners Locus iste auf.
Für den Iran liegen keine Aufführungsmeldungen vor. Im August 1953 widmete jedoch Felix von Lepel (1889–1959) seine kleine Broschüre mit dem Titel Zehn Briefe von Anton Bruckner dem Schah von Persien Mohammad Reza Pahlavi (1919–1980) und seiner Frau Soraya Esfandiary (1932–2001).
In Singapur konstituierte sich am 15.6.1966 The Anton Bruckner Society (Singapore) mit zwölf Mitgliedern. Präsident ist der Komponist und Dirigent Tan Chan Boon (* 1965). Das 1979 gegründete Singapore Symphony Orchestra spielte in den letzten Jahren in der Esplanade Concert Hall u. a. am 2.10.2009 die Sechste unter Okko Kamu (* 1946), am 29.3.2013 die Dritte (3. Fassung) unter Lan Shui (* 1957) und am 12.10.2013 die Siebente Symphonie unter Claus Peter Flor (* 1953).
In Vietnam wurde am 9.3.2017 im Opernhaus von Ho-Chi-Minh-Stadt in einem Konzert des Ho Chi Minh City Ballet and Symphony Orchestra unter Daniel Gazon (* 1955) das Requiem in d‑Moll (WAB 39) aufgeführt. Weitere Aufführungen von Werken Bruckners in Vietnam sind bisher nicht bekannt.

Für Australien und Neuseeland liegen umfangreiche Aufführungsdaten vor.

In Europa lassen sich fast für jedes Land Aufführungen der Werke Bruckners bzw. eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Komponisten nachweisen: Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ukraine (Lemberg), Ungarn.

Literatur

ANDREA HARRANDT

Brucknerbild

Die Rezeption des Menschen und Künstlers Bruckner („Brucknerbild“) erfuhr im Laufe der letzten 100 Jahre einen grundlegenden Wandel. Aus einer merkwürdigen Künstlerfigur mit Attributen wie „komisch“, „tolpatschig“ und „naiv“ ist heute ein sozialer Aufsteigertyp geworden, der keineswegs ganz frei von Berechnung und Selbstinszenierung war (Persönlichkeit). Wesentliche Komponenten in der geschichtlichen Entwicklung des Bildes waren die ländliche Herkunft und der katholische Glaube Bruckners. Beeinflusst von diversen Weltanschauungen wurden daraus der „Musikant Gottes“, der „mystische Bauer“, der „deutsche Tonheros“ oder eben der „berechnende Sozialaufsteiger“.

Neue Perspektiven innerhalb von Biografie, Schaffen und Rezeption dürfen dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Künstlerbilder grundsätzlich zeitvariabel sind und weit mehr durch subjektive Konstruktion als durch historische Rekonstruktion geprägt sind.

Literatur

ERICH WOLFGANG PARTSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 22.7.2020

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