Rättig (Verlag)

Musikverlag, gegründet von Theodor Rättig (* 28.6.1841 Gumbinnen/Ostpreußen [Gussew/RUS], † 5.7.1912 Heiligeneich, Niederösterreich/A). Rättig, der ursprünglich Beamter und nur nebenberuflich als Musiker tätig war, wurde zu einer zentralen Figur des Wiener Musikverlages der Zeit zwischen 1880 und 1900. 1870 kam er als Chorleiter einer Liedertafel in Rostock nach Wien, wo er sich niederließ und anfangs als Bankbeamter arbeitete. 1877 übernahm er die traditionsreiche Buch‑ und Musikalienhandlung Schlesinger (ehemals der Verlag Haslinger, der 1875 von Josepha Theresia Haslinger an Lienau [Schlesinger] verkauft worden war), die er zunächst gemeinsam mit Rudolf Bussjäger (* ?, † ?) als Kompagnon, ab 1880 jedoch als Alleininhaber führte. Noch 1877 erwarb Rättig das Sortiment von Bösendorfer. Außerdem arbeitete er mit dem Verlag Wetzler zusammen. Mit Robert Lienau, dem Besitzer des Berliner Stammhauses von Schlesinger, bestand eine enge Kooperation. Lienau übernahm 1910 die ab Ende der 1890er Jahre in Leipzig beheimatete Firma Rättigs in den Verband von Lienau-Schlesinger.

Der Initiative von Friedrich Eckstein ist die letztlich so erfolgreiche Verbindung Bruckners zu Rättig zu verdanken. Hier erschienen 1885 das Te Deum, 1886 die vier Graduale Christus factus est (WAB 11), Locus iste, Os justi und Virga Jesse sowie 1891 Träumen und Wachen. Die Dritte Symphonie gab Rättig 1879 in Verbindung mit Bösendorfer, die Achte Symphonie 1892 in der Verlagsgemeinschaft Haslinger–Schlesinger–Lienau heraus. Im eng mit Rättig verbundenen Verlag Wetzler erschienen 1887 das siebenstimmige Ave Maria (WAB 6) sowie „Tota pulchra es, Maria“. Ursprünglich hätte auch das Te Deum bei Wetzler erscheinen sollen (vgl. Brief Bruckners an Johannes Peregin Hupfauf [1856–1889], Briefe I, 850511/3), doch sorgten die persönlichen Beziehungen zu Eckstein, der die Drucklegung auch finanzierte, dafür, dass Rättig das Stück übernahm und – aufgrund des Engagements Ecksteins, dem Bruckner alle Vollmachten in dieser Sache mit Schreiben vom 20.5.1885 erteilte – in kürzester Zeit in Partitur, Stimmen und Klavierauszug herausbrachte (am 19.9.1885 berichtete Bruckner an Wilhelm Tappert in Berlin: „Auch das Te Deum ist hier bei Rättig verlegt.“ [Briefe I, 850919]).

Schwieriger gestaltete sich die Drucklegung der Dritten Symphonie. Schon am 9.10.1878 berichtete Bruckner an Wilhelm Tappert: „H Rettig will durchaus die Clavierauszüge haben von genannten [2. und 3.] Sinfonien, um sie zu verlegen.“ (Briefe I, 781009). Rättig, der bei der katastrophalen Aufführung der Dritten im Wiener Musikverein 1877 anwesend war, hatte das Potential der Musik Bruckners erkannt, ebenso auch die Unfähigkeit des Komponisten, sich zu vermarkten. Er bot Bruckner an, das Werk auf eigene Kosten in würdiger Form erscheinen zu lassen. Das Mäzenatentum Rättigs blieb jedoch von Bruckner nur gering geschätzt, unterlief Rättig im Druck der Widmung an Richard Wagner doch ein für Bruckner unverzeihlicher Fehler: Als Rättig Bruckner das erste Exemplar überreichte, schlug dieser es „freudig lächelnd auf, fuhr aber plötzlich zurück: ‚Um Gotteswillen! Da steht ja ‚Meister Rich[ard] Wagner in tiefster Verehrung gewidmet‘, das muß ja Ehrfurcht heißen.‘ Es war und blieb sehr schwer, ihn über diesen schrecklichen Fehler zu trösten.“ (Göll.-A. 4/1, S. 478). Rättig nahm diese Schrullen nicht weiter ernst, sondern bat Bruckner, ihm auch die Noten der übrigen symphonischen Werke (Erste, Zweite und Vierte Symphonie) zur Drucklegung zur Verfügung zu stellen, doch konnte er dieses Projekt nicht realisieren. Bruckner aber war stolz, endlich als Symphoniker anerkannt zu sein, und glücklich berichtete er beispielsweise am 20.8.1884 aus Kremsmünster an Josef Diernhofer in Perg: „Meine D‑moll Sinfonie samt Clavier-Auszug ist bei Rettig in Wien verlegt“ (Briefe I, 840820). Als problematisch erwies sich Bruckners permanenter Drang, seine Symphonien überarbeiten zu müssen, wobei er sich schwer tat, die neuen Fassungen zu finalisieren. Im August 1886 kündigte Bruckner gegenüber Josef Sittard an, dass Rättig demnächst die Dritte Symphonie in einer neuen Fassung herausbringen würde. Das Unternehmen gestaltete sich aufgrund Bruckners Unschlüssigkeit schwierig, sodass die Brüder Franz Schalk und Josef Schalk schließlich eingreifen mussten (vgl. Briefe II, 880713, 880720, 890925). Im Mai 1890 erschien endlich die revidierte Fassung (die 3. Fassung der Dritten Symphonie) bei Rättig im Druck. In einem Brief an Ferdinand Krackowizer vom 17.12.1890 erwähnt Bruckner stolz: „Der Kaiser hat sie drucken lassen.“ (Briefe II, 901217; Franz Joseph I. hatte die Drucklegung mit 1.000 fl, nach anderen Angaben mit 1.600 fl unterstützt).

Literatur

ANDREA HARRANDT, ELISABETH TH. HILSCHER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 1.9.2017

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