Os justi (WAB 30,1-2) „Os justi meditabitur sapientiam“

Graduale für vier‑ bis achtstimmigen gemischten Chor a cappella, lydisch

EZ: Os justi: 1. Fsg.: 18.7.1879 in Wien
2. Fsg.: August 1879 in Wien
W: Ignaz Traumihler („Sr. Hochwürden dem hochwohlgebornen Herrn Herrn Musik-Director Ignaz Traumihler. […]“)
UA: 2. Fsg.: 28.8.1879 in St. Florian
Aut.:beide Fsg.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.3158, Mus.Hs.37284)
2. Fsg.: Stift St. Florian, Bruckner‑Archiv (19/12, Widmungsexemplar; Widmungsbrief in Archivgruppe 7)
ED: 1. Fsg.: Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/1, nach S. 568 (1936; nur 4. Seite, Faksimile)
2. Fsg.: Vier Graduale. Rättig, Wien 1886 (mit dem Alleluja von Alleluja Inveni David, zusammen mit Christus factus est [WAB 11], Locus iste und Virga Jesse)
NGA: Band XXI (Hans Bauernfeind/Leopold Nowak, 1984) und Revisionsbericht (1984)

Dieses Graduale aus der „Missa de Doctoribus“ vertonte Bruckner für das in St. Florian stets besonders feierlich begangene Fest des hl. Augustinus (28.8.) und widmete es Traumihler, der auch Referent des Allgemeinen Cäcilienverbands war, zum Namenstag (31.7.). Ihm zuliebe wollte Bruckner ein Werk schaffen, das den Idealen des Cäcilianismus entsprach: „Sehr würde ich mich freuen, wenn E[uer] H[ochwürden] ein Vergnügen daran finden sollten. Ohne # u[nd] b; ohne Dreiklänge der 7. Stufe; ohne 6/4 Akkord, ohne Vier= u Fünfklänge.“ (Briefe I, 790725). Der Widmungsträger zeigte sich jedoch „frappiert“, konnte sich mit der lydischen Tonart, die allerdings nur durch das h an Stelle eines b zum Tragen kommt, und dem mixolydischen bewegten fugierten Mittelteil nicht anfreunden (Göll.-A. 2/1, S. 269) und drängte den Komponisten zu einer glättenden Umarbeitung. Schon am Augustinusfest 1879 konnte er das Werk mit Bruckner an der Orgel in der neuen (1886 auch gedruckten) Fassung uraufführen.

Der Text der Motette stammt aus Ps 37,30f.: „Der Mund des Gerechten bewegt Worte der Weisheit, und seine Zunge redet, was recht ist. Er hat die Weisung seines Gottes im Herzen, seine Schritte wanken nicht.“ Diesem Gedankengang folgt auch der formale Aufbau: Das Nachsinnen über die Weisheit ist in verhalten beginnendem, homophonem Akkordsatz geschildert, der sich an einem ersten Höhepunkt bis zur Achtstimmigkeit teilt („meditabitur sapientiam“).

Nun folgt als starker Kontrast ein bewegter, polyphoner Mittelteil, der „redende Gerechte“ („et lingua eius“), der durch die Einsätze jeweils im Quintabstand eine regelrechte „fuga per tonos“ (David, S. 257) darstellt. Der 3. Teil greift auf den meditativen, homophonen Beginn zurück („Lex Dei eius in corde ipsius“). Der ppp-Schluss mündet in ein Psalmodieren des Chores über einem liegenden F‑Dur-Klang: ein Bild des Gerechten, der auf sicherem Grund ohne Wanken dahinschreitet („et non supplantabuntur gressus eius“).

Das folgende unisono vorgetragene Alleluja in Art des Chorals gehört bereits zu dem (beim Druck und in den meisten Aufführungen nicht berücksichtigten) folgenden Allelujavers Inveni David und ist nach diesem zu wiederholen.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 29.5.2017

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Quellen (Werkverzeichnis)

Erstdruck

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft