Film und Fernsehen

Im Gegensatz zu Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Johann Strauss Sohn, deren Biografien vielfach und mit großer Resonanz filmisch gedeutet wurden, finden sich für die Figur und das Leben Bruckners nur verhältnismäßig wenige Bearbeitungen. Gründe hierfür sind wohl in der scheinbaren äußeren Ereignislosigkeit von Bruckners Vita bzw. seinem Schaffensprozess zu finden, ansonsten wäre er, besonders durch das auf ihn projizierte Klischee des „Musikanten Gottes“, prädestiniert gewesen, wesentlich häufiger in Filmen dargestellt zu werden, die in der Zwischenkriegszeit, vor allem jedoch in der Zeit nach 1945 versuchten, mittels ausgesuchter Narrative (wie eben der Lebensläufe der eingangs genannten Komponisten) „österreichisches“ Identitätsbewusstsein zu vermitteln.

In diesem Sinne war es auch zunächst Bruckners Musik, die prominent in einem Spielfilm eingesetzt wurde, nämlich in Willi Forsts (1903–1980) Burgtheater (A 1936), in dem die von Peter Kreuder (1905–1981) paraphrasierten Eingangstakte der Vierten Symphonie als klanglicher Signifikant „österreichischer“, in diesem Szenario jedoch städtisch verstandener Hochkultur agieren. Es ist bezeichnend für den ausgeprägten Stadt/Land-Gegensatz der Entstehungszeit, dass der noch im selben Jahr wie Burgtheater uraufgeführte Spielmann Gottes (A 1937, R: Max Zehenthofer) nun vehement das vermeintlich „Rurale“ der historischen Figur Bruckners und seiner Musik betonte. Schon im Jahr zuvor (1936) war ein Bruckner-Film mit dem selben Titel (Der Spielmann Gottes) mit der Schilderung einer Hochzeitsszene gedreht worden, der lange als verschollen galt, 1996 wiedergefunden wurde und für den die Gemeinde Kronstorf das alleinige Aufführungsrecht besitzt. Während der nationalsozialistische Propaganda- und sogenannte Kulturfilm angesichts der weithin bekundeten Vorliebe Adolf Hitlers für den Komponisten überraschend zögerlich Bruckner als Gegenstand heranzog (eine Ausnahme bildet Die Heimat Anton Bruckners, 1944) und man von Allusionen an die Musik Bruckners in den Tonspuren der Deutschen Wochenschau absieht, ist die filmische Rezeption des Komponisten in der Nachkriegszeit dichter. So codiert Luchino Visconti (1906–1976) in Senso (I 1954; dt. Sehnsucht), einer tragischen Liebesgeschichte in den letzten Tagen der österreichischen Besetzung Venedigs, die Siebente Symphonie zum entsprechenden filmmusikalischen Symbol.

Im deutschsprachigen Film erscheint Bruckner nach 1945 zuerst in der Kurz-Dokumentation St. Florian – Geistige Heimat Anton Bruckners (D 1956). In Österreich in Dur und Moll (A 1961, R: Helmut Pfandler) wird Bruckners Musik dann als klangliches Äquivalent „österreichischer“ Landschaft in eine Reihe mit jener Joseph Haydns, Beethovens, Mozarts und Schuberts gestellt. Zweimal wurde Bruckner in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts auch von auf Komponistenbiografien spezialisierten Filmschaffenden portraitiert: 1974 in Das Leben Anton Bruckners vom bayerischen Regisseur Hans Conrad Fischer (* 11.3.1926 Berchtesgaden, Bayern/D), der auch mit Filmen über Mozart, Beethoven und Johann Sebastian Bach hervortrat, und 1990 vom Briten Ken Russell (1927–2011), der eine umfangreiche, gleichwohl umstrittene Reihe filmischer Musiker-Viten (u. a. über Frederick Delius [1862–1934], Pjotr Iljitsch Tschaikowsky [1840–1893], Franz Liszt und Gustav Mahler) vorgelegt hat. Sein Beitrag The Strange Affliction of Anton Bruckner (dt. Die seltsamen Heimsuchungen des Anton Bruckner) zeigt den Aufenthalt Bruckners (verkörpert von Peter Mackriel) in der Heilanstalt Bad Kreuzen im Jahr 1867 und spielt mit dem Gegensatz aus dem Krankhaft-Zwanghaften des Komponisten, seinen sozialen Eigentümlichkeiten, seinem Katholizismus (Persönlichkeit) und seiner Musik (besonders der Siebenten Symphonie, die den Film über weite Strecken, oft als durchaus ironischer Kommentar, begleitet). Nennenswert ist auch der in nüchternem Schwarz-Weiss gehaltene und sich durch lange, elegante Kamerafahrten auszeichnende Spielfilm Bruckners Entscheidung (D 1995) von Jan Schmidt-Garre (* 18.6.1962 München, Bayern/D), mit Joachim Bauers Darstellung des Komponisten. Wie bei Russell, nur ungleich mehr um Ernsthaftigkeit bemüht, wird in diesem Film erneut die Kur in Bad Kreuzen als wichtiger, gar entscheidender Punkt in Bruckners Leben interpretiert.

Unter den Dokumentationen, die sich mit dem historischen Phänomen Bruckner auseinandersetzen, ragen Franz Grasbergers Anton Bruckner. 1824–1896 (1974) und Walter Glass‘ († 10.1.1997) monumentaler Versuch Anton Bruckner. Unsterbliche Musik mit Material aus mehr als 30 Jahren Sammeltätigkeit heraus (Kopie u. a. im Anton Bruckner Institut Linz).

1981 zeigte das ORF Landesstudio Oberösterreich die Dokumentation Auf den Spuren Anton Bruckners. Von Windhaag nach St. Florian, die in der Reihe Unterwegs in Österreich gedreht wurde (Buch: Elisabeth Maier; Redaktion: Wolfgang Winkler; Bildregie: Lutz Maurer). Im Bruckner-Jahr 1996 (100. Todestag) entstanden mehrere TV-Produktionen: Den Anfang bildete eine für den Musikunterricht ab der 5. Schulstufe gedachte Biografie Anton Bruckner (Wissenschaftliche Beratung: E. Maier; Landesbildstelle OÖ; Filmproduktion: Wolfgang Frey; Wien 1995). Anton Bruckner – Das Tongenie aus Ansfelden ist eine von Lokalpatriotismus getragene kurze Darstellung der Aztek Productions (Schloß Puchenau, 1996), während der für den ORF (1996) produzierte Film von Herbert Eisenreich Kennen Sie Bruckner? Michael Heltau auf Spurensuche durch die Mitarbeit Manfred Wagners den Versuch eines Aufbrechens von Klischees unternimmt. Eine opulente, durch poetische Bildsprache gekennzeichnete Darstellung ist schließlich der Film Aus einer andern Welt. Bruckner und das Geheimnis von St. Florian von Hubert Schöne und Marius Langer, der ebenfalls 1996 für den Bayerischen Rundfunk gedreht wurde.

Ende der 1920er Jahre wurden Werke u. a. von Richard Strauss, Mahler und Bruckner zur Begleitung von Stummfilmen für Salonorchester bearbeitet. Francesco Finocchiaro (* 1976 Catania/I) erforschte (2015) hierzu die Vindobona-Serie der Universal Edition, welche über 130 Bearbeitungen von klassischen Musikstücken enthält. Bruckner wurde insgesamt acht Mal in Form von Bearbeitungen von Arnold Wilke ([1877–1933]; 3. Satz der Ersten Symphonie) und Emil Bauer ([1874–1941]; einzelne Sätze der Zweiten, Vierten, Fünften, Siebenten Symphonie, Ouvertüre in g‑Moll) in die Sammlung aufgenommen.

Eine Bruckner-Rezeption findet sich jüngst im schwedischen Film. Im Kinofilm Trolösa (Die Treulosen, 2000; R: Liv Ullmann [* 1938]) von Ingmar Bergman (1918–2007) dirigiert einer der Protagonisten das Finale von Bruckners Fünfter Symphonie. Im Fernsehfilm Saraband (2003), ebenfalls von Bergman, hört eine Person sehr intensiv das Scherzo der Neunten Symphonie. Die Tatsache, dass Bergman selbst Bruckner gehört hatte, ist in einem Buch seiner Ex-Frau Käbi Laretei (1922–2014) nachzulesen (s. Lit.). Im Kinofilm Så som i himmelen (As it is in Heaven, 2004; R: Kay Pollak [* 1938]) dirigiert die Hauptfigur einen Teil aus Bruckners Zweiter Symphonie.

Literatur

ELISABETH MAIER, STEFAN SCHMIDL

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 24.8.2020

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