Christus factus est III (WAB 11)
Graduale für vierstimmigen gemischten Chor a cappella in d‑Moll, „Moderato misterioso“
EZ: | 28.5.1884 in Wien |
W: | P. Oddo Loidol („Sr Hochwürden dem Wohlgebornen Herrn P. Oddo Loidol, Benediktiner des löbl. Stiftes Kremsmünster“) |
UA: | 9.11.1884 in Wien, Hofburgkapelle |
Aut.: | Paul Sacher Stiftung, Basel, Schweiz (Sammlung Arthur Wilhelm, o. Sign., vormals im Besitz von Carl Führich); Stift Kremsmünster, Musiksammlung (C57/20, As. [Widmungspartitur]); ÖNB‑MS (Mus.Hs.37282, As. [Stichvorlage]) |
ED: | Vier Graduale. Rättig, Wien 1886 (zusammen mit Locus iste, Os justi und Virga Jesse) |
NGA: | Band XXI (Hans Bauernfeind/Leopold Nowak, 1984) und Revisionsbericht (1984) |
Der musikalische Aufbau dieser Vertonung stellt sich streng in den Dienst der Textausdeutung: Der 1. Teil (T. 1–20) nennt in Kurzform Menschwerdung und gehorsam übernommenes Todesschicksal Jesu. Der 2., wesentlich längere (T. 21–65) und durch eine (wohl die Stille des Todes andeutende) Generalpause abgesetzte Teil schildert die Erhöhung des „nomen, quod est super omne nomen“. Bruckner gestaltete die Motette mit einem Höchstmaß an musikalischer und theologischer Reflexion, deren besondere Intensität vielleicht auch von der kurz zuvor (10.–14.4.) in Prag (u. a. im Kloster Emmaus) miterlebten und Bruckner tief beeindruckenden Kar- und Osterliturgie geprägt wurde.
Alle musikalischen Elemente werden in dieser Motette mit Symbolbedeutung eingesetzt: Intervalle (z. B. Prim bzw. kleine Sekund T. 1‑4: Demut, Menschwerdung; Duodezimabstieg im Bass, T. 13–15: äußerste Erniedrigung im Kreuzestod), Melodik (z. B. T. 47f.: weitgespannter Bogen auf „super omne nomen“), Harmonik (z. B. Modulation von d‑Moll nach Des‑Dur am Schluss des 1. Teiles: Ankündigung der Erlösung durch das Kreuz), Dynamik (Menschwerdung und Passion: p, Erhöhung: Steigerung bis zum fff, Verstummen aller anderen Namen vor dem des Einen: ppp). Zusätzlich bedient sich Bruckner eines Repertoires traditioneller Topoi (z. B. absteigende Sequenz auf „obediens“) sowie einer von ihm häufig als „theologische Bekräftigung“ verwendeten Formel (T. 23f.: „exaltavit illum“, T. 37f.: „super omne nomen“). Ein codaartiger Schluss (T. 65–79) meditiert den „nomen, quod est super omne nomen“ und versinkt im pp.