Jerger (eigentl. Jeřabek), Wilhelm (Franz)

* 27.9.1902 Wien/A, † 24.4.1978 Linz, Oberösterreich/A. Kontrabassist, Dirigent, Musikwissenschaftler, Komponist.

Jerger studierte in Wien 1916–1922 Kontrabass an der Musikakademie sowie 1922/23 und 1925–1927 Musikwissenschaft an der Universität Wien bei Guido Adler. Er war Kontrabassist an der Wiener Staatsoper (seit 1922) und bei den Wiener Philharmonikern (seit 1924). Zudem lehrte er ab 1936 am Wiener Volkskonservatorium und ab 1938 an der Reichshochschule für Musik. Seit 1932 war er NSDAP-Mitglied und seit 1938 Angehöriger der SS. 1938 war er kommissarischer Leiter, 1939–1945 Vorstand der Wiener Philharmoniker. Nach seiner Postenenthebung aufgrund des Entnazifizierungsverfahrens übersiedelte er 1945 zunächst nach Salzburg und 1948 in die Schweiz, wo er bis 1958 die Allgemeine Musikgesellschaft Luzern leitete und 1952 das Doktoratsstudium Musikwissenschaft an der Universität in Freiburg im Üechtland abschloss. 1958 kehrte er nach Österreich zurück und wirkte bis 1973 als Direktor des Bruckner-Konservatoriums (heute Anton Bruckner Privatuniversität) in Linz.

Jerger gab 1942 elf Briefe Bruckners an die Wiener Philharmoniker heraus. Im Vorwort hebt er in knapper Zusammenfassung etlicher Bruckner-Klischees seiner Zeit „die ganze Naivität und Kindlichkeit, Reinheit und Lauterkeit dieser großen gottnahen Seele, aber auch die ganze erschütternde Tragik des weltfremden Künstlers“ (Jerger, Briefe an die Wiener Philharmoniker, S. 7) hervor. Jergers katholisch-nationale Haltung – seine Erziehung hatte er am Wiener Schottengymnasium erhalten – könnte neben den bekannten Gründen für die Bruckner-Rezeption während der Zeit des Nationalsozialismus bei der Steigerung von Bruckner-Aufführungen durch die Wiener Philharmoniker eine Rolle gespielt haben. 1972/73 nahm er mit dem Chor und Orchester des Bruckner-Konservatoriums das Requiem in d-Moll (WAB 39) auf. Das Sanctus dieser Aufnahme wurde für den Film Das Leben Anton Bruckners (1974) von Hans Conrad Fischer (* 11.3.1926) verwendet.

Werke
  • Orchestermusik (z. B. Partita für Orchester, op. 21)
  • Kirchenmusik
  • Kammermusik
Schriften
  • Die Wiener Philharmoniker. Erbe und Sendung. Wien 1942 [2. Aufl. 1943]
  • Hg., Briefe an die Wiener Philharmoniker. Wien 1942 [darin elf Briefe Bruckners]
  • Vom Musikverein zum Bruckner-Konservatorium 1823–1963. Linz 1963
  • Unbekannte Frauenbildnisse aus dem Nachlaß von Anton Bruckner, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 27 (1973) H. 3/4, S. 165–169
  • Arbeiten zu August Göllerich und Hermann Pius Vergeiner
Literatur
  • Erich Posch, Professor Dr. Wilhelm Jerger 70 Jahre, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 26 (1972) H. 3/4, S. 168–171
  • Clemens Hellsberg, Demokratie der Könige. Die Geschichte der Wiener Philharmoniker. Zürich–Wien–Mainz 1992
  • Fred K. Prieberg, Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Auprès des Zombry ²2009 [CD-ROM], S. 3669–3672
  • Regina Thumser, Musikpolitik in Oberösterreich 1938–1955, in: Regina Thumser/Klaus Petermayr (Hg.), Klänge der Macht. Nationalsozialistische Musikpolitik in Oberösterreich. Linz 2010, S. 11–28
  • Barbara Boisits/Christian Fastl, Art. „Jerger (eig. Jeřabek; auch Jerzabek), Wilhelm Franz“, in: www.musiklexikon.ac.at [21.1.2019]

BARBARA BOISITS

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 21.1.2019

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Abbildungen

Abbildung 1: Neue Zeitschrift für Musik 109 (1942) H. 4, S. 148/1

Normdaten (GND)

Jerger (eigentl. Jeřabek), Wilhelm (Franz): 117105546

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft