Vergeiner, Brüder
Anton Josef: * 2.3.1858 Freistadt, Oberösterreich/A, † 31.7.1901
Freistadt. Musiker und Komponist.
Der Sohn des Notars Anton Vergeiner
(* 4.10.1820 [Ort?], † 25.4.1875 Freistadt) erlernte das Violinspiel beim Linzer Stadtkapellmeister Josef Lechner und in Wien bei Josef Maxincsak ([1848–1908]; Jerger, S.
148). Er besuchte nach eigenen Angaben während seines Jus-Studiums an der Universität Wien Bruckner-Vorlesungen;
die Inskription von Bruckners Harmonielehre-Unterricht ist für das Wintersemester 1879/80 nachweisbar (www.demos.ac.at). 1883 übernahm er die
Chormeisterstelle des Linzer Arbeiter-Sängerbundes (Linzer Volksblatt 30.10.1883, S. 2). 1886 empfahl er sich im
Badener Bezirks-Blatt „als Hauslehrer für sämmtl. Volks-
und Mittelschul-Lehrgegenstände, desgleichen für den Unterricht im Gesange,
Violinspiel und Klavierspiel für Anfänger“ (Badener
Bezirks-Blatt 19.6.1886, S. 10). Gelegentliche Engagements als Geiger (Baden
bei Wien, Zürich).
Am 26.9.1884 erschien von ihm ein biografischer Artikel anlässlich des 60. Geburtstages Bruckners in der Linzer Tages-Post. Neben deutlich antisemitischen Tönen gegen die Wiener Presse bezeichnete er darin Bruckner als „unstreitig bedeutendsten heimischen Tonkünstler“ (Linzer Tages-Post 26.9.1884, S. 3). Bruckner lieferte für dieses Feuilleton Material (Briefe I, 840425, 840509) und bedankte sich herzlich (Briefe I, 841105/1). Später dürfte sich der persönliche Kontakt verloren haben. Vergeiner beging wiederholt kriminelle Taten und war Alkoholiker, womit er der Karriere seines Bruders, der sich um ihn kümmerte, schadete.
Werke
- Klavierwerke
- Chöre
Schriften
- Anton Bruckner, in: [Linzer] Tages-Post 26.9.1884, S. 1ff.
- Libretti: Unter Sperre; Der moderne Paris (Musik jeweils von Hermann Pius Vergeiner, beide unvollendet)
Hermann Pius: * 11.7.1859 Freistadt, Oberösterreich/A, †
28.10.1900 München, Bayern/D. Organist, Komponist und Musikpädagoge.
Nach
Absolvierung der Volksschule und des Gymnasiums in Freistadt 1875 Besuch der
Lehrerbildungsanstalt in Linz. 1878 begann Vergeiner sein Studium am
Konservatorium der Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien: Komposition bei Franz Krenn, Klavier bei Josef Eder und als
Hauptfach Orgel bei Bruckner, welches er 1881
mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Erste Klavierwerke entstanden bereits in
seiner Linzer Zeit. In beruflicher Hinsicht war er rastlos und vermochte nicht Fuß
zu fassen, seine Anstellungen beendete er meist innerhalb eines Jahres: 1884 war
er bischöflicher Domorganist in Weißbrunn (Veszprém/H), 1885 in Elbogen
(Loket/CZ), 1886 in Wien, Salzburg und
Bludenz; nach zwei Monaten als supplierender Klavierlehrer am Mozarteum erhielt er
im September 1886 die Stelle des Musikdirektors, Chorregenten und Organisten in
Bludenz, die er im Juli 1887 schon wieder aufgab. (Aus welchen Gründen man sich in
der Bludenzer Gemeindratssitzung über Vergeiner beschwerte [Vorarlberger Volks-Blatt 1.4.1887, S. 392], ist unklar.) Nach negativ
beschiedenen Bewerbungen als Musiklehrer in St. Gallen, Zürich, Rattenberg, beim
Wiener Cäcilienverein und am Konservatorium in Leipzig erteilte er 1889 Musikunterricht in
Budweis (České Budějovice/CZ) und Komotau (Chomutov/CZ). Im September 1890
beendete er das seit Jänner desselben Jahres bestehende Dienstverhältnis als
Musiklehrer am Jesuitenkolleg in Kalksburg (Wien, 23. Bezirk) und unterzog sich am
Prager Konservatorium im Mai 1891 einer
(weiteren) Lehramtsprüfung zur Befähigung der Unterrichtserteilung im Klavierspiel
an Lehrerbildungsanstalten. 1892 regte Rudolf Weinwurm die Bewerbung bei den Wiener Musikschulen Kaiser und
Horak an, woraufhin Vergeiner eine Anstellung als Lehrer für Orgel an der
Musikschule Kaiser für 1894/95 in Aussicht gestellt wurde. Diese Stelle nahm er
jedoch nicht an, sondern wanderte noch 1894 nach München aus, wohin ihm sein
Bruder nachfolgte (Jerger, S. 153–156; Maier, S. 7ff.).
Bruckner attestierte Vergeiner am 8.3.1886 brieflich die mit „Auszeichnung“ absolvierte „Orgelschule“ (Briefe I, 860308). Entweder Vergeiners Suppliertätigkeit am Mozarteum oder die Bewerbung als Musikdirektor in Bludenz waren dafür der Anlass. Vergeiners Chorwerke wurden von zahlreichen Gesangvereinen in die Programmfolge der Liedertafeln genommen. Ob und inwieweit seine Kompositionen stilistisch von Bruckner beeinflusst sind, wurde noch nicht untersucht.
Am 9.5.1970 spielte das Kammerorchester des Bruckner-Konservatoriums (heute Anton Bruckner Privatuniversität) unter der Leitung von Wilhelm Jerger Vergeiners Symphonie C‑Dur im Mühlviertler Schlossmuseum in Freistadt, für die er laut einer „Kunstnotiz“ 1891 vom Ministerium für Cultus und Unterricht ein Künstlerstipendium erhalten haben soll (Linzer Volksblatt 1.4.1891, S. 2). Ein entsprechendes Dekret fehlt jedoch in den Akten des Ministeriums (Jerger, S. 171).
2012 gelangte der umfangreiche Nachlass beider Musiker (über 660 Kompositionen) an das Schlossmuseum Freistadt.
Werke
- Operetten (Der geprellte Vormund; Unter Sperre; Der moderne Paris)
- Orchesterwerke
- Kirchenmusik
- Klavier- und Orgelwerke
- Chöre
- Lieder
Literatur
- Dr. Anton Vergeiner †, in: [Linzer] Tages-Post 29.4.1875, S. 1
- Arbeiter-Sängerbund, in: Linzer Volksblatt 30.10.1883, S. 2
- Ein absolvierter Jurist, in: Badener Bezirks-Blatt 19.6.1886, S. 10
- Bludenz [Gemeinderatssitzung], in: Vorarlberger Volks-Blatt 1.4.1887, S. 392
- Liedertafel des Männergesangvereins [Wels], in: [Linzer] Tages-Post 29.6.1890, S. 4
- Unterricht. Hermann A. [sic] Vergeiner, in: [Linzer] Tages-Post 12.2.1891, S. 7
- Kunstnotiz, in: Linzer Volksblatt 1.4.1891, S. 2
- Gutenbergbund, in: [Linzer] Tages-Post 25.4.1893, S. 3
- Ortsgruppe St. Pölten des Vereines österreichischer Handelsangestellter, in: St. Pöltner Zeitung 13.8.1893, S. 4
- Gesangverein „Arbeiter-Sängerbund“ in Linz, in: [Linzer] Tages-Post 24.4.1894, S. 4
- Linz, 17. October [Festnahme Anton Vergeiners], in: Grazer Tagblatt, Abend-Ausgabe 17.10.1894, S. 3
- Stiftungsliedertafel des Wiener Männergesang-Vereines, in: Local-Anzeiger der „Presse“ 7.11.1894, S. 11
- Karl Schallaböck, Anton und Hermann Pius Vergeiner. Ihr Leben und Schaffen, in: Jahresbericht des Gymnasiums Freistadt 63 (1933)
- Franz Kinzl, Die Gebrüder Vergeiner, zwei Freistädter Tonschöpfer, in: Mühlviertler Heimatblätter 8 (1968) H. 7/8, S. 114–117
- Wilhelm Jerger, Der Brucknerschüler Hermann Pius Vergeiner 1859–1900, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 30 (1976) H. 3/4, S. 145–173
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009
- Elisabeth Maier, „Sie haben in ganz Oberösterreich nicht ihresgleichen“ (August Göllerich zu Karl Schallaböck). Die Brüder Anton und Hermann Pius Vergeiner, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 80 (Juni 2013), S. 5–10
- Bernhard Prammer, Briefe Anton Bruckners aus dem Nachlass der Brüder Anton und Hermann Pius Vergeiner, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 12 (Dezember 2013), S. 14–17
- Bernhard Prammer, Die Digitalisierung der Kompositionen von Hermann Pius und Anton Vergeiner, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 13 (Mai 2014), S. 15f.
- www.museum-freistadt.at/ausstellungen/sammlungen/vergeiner-scans/ [18.9.2019]
- www.ooegeschichte.at/themen/technik-und-alltag/90-jahre-muehlviertler-schlossmuseum/1970-1975/ [18.9.2019]
- www.demos.ac.at [18.9.2019]
- Taufbuch-Duplikat 1858 der Pfarre Freistadt, [pag. 2]
- Taufbuch-Duplikat 1859 der Pfarre Freistadt, [pag. 6]
- Sterbebuch-Duplikat 1875 der Pfarre Freistadt, [pag. 4]