Präludien für Orgel in Es‑Dur (WAB 127/1–3 und 128/1‑4)

Erste Orgelstücke resp. Kompositionsstudien, Authentizität fraglich

EZ: zwischen 1835 und 1837, vermutlich in Hörsching (?)
UA: ?
Aut.: unbekannt; ÖNB‑MS (Mus.Hs.19691, Mus.Hs.19692, Mus.Hs.34587, As. von Alfons und Joachim Berger); OÖ. Landesmuseum (Sammlung von Johann Baptist Weiß)
ED: WAB 127/1, in: Max Auer, Anton Bruckner. Sein Leben und Werk. Wien 1932 (Notenbeilage); WAB 127/2–3, in: NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet) XII/6 (Erwin Horn, 1999); WAB 128/1‑4, in: Göll./A. 1, S. 97–102 (1922)
NGA: Band XII/6 (Horn, 1999) und Revisionsbericht (2001)

Die kurzen Orgelstücke galten lange Zeit als Bruckners erste Kompositionsstudien, die in seiner Hörschinger Zeit (1835–1837), vermutlich im Rahmen des Musikunterrichts beim Cousin J. B. Weiß, entstanden sein sollen. Ihre Authentizität ist allerdings aufgrund fehlender Autografe nicht belegbar und kann daher in Zweifel gezogen werden (Incerta und Falsa).

Alle Stücke (Präludien inkl. Kadenzen, Zwischenspiel, Fuge) sind lediglich durch Abschriften respektive Sammlungen von Alfons Berger ([1842–1915]; Unterlehrer in Hörsching), Joachim Berger ([1848–1905]; Lehrer in Steinbach) und J. B. Weiß überliefert:

a) A. Berger verfasste eine Abschrift der Vier Präludien in Es‑Dur (WAB 128/1‑4) nebst zwei Kadenzen und versicherte, er habe die Autografe Bruckners auf dem Chor in Hörsching gefunden, was Bestätigung findet durch die Beischrift „Präludien in Es. A. Bruckner Schüler von Johann Weiss Schullehrer in Hörsching“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.19691). Eine 2. Abschrift von A. Berger wurde von Auer für den Erstdruck bei August Göllerich „aktualisiert“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.19692).

b) J. Berger legte handschriftlich eine Sammlung „Präludien von verschiedenen Komponisten“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.34587) an. Darin enthalten sind auch WAB 128/1–3 (allerdings dort als „Präludien in Es von Weiß“ ausgewiesen) sowie ein weiteres umfangreicheres Präludium in Es, Andante von Bruckner (WAB 127/1) und unter dem Namen „Bruckner“ ein 2., sehr kurzes Andante, ebenfalls in Es (WAB 127/2), und ein fugiertes Allegro in D (WAB 127/3).

c) In J. B. Weiß‘ Sammlung von Orgelstücken ist WAB 128/4 als ein Stück von Johann Christian Heinrich Rink (1770–1846) wiedergegeben. Zudem sind dort für alle vier Präludien ähnliche oder gleichlautende Notentexte (in der Sammlung verstreut) zu finden.

Wieviel Anteil der junge Bruckner nun als Schüler und heranwachsender Komponist an der Urheberschaft dieser Kompositionsstudien hatte, kann nur spekuliert werden. Vermutlich benutzte er (von seinem Lehrer Weiß?) vorgelegtes Material für eigene Versuche und gestaltete dieses zu Übungszwecken teilweise um. Spekulativ in Erwägung zu ziehen ist zudem die Möglichkeit, dass Bruckners Onkel Matthias Bruckner (Schulgehilfe, Organist und Schüler von Weiß in Hörsching) als (Mit‑)Autor jener Kompositionsversuche gelten könnte.

Wie den Beischriften zur Registrierung deutlich zu entnehmen ist, sind die Stücke für Orgel konzipiert: „Volle Orgel“, „Sanfte Stimmen“ oder „Volles Werk“. Zudem deuten Akkordüberbindungen und lange Notenwerte auf die Orgel hin. Da diese „Satzübungen“ in nur zwei Systemen notiert sind, können sie sowohl manualiter auf der Orgel als auch auf jedem anderen Tasteninstrument ausgeführt werden.

Harmonisch, formal und qualitativ enthalten WAB 127/1‑3 und 128/1‑4 naturgemäß kaum Eigenheiten, die auf spätere Stilelemente Bruckners verweisen. Lediglich der übermäßige Quintsextakkord (dreifach alterierte IV. Stufe) sollte sich ebenso wie der übermäßige Terzquartakkord (zweifach alterierte II. Stufe) als Stilmerkmal qualifizieren wie in den Steigerungseinschnitten und Höhepunkten der Adagio-Sätze der Siebenten und Achten Symphonie. Auch die Themenstruktur in dem fugierten Allegro von WAB 127/3 zeigt mit sprunghaftem Themenkopf, durch den Quintsprung geteilter Oktave und anschließender Stufenfolge eine gewisse Bruckner-Stil-Tendenz.

Literatur

RAINER BOSS, ERWIN HORN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 29.5.2017

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