Kitzler, Otto

* 16.3.1834 Dresden, Sachsen/D, † 6.9.1915 Graz, Steiermark/A (Suizid). Kapellmeister und Cellist.

Nach einer umfassenden musikalischen Ausbildung bei ausgezeichneten Lehrern in Dresden und am Brüsseler Conservatoire wirkte er zunächst als Cellist in den Opernorchestern von Straßburg und Lyon, dann als Kapellmeister in Troyes. 1858–1860 und 1861–1863 war er Theaterkapellmeister in Linz (zwischenzeitlich in Königsberg [Kaliningrad/RUS]), anschließend Kapellmeister in Temesvár, Hermannstadt und Brünn, 1868–1898 Direktor des Brünner Musikvereins und der zugehörigen Musikschule sowie bis 1903 Chormeister des Männergesangvereins. Kitzler ist auch als Komponist hervorgetreten.

Über den Domkapellmeister Karl Zappe lernte Bruckner den ausgezeichneten Cellisten Kitzler, der auch dem von Zappe gegründeten Streichquartett angehörte, bereits 1858 bei der Aufführung von größeren Messen in Linz kennen. Nach Abschluss der musiktheoretischen Studien in Harmonielehre und Kontrapunkt bei Simon Sechter wandte sich Bruckner an den um zehn Jahre jüngeren damaligen Linzer Theaterkapellmeister Kitzler, um seine Ausbildung in der Komposition durch Formenlehre‑ und vor allem Instrumentationsstudien (Instrumentation) bei einem der musikalischen Moderne aufgeschlossenen Lehrer zu vervollständigen. Kitzler berichtet in seinen Musikalischen Erinnerungen, dass Bruckner seit Herbst 1861 „regelmäßigen Unterricht in der Orchestration“ bei ihm genommen, er ihn jedoch zuvor basierend auf Ernst Friedrich Richters (1808–1879) Analyse der musikalischen Formen in den „Bau der Tonwerke“ (Kitzler, S. 29) eingeführt habe. Als Anschauungsmaterial dienten die Sonaten Ludwig van Beethovens, wobei das Studium der Sonatenform gleichsam die symphonische Großform vorbereitete (Form in Bruckners Symphonien). Im Instrumentationsunterricht wurden der letzte Band der Kompositionslehre von Adolf Bernhard Marx (1795–1866) und die Partituren klassischer Meister studiert. Aus der Zeit des Unterrichts bei Kitzler ist das von Bruckner eigenhändig geschriebene sogenannte Kitzler-Studienbuch erhalten geblieben. Da es damals die Franz Liszt‘sche oder Richard Wagner‘sche Instrumentierungskunst berücksichtigende Lehrbücher noch nicht gab, wurde für Bruckner im Hinblick auf die Ausprägung seiner spezifischen Klangvorstellungen die Begegnung mit Wagners Tannhäuser von entscheidender Bedeutung, den Kitzler am 13.2.1863 mit großem Erfolg zum ersten Mal in Linz dirigierte. Vor und nach der Aufführung betrieb Bruckner – so Kitzler – unter seiner Anleitung mit Hinweis auf die „Neuheit der Instrumentation“ (Kitzler, S. 30) gründliche Partiturstudien. In dieser Studienzeit entstanden die ersten größeren Arbeiten Bruckners für Orchester, so u. a. der Marsch für Orchester in d‑Moll , die Drei Orchesterstücke, die Ouvertüre in g‑Moll und die Symphonie in f‑Moll („Studiensymphonie“). Kitzler fand die Symphonie nicht sehr inspiriert, was Bruckner ziemlich kränkte; erst viel später gab er seinem Lehrer recht und qualifizierte das Werk als Schularbeit. Am 10.7.1863 feierte Bruckner mit seinem Lehrer die von ihm gewünschte „Freisprechung“ und erhielt von diesem ein Zeugnis, das ihm bescheinigte, den eigentlich zweijährigen Kurs in nur 19 Monaten absolviert zu haben. Trotzdem wandte sich Bruckner nach Kitzlers Weggang von Linz an dessen Nachfolger Ignaz Dorn, der den unter Kitzler begonnenen Weg Bruckners zu schöpferischer Eigenständigkeit noch wesentlich bereicherte.

Bruckner und Kitzler blieben zeit ihres Lebens freundschaftlich verbunden. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit besuchte Kitzler seinen ehemaligen Schüler in Wien. 1875 bat Bruckner Kitzler um die Aufführung der Zweiten Symphonie in Brünn, was jedoch aufgrund der dortigen unzulänglichen Orchesterverhältnisse nicht möglich war. Am 13.4.1888 dirigierte Kitzler das Te Deum mit dem Chor und Orchester des Brünner Musikvereins. Der Einladung Kitzlers, zu der von ihm geleiteten Aufführung der Vierten Symphonie am 21.4.1893 in Brünn, konnte Bruckner aus Krankheitsgründen nicht nachkommen (Krankheiten und Tod Bruckners); Kitzler berichtete jedoch brieflich von dem mit Begeisterung aufgenommenen Konzert. Auch an der zweiten von Kitzler zu Lebzeiten Bruckners geleiteten Aufführung einer Symphonie in Brünn (25.3.1896, Zweite Symphonie) konnte der Komponist krankheitsbedingt nicht mehr teilnehmen. Im August 1896 besuchte Kitzler den Komponisten. Zum Andenken an ihn dirigierte Kitzler am 19.12.1896 abermals das Te Deum.

Kitzlers Trauermusik Dem Andenken Anton Bruckners wurde am 11.11.1905 in Brünn uraufgeführt. August Göllerich nahm dieses Werk in das erste statutenmäßige Konzert des Linzer Musikvereines am 21.10.1906 ins Programm auf (Oberlik). Weitere Aufführungen erfuhr diese Hommage 1992 und 2000 durch Erwin Horn, 2013 durch Gerd Schaller und 2016 durch Thomas Doss.

Werke
  • Trauermusik für großes Orchester. Dem Andenken Anton Bruckners
  • Symphonische Dichtung Der Fischer und die Seenixe
  • Klavierstücke
  • Chöre
  • Lieder
Schriften
  • Musikalische Erinnerungen mit Briefen von Wagner, Brahms, Bruckner und Rich. Pohl. Brünn 1904
Literatur

INGRID FUCHS, ANDREA HARRANDT

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 23.5.2019

Medien

Kategorien

Normdaten (GND)

Kitzler, Otto: 116196009

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft