Österreich (Rezeption)

Die Rezeption Bruckners in Österreich (bezogen auf das heutige Staatsgebiet) beginnt im eng begrenzten Umfeld von Wirkungsstätten und Auftraggebern. Daher ist es der Kirchenmusiker und Liedertafel-Komponist, der zunächst in Erscheinung tritt. Und es ist für Bruckners Wirkungsgeschichte signifikant, dass er lange Zeit überhaupt als musikalisch Ausübender – nämlich als Organist, daneben als Chorleiter – öffentliche Anerkennung erringen konnte, in besonderer Weise anlässlich seiner Orgelauftritte in Nancy, Paris und London. Als Dom- und Stadtpfarrorganist in Linz konnte er seine künstlerische Existenz als Berufsmusiker sichern.

Großen Erfolg zu verbuchen hatte der Komponist Bruckner mit der Uraufführung seiner Messe in d‑Moll (1864), und es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass seit diesem Ereignis sein kompositorisches Werk langsam, aber kontinuierlich öffentlich anerkannt wurde. 1865 erschien mit dem Chor Germanenzug sein erstes gedrucktes Werk. Auf diesem Weg war dann die Uraufführung der Ersten Symphonie (1868) ein weiterer entscheidender Meilenstein. In dieser späten Linzer Zeit war Bruckner in der lokalen Presse bereits stärker präsent, vor allem in Zusammenhang mit der Liedertafel „Frohsinn“ und den Sängerfesten. „Herr Bruckner ist auf dem besten Wege zum Ruhme, und schon jetzt wird sein Name in weiteren musikalischen Kreisen mit hoher Achtung genannt.“ (Der Alpenbote 24.9.1868, S. 3). In das gleiche Jahr fiel die erste Ehrenmitgliedschaft (Ehrungen), nämlich jene des Dommusikvereins und Mozarteums in Salzburg.

Mit der Übersiedlung nach Wien, wo zunächst nur vereinzelte Meldungen in der Presse erschienen, vergrößerte sich allmählich der Wirkungskreis. Doch auch in den frühen Wiener Jahren stand der Organist im Vordergrund. 1873 war für Bruckner ein markantes Ereignis: Er dirigierte (das erste und einzige Mal) die Wiener Philharmoniker; auf dem Programm stand die Zweite Symphonie. Auch wurde bereits 1873 Bruckners Wagner-Epigonentum thematisiert. Damit entbrannte der Parteienstreit zwischen den „Brahminen“ und Wagnerianern. Bruckner selbst bezog durch die Widmung der Dritten Symphonie an Richard Wagner und seinen Beitritt zum Wiener Akademischen Wagner-Verein Stellung. Der Verein trug in den folgenden Jahren wesentlich zur Rezeption der Werke Bruckners in Wien bei. Erst in der Ära Hans Richters wandten sich die Wiener Philharmoniker wieder Bruckners Schaffen zu.

Verfolgt man ein wenig die Aufführungsstatistik, so wurden zu Lebzeiten Bruckners am häufigsten die Zweite, die Dritte (in der 2. und 3. Fassung) und die Vierte Symphonie gespielt. In der Kirchenmusik weisen u. a. die Messe in d‑Moll und das Te Deum höhere Aufführungszahlen auf. Der Bereich der Männerchöre erscheint – bedingt durch die Bedeutung dieser Institutionen im 19. Jahrhundert – sehr gut repräsentiert; der Germanenzug, aber ebenso kleinere Chöre standen häufig auf den Programmen.

Die historischen Fakten widerlegen damit die weit vorherrschende Meinung, dass Bruckner kein öffentliches Ansehen besessen habe. Auch wer von seiner „Leidenszeit“ in Wien spricht, kann die doch erstaunliche Anzahl von Aufführungen nicht wegleugnen. Die Presse war ebenfalls keineswegs nur feindlich gestimmt: Pro und Kontra durchziehen die zeitgenössische Wirkungsgeschichte. Die häufigsten Bruckner-Meldungen (Rezensionen und Informationen) bringen – oft einseitig apologetisch – die deutsch-nationalen Blätter, die liberale Presse hingegen zeigt unterschiedliche Bewertungsformen. 1881 konnte die Vierte Symphonie einen bemerkenswerten Erfolg erzielen und 1892 wurde die Achte überraschend günstig aufgenommen.

Wenn auch der „Durchbruch“ wesentlich mit der Uraufführung der Siebenten Symphonie in Leipzig (1884) erfolgte, war Bruckner in seiner Heimat damals kein unbekannter oder verkannter Künstler mehr, viel eher passt die Bezeichnung „umstritten“. Während noch sein 60. Geburtstag (1884) – laut Presse – eher still verlief, erschienen zu seinem 70. Geburtstag (1894) zahlreiche Artikel und Würdigungen und er selbst erhielt rund 70 Telegramme und 200 Briefe. Gegen Ende seines Lebens nahm die öffentliche Anerkennung stetig zu. Dies schlug sich in Auszeichnungen (z. B. 1891 Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und des Ehrendoktorates der Universität Wien als höchste Anerkennung seiner „Kompositionswissenschaft“ [Partsch, S. 354]) ebenso nieder wie in vermehrten Aufführungen. 1895 erschien bereits die erste Biografie (von Franz Brunner). Bruckners Tod 1896 folgten zahlreiche Nekrologe in in- und ausländischen Blättern.

Die ersten Jahre nach Bruckners Tod waren vor allem durch die Initiative von Freunden und Schülern bestimmt. Dies gilt für das in Steyr errichtete erste Denkmal genauso wie für die von August Göllerich angeregte Bruckner-Stiftung oder das erste Brucknerfest (Linz 1898). Durch engagierte Dirigenten fanden zahlreiche Aufführungen statt; 1910 erlebte Wien zum ersten Mal einen gesamten Bruckner-Zyklus.

In den 1920er Jahren – im Umkreis des 100. Geburtstages – nahmen sämtliche Aktivitäten stark zu. So führte Franz Moißl 1924 in Klosterneuburg einige Werke Bruckners erstmals auf. Nicht unwesentlich trug der Brucknerbund für Oberösterreich (1926), dem viele Ortsgruppen angehörten, zur Verbreitung von Bruckners Werk bei. 1929 wurde der Sitz der Internationalen Bruckner-Gesellschaft nach Wien verlegt. Die Bruckner-Tradition setzte sich in den 1930er Jahren ungebrochen fort, da er durch ideologische Vereinnahmung und Heroisierung während der Ära des Nationalsozialismus häufig gespielt und mit der Aufstellung seiner Büste in der Walhalla 1938 als „größter Meister der deutschen Tonkunst“ (Partsch, S. 356) gefeiert wurde. Das Stift St. Florian sollte auf Betreiben der Machthaber zu einem „Bruckner-Bayreuth“ (Partsch, S. 357) institutionalisiert und zum Ort von Bruckner-Festspielen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen von österreichischen Interpreten und Wissenschaftlern neue Impulse. Mit dem Bau des Brucknerhauses (1974) entwickelte sich Linz zum wichtigsten Zentrum der Bruckner-Pflege neben Wien, Bruckner wurde zu einem „Nationalkomponisten“. Mit der Gründung des Anton Bruckner Instituts Linz (1978) etablierte sich ein eigenes Forschungs- und Dokumentationszentrum. Seit 2007 besteht außerdem an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Forschungsstelle „Anton Bruckner“. Das Gedenkjahr 1996 stand im Zeichen vieler Konzerte und Veranstaltungen. So war im Wiener Musikverein ein Bruckner-Zyklus zu hören, des Weiteren widmeten sich Ausstellungen in Oberösterreich und Wien dem Komponisten. Seit 1996 finden im Alten Dom zu Linz an Bruckners Geburtstag (4.9.) jährlich Bruckner-Aufführungen statt. Das Stift St. Florian veranstaltet seit 1997 jeweils im August Bruckner-Tage. Neben dem symphonischen Werk und der Kirchenmusik finden jüngst auch die selten gespielten Gattungen wie Männerchöre, Lieder oder Klavierwerke verstärkt Beachtung.

Literatur

ANDREA HARRANDT, ERICH WOLFGANG PARTSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 21.9.2020

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