Psalm 112 (WAB 35) „Alleluja! Lobet den Herrn, ihr Diener“

Vertonung von Psalm 112 (113) für zwei vierstimmige gemischte Chöre und großes Orchester (2 Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Fg., 2 Hr., 2 Trp., 3 Pos., Pk., Str.) in B-Dur, „Maestoso“

EZ: 1. Hälfte Juni 1863 bis 5.7.1863 in Linz
UA: ?; vielleicht erst am 14.3.1926 in Vöcklabruck (Liedertafel und Kirchenmusikverein Vöcklabruck; Max Auer)
Aut.: ÖNB-MS (Mus.Hs.3156, unvollständige autografe Partitur mit Eintragungen Otto Kitzlers?)
ED: Universal Edition, Wien 1926 (Josef Venantius von Wöss)
NGA: Band XX/5 (Paul Hawkshaw, 1996) und Revisionsbericht zu XX/1–6 (2002)

Die autografe Partitur fand sich im Nachlass Bruckners und gelangte 1927 in die Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Das Werk war das letzte, das Bruckner als Übung für Kitzler schrieb. „Das Autograph bricht am Ende der Rückseite des letzten fol. ab und endet im 5. Takt der Reprise des Eingangschors, die an die Fuge anschließt. Ob die Partitur auf weiteren Blättern fortgesetzt wurde oder ob der Komponist nicht mehr weiterschrieb, da er keinen Platz mehr hatte und sich daher auf eine angedeutete Reprise des Eingangschors beschränkte, kann nicht festgestellt werden.“ (Hawkshaw, S. 155). In seinem Vorwort zum Erstdruck erwähnt Wöss eine Kopie der Partitur, in die August Göllerich Anmerkungen bezüglich der Wiederholung des ersten Teiles eingetragen haben soll.

Der Psalm nimmt als Übergang von den Werken der Früh- zu jenen der Reifezeit auch deshalb eine Sonderstellung ein, weil Bruckner, als er vor seiner Übersiedlung in die letzte Wohnung im Belvedere rigoros „über seine Jugendwerke strenges Gericht hielt, indem er vieles den Flammen übergab“ (Göll.-A. 3/1, S. 203), u. a. die Urschrift dieses Werkes aufbewahrte. Allerdings hatte Bruckner nach dem Sommer 1863 nie mehr an dem Psalm gearbeitet; auch eine Aufführung zu seinen Lebzeiten ist nicht belegt.

Die Komposition beginnt doppelchörig „Maestoso“, wobei die beiden Chöre fallweise mit kleinen imitatorischen Einsätzen übereinander geschichtet werden. Ab T. 71–113 folgt textbedingt ein „dialogisierender“, auch in der Orchesterbegleitung „durchsichtigerer“ Mittelteil („Wer ist wie der Herr, unser Gott“), Teil 3, erneut ein „Maestoso“, greift den Anfangsteil (verkürzt und variiert) auf, dann folgt (ab T. 143) eine „Alleluja“-Fuge (bis T. 202). Den Schluss bildet eine Wiederholung des Eingangschores (bis T. 71). So ergibt sich die Form A‑B‑A‘‑C‑A.

Besonders hervorzuheben sind die subtile Tonmalerei (z. B. des Sonnenauf- und ‑untergangs), charakteristische Steigerungen, die Vorwegnahme mancher Themen aus späteren Werken (im Mittelteil: Benedictus der Messe in d‑Moll; bei „Hoch über alle Völker“: Andante der Zweiten Symphonie), v. a. aber die stilistisch einheitliche, geschlossene Gesamtanlage des Werkes. Da die Urschrift des Werkes nach dem 5. Takt der Reprise abbricht, galt es lange Zeit als unvollständig; in neuester Zeit ist man jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass Bruckner die notengetreue Reprise nur nicht eigens niederschreiben wollte.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 20.1.2023

Medien

Kategorien

Digitalisate

Quellen (Werkverzeichnis)

Erstdruck

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft