Seidl, Anton
* 7.5.1850 Pest (Budapest)/H, † 28.3.1898 New York City, New York/USA. Dirigent.
Studium 1870–1872 an Universität und Musikkonservatorium in Leipzig. Dirigentenausbildung in Pest bei Hans Richter, der ihn an Richard Wagner in Bayreuth empfahl, wo er 1872–1878 Assistent und Kopist der Nibelungen-Kanzlei sowie an den Proben zum ersten Ring des Nibelungen 1876 beteiligt war. 1878/79 Korrepetitor an der Wiener Hofoper, ab 1879 Chefdirigent des Leipziger Stadttheaters. Er dirigierte 1881 Wagners Ring in Berlin, 1882 in London und war 1882/83 Dirigent des Richard Wagner-Theaters von Angelo Neumann (1838–1910) auf dessen Europatournee. Nach Engagements in Bremen und Prag war er bis 1892 Nachfolger von Leopold Damrosch (1832–1885) an der Metropolitan Opera in New York. Er leitete amerikanische Erstaufführungen von Werken Wagners und Tourneen durch die USA. 1891–1898 Dirigent der Philharmonic Society.
Bruckner lernte Seidl vermutlich 1876 in Bayreuth kennen. In einem Brief vom 9.7.1883 an ein Künstlerpaar, bei dem es sich wahrscheinlich um Seidl und seine spätere Frau, der Sängerin Auguste Kraus (1853–1939) handelte, drückte Bruckner sein Bedauern darüber aus, dass der Freund Wien verlassen werde (Briefe I, 830709). Seidl hatte in Leipzig durch Arthur Nikisch die Partitur der Siebenten kennengelernt, Bruckner selbst schrieb: „Auch Herr Seidl sagte, vom Meister das Schmeichelhafteste über diese Sinfonie vernommen zu haben.“ (Briefe I, 841208/2).
Weniger begeistert äußerte sich Josef Schalk in einem Brief an seinen Bruder Franz (Briefe II, 880502): „Seidl war dieser Tage hier. Löwe und ich haben in seiner und Richter’s Gesellschaft ein paar sehr unerquickliche Stunden beim Spaten zugebracht. Er hat die IV. mit großem Erfolg in New York aufgeführt, scheint übrigens kaum so enthusiasmirt wie sein Publikum zu sein. Wozu auch Begeisterung, das hindert ja doch im Geschäft! Übrigens versprach er Bruckner das Te Deum u. eine andere Symphonie nächstens aufzuführen.“ Am 4.4.1888 (Göll.-A. 4/4, S. 237) leitete Seidl die amerikanische Erstaufführung der Vierten in der 3. Fassung (in Göll.-A. 4/2, S. 591–594, wird der 9.4.1888 als Aufführungsdatum genannt), wofür er von Bruckner 1886 die revidierte Dirigierpartitur erhalten hatte, die seit 1905 an der Columbia University (New York) aufbewahrt wird.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/2, S. 591–594, 4/4, S. 237
- Joseph Horowitz, Art. „Seidl, Anton“, in: NGroveD²Stanley Sadie (Hg.), The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 29 Bde. 2. Ausgabe. London 2001 23 (2001), S. 49f.
- Marianne Betz, „Seidl, Anton“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 15 (2006), Sp. 535f.
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009
- Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 168, 352f.
- Hubert Reitterer, Art. „Seidl, Anton“, in: www.biographien.ac.at [27.5.2019]