Ausbildung und Lehrer Bruckners

In dem für einen Komponisten wohl einmalig langen Zeitraum zwischen 1830 und 1865 war Bruckner ein Lernender – ein Wissen Aufnehmender und Verarbeitender war er sein Leben lang. Seinem Unterricht in der Schule und dann für den Beruf als Lehrer wird in diesem Artikel der Unterricht in der Musik aus Gründen der Anschaulichkeit gegenübergestellt, obwohl zeit- und interessensbedingt gerade bei Bruckner in den ersten Jahren seiner Lehrzeit beide Ausbildungswege parallel verliefen.

Schulbildung

Die schulische Unterweisung in den Unterrichtsgegenständen der Pflichtschule und der Lehrerausbildung erfolgte nach den seinerzeit gültigen Vorschriften der Politische[n] Verfassung der deutschen Schulen in den k. auch k. k. deutschen Erbstaaten (Wien 1806, mehrere Aufl.). Auch für den Lehrersohn Anton Bruckner jun. gab es keine Ausnahme. Für die Trivialschule – um eine solche handelte es sich in Ansfelden, Hörsching und St. Florian – waren lt. § 28 der Politische[n] Verfassung (7. Aufl., Wien 1833) „Lesen, Schreiben und Rechnen [...] außer der Religionslehre die einzigen eigentlichen Schul-Lehrgegenstände [...], zu denen nur noch eine practische Anweisung, einige Aufsätze zu machen, hinzu kommen darf“ (S. 13).

Im Vergleich dazu boten die Hauptschulen einen vertieften Unterricht in den Elementarfächern sowie zusätzliche Lehrinhalte. Da die Absolvierung der 3. Klasse Hauptschule eine Voraussetzung für die Lehrerausbildung war, musste Bruckner das Fehlende nachholen. Die Lehrerausbildung selbst umfasste eine Reihe von Unterrichtsgegenständen.

Die Lehrkräfte für die schulische Unterweisung Bruckners waren 1830–1837 an der Pfarrschule Ansfelden Vater Anton Bruckner d. Ä. und die ihm beigegebenen Gehilfen, Franz Zachhuber (1819–1854) um 1836/37, Franz Xaver Perfahl etwa 1835–1837, Josef Peither (* 1815) seit 9.5.1837; an der Pfarrschule Hörsching Joseph Weiß (1772–1850) und dessen Sohn Johann Baptist Weiß als Gehilfe. In St. Florian unterrichteten ihn an der Markt- und Pfarrschule der Schulmeister Michael Bogner 1837–1839 und 1839/40 der Gehilfe Johann Georg Steinmayr (1813–1845) in den Vorbereitungsfächern für die Präparandie (Lehrerausbildung). Den Unterricht an der Linzer Präparandie erteilten im Schuljahr 1840/41 Direktor Johann Nepomuk Pauspertl von Drachenthal in den Fächern Grundsätze der Methodik, Sprach- und Rechtschreiblehre, Aufsatz, Geografie und Lesen; der Katechet Michael Riedl (1806–1865) in Religion; Joseph Nikolini (1790–1858) in Rechnen; Johann Kilian (* 1799) in Schönschreiben.

Als Schulgehilfe in Windhaag und Kronstorf (1841–1845) sollte sich Bruckner – so sah es der Ausbildungsplan vor – unter der Anleitung der Vorgesetzten Franz Fuchs und Franz Lehofer (1798–1866) die Unterrichtspraxis aneignen. Für das eifrige Selbststudium fand er Hilfe und Unterstützung in Windhaag vielleicht beim hochgebildeten Pfarrer Franz Seraph von Schwinghaimb für Latein; in St. Florian – insbesondere für die Externistenprüfung über die Unterrealschule (1850/51) und die Hauptschullehrerprüfung (1855) – beim Chorherrn Johann Nepomuk Paulitsch in naturwissenschaftlichen Fächern, beim Novizen Josef Rom (1835–1856) in Latein sowie beim Chorherrn Ferdinand Aigner (1812–1868); in Linz u. a. bei den Gymnasiasten Josef Aigner und Friedrich Thaner (1839–1915) für Latein sowie bei einem Geistlichen in Psychologie.

Während seiner ganzen Dienstzeit als Lehrer (1841–1855) war Bruckner bemüht, sein Wissen – auch über Latein und Psychologie – durch vielseitiges Selbststudium zu erweitern. Vorrangige Ziele bildeten die bereits erwähnte Externistenprüfung über die 1. und 2. Klasse der Unterrealschule (u. a. mit den Gegenständen Geschichte, Geografie, Mathematik, Geometrie, Naturgeschichte, Naturlehre, Technologie) und die für die Lehrbefähigung als Hauptschullehrer (u. a. mit Geografie, Landwirtschaftslehre). In beiden Fällen enthielten die Zeugnisse fast ausschließlich die Note „Sehr gut“.

Bruckner hatte mit seiner Ausbildung, von der er sich viel im zweiten Bildungsweg aneignete, ein ausgesprochen hohes Niveau erreicht, durchaus einer Matura entsprechend. Dabei gab es im alten Österreich – auch bei Theologen – nur eine verschwindend geringe Zahl an Maturanten, Absolventen von Universitäten und Hochschulen.

Musikalische Ausbildung

Bruckners musikalische Ausbildung, die bis zum Ende seines Anstellungsverhältnisses in St. Florian durch die Koppelung des Schul- und Kirchendienstes ganz in den zeitüblichen Rahmen eingebettet war, überschritt den Rahmen des Zeitüblichen jedoch aus zwei Gründen bei weitem: Deren einer war das außergewöhnliche Talent des Lernenden, deren anderer die Tatsache, dass dieser an den jeweils besten erreichbaren Lehrer gelangte, den seine Umgebung zu bieten hatte.

Die Anfänge seiner musikalischen Kenntnisse wurden Bruckner von seinem Vater, A. Bruckner sen., vermittelt, der seinerseits vielleicht die Musikschule des Franz Xaver Glöggl (1764–1839) in Linz besucht hatte und ihm seit dem 4. Lebensjahr zuerst Geigen-, dann Klavier- und Orgelunterricht erteilte. Die Zeit zwischen Spätsommer 1835 und Herbst 1836 sowie einige wenige Wochen nach dem Tod des Vaters im Sommer 1837 verbrachte Bruckner bei seinem Cousin und Firmpaten J. B. Weiß in Hörsching, der als einer der besten oberösterreichischen Musiker seiner Zeit galt. Er begeisterte Bruckner für die Werke der Wiener Klassiker und erteilte ihm Unterricht in Generalbass und Orgelspiel (die früher Bruckners Hörschinger Zeit zugeschriebenen Präludien für Orgel in Es‑Dur müssen nach neueren Erkenntnissen allerdings Weiß selbst zugeschrieben werden). Weiß legte auch die Basis zu Bruckners Repertoirekenntnis (Einflüsse und Vorbilder).

Wegen des sich verschlechternden Gesundheitszustandes des Vaters als Hilfe nach Ansfelden zurückgerufen, hatte Bruckner kurzzeitig Unterricht (im Violinspiel und anderen musikalischen Fächern) bei dem als Lehrgehilfe herangezogenen F. X. Perfahl.

Als Sängerknabe im Stift St. Florian wohnte er im Hause des Lehrers M. Bogner, der die Knaben nicht nur beherbergte, verköstigte und in den Schulfächern unterrichtete, sondern mit ihnen auch die Gesangspartien einzustudieren hatte, die der Regens chori des Stiftes, Eduard Kurz (ein Schüler von Johann Georg Albrechtsberger), jeden Montag überbrachte. Den Sängerknaben wurde auch Instrumentalunterricht erteilt; im Falle Bruckners waren dies für die Geige Franz Raab (Lehrer an der Schule St. Florian, Kirchenkomponist und Basssänger des Kirchenchores) und Franz Gruber (Stiftsbeamter, ausgebildet am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Schüler des Beethoven-Freundes Ignaz Schuppanzigh [1776–1830] und vermutlich auch Georg Hellmesbergers [1800–1873]) sowie für die Orgel Anton Kattinger. Zum Ärger Grubers tendierte Bruckner jedoch immer mehr zur Orgel.

An der Präparandie in Linz genoss Bruckner vom 15.10.1840 bis zum 18.8.1841 den Unterricht in Harmonie- und Generalbasslehre, Choralgesang und Orgelspiel bei Johann August Dürrnberger, der erstmals ein solides theoretisches Gerüst legte (Musiktheorie). Dessen Vorgehen im Unterricht ist in seinem Elementar-Lehrbuch der Harmonie- und Generalbaßlehre (Linz 1841) überliefert, das Bruckner so sehr schätzte, dass er es bis ins Alter seinem eigenen Unterricht (Lehrtätigkeit) zugrunde legte. Dürrnbergers Unterweisung war zwar bemerkenswert intensiv, ist jedoch noch durchaus im Rahmen der üblichen Ausbildung der Lehramtskandidaten zu sehen, da nach der Maria Theresianischen Schulordnung der Schul- mit dem Kirchendienst gekoppelt zu sein hatte und die Lehrer demnach über beträchtliche musikalische Kenntnisse verfügen mussten.

Zu dieser theoretischen Ausbildung bei Dürrnberger traten auch die von diesem geleiteten großen öffentlichen Aufführungen in der Linzer Minoritenkirche, die seinen Schülern Gelegenheit boten, als aktive Mitwirkende v. a. die Kirchenwerke der Klassik kennenzulernen. Die Instrumente dazu – inklusive einem Orgelpositiv – hatte Dürrnberger in bewundernswertem Idealismus nach und nach aus eigenen Geldmitteln angeschafft.

Während seiner ersten Anstellung in Windhaag (1841–1843) hat er – in Ermangelung eines Lehrers – das bisher Gelernte wohl repetiert und sich praktische Erfahrungen (beim Orgeldienst in der Kirche, beim „Tanzlgeig‘n“ [Volksmusik] und in eigenen Kompositionsversuchen wie der „Windhaager“ Messe in C‑Dur) geholt. Schon während seiner nächsten Anstellung in Kronstorf (1843–1845) geriet er wieder an einen der besten Lehrer seiner Zeit, den Regens chori und Organisten Leopold von Zenetti in Enns. Dieser Unterricht, der auch während Bruckners Anstellung in St. Florian (1845–1855) in – wenngleich etwas gelockerter Form – weiter andauerte, überschritt erstmals den Umfang, den die Musik innerhalb der üblichen Lehrerausbildung einnahm, war freiwillig gewählt und dem Aspekt des erwachenden Schöpferischen zugeordnet. In Kronstorf entstanden auch die Zwey Asperges, die erstmals mit „Anton Bruckner. Comp.“ („Componist“ oder „Componirt“?) unterschrieben sind. Die Summe des ihm von Zenetti in der Komposition Vermittelten zeigen das Requiem in d‑Moll (WAB 39) von 1849 und die Missa solemnis (Messen) aus dem Jahr 1854.

Zum hervorragenden Organisten reifte Bruckner durch die (neuerliche) Unterweisung von A. Kattinger, dessen Unterricht er bis Jahresende 1849 genoss und dessen Nachfolge er als – allerdings bis zu seinem Abgang nur provisorischer – Stiftsorganist von St. Florian 1850 antrat. Schon während seiner St. Florianer Zeit als Sängerknabe, erst recht von 1845–1855 eignete sich Bruckner im Selbststudium in der reichhaltigen Musikalienbibliothek des Stiftes eine erhebliche Literaturkenntnis an (Franz Schubert).

Auf den Rat u. a. des Propstes Friedrich Mayer hin suchte Bruckner 1855–1861 den Unterricht des zu seiner Zeit berühmtesten Musiktheoretikers Simon Sechter in Wien auf, dessen Lehrgang als der strengste seiner Zeit galt. Bruckner legte ihm seine Missa solemnis zur Begutachtung vor und wurde daraufhin von Sechter als Schüler angenommen. Der Unterricht umfasste Fundamentalbasstheorie, das Harmonisieren von Melodien, ein- bis vierfachen Kontrapunkt, Kirchenstil, Kanon und Fuge. Als Grundlage des Unterrichtes diente Sechters Lehrbuch Die Grundsätze der musikalischen Komposition (Leipzig 1853/54); für den einfachen Kontrapunkt, Kanon und Fuge benützte Bruckner vermutlich ein Manuskript seines Lehrers. Der Austausch der Anweisungen und Aufgaben erfolgte zunächst brieflich als „Fernunterricht“, dann absolvierte Bruckner den Unterricht während längerer Studienaufenthalte in Wien zu Zeiten, in denen der Orgeldienst wegfiel. Vorbereitet wurden die Aufenthalte organisatorisch meist durch Rudolf Weinwurm.

Nach dem Abschluss der Studien bei Sechter und einem glänzenden Zeugnis (21.11.1861 mit dem berühmten Ausspruch Johann Herbecks: „Er hätte uns prüfen sollen!“ [Göll.-A. 3/1, S. 117]) über die Prüfung an der Orgel der Piaristenkirche in Wien suchte Bruckner den Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler auf und studierte bei ihm Formenlehre und Instrumentation (1861–1863; Kitzler-Studienbuch). Dem Unterricht lagen die Lehrbücher von Ernst Friedrich Richter (1808–1879; Analyse der musikalischen Formen), Adolf Bernhard Marx (1795–1866; Kompositionslehre, 4. Band) und Johann Christian Lobe (1797–1881; Die Lehre von der Instrumentation) zu Grunde. Wesentlichen Raum nahm das Studium der Sonaten Ludwig van Beethovens ein, an denen Bruckner sich die Kenntnis des Baues der Sonatenhauptsatzform aneignete.

Kitzler machte ihn auch, was für Bruckners eigene Stilentwicklung von größter Bedeutung ist, mit der Musik der Neudeutschen Schule bekannt. Insbesondere das Erlebnis der Musik Richard Wagners (Erstaufführung des Tannhäuser 1863 in Linz) wurde für Bruckner zum entscheidenden Durchbruch ins eigene Schaffen mit unverwechselbarem, persönlichem Stil. Zum Abschluss der Studien erbat Bruckner von Kitzler eine aus der mittelalterlichen Handwerkertradition stammende förmliche „Freisprechung“, die am 10.7.1863 im Ausflugsgasthof „Jäger am Kürnberg“ (im Kürnberger Wald, Leonding bei Linz, Abriss 1984 wegen Baufälligkeit) gefeiert wurde.

Dennoch wandte sich Bruckner nach der „Freisprechung“ nochmals an einen Lehrer, der jedoch mehr Freund als Lehrer war: Ignaz Dorn, der mit ihm die Begeisterung für die Neudeutschen teilte und ihm bei der Komposition seiner ersten großen Werke in den Jahren 1863–1865 den Rücken stärkte.

Literatur

ELISABETH MAIER, FRANZ ZAMAZAL

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 4.2.2020

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