Hofburgkapelle, Wien

Innerhalb des Schweizertraktes der Hofburg in Wien gelegene älteste Kapelle der Burg mit dem Patrozinium „Mariä Himmelfahrt“. Gestiftet durch Albrecht I. (1255–1308) um 1287/88, fand die Kapelle ihre erste urkundliche Erwähnung 1296. Sie war ursprünglich Maria und den Heiligen Johannes der Täufer, Johannes Evangelist und Pankratius gewidmet. 1423–1426 wurde die Kapelle unter Albrecht V. (1397–1459) erweitert, 1447–1449 unter Friedrich III. (1415–1493) im hochgotischen Stil neu gebaut und der Heiligen Dreifaltigkeit und allen Heiligen gewidmet. Nach barocken Einbauten durch Maria Theresia von Österreich (1717–1780) wurde die Kapelle 1802 regotisiert.

Eine Orgel in der Kapelle ist erstmals im Jahr 1629, in dem sie durch Antonio Toroni neu gebaut wurde, dokumentiert. In den folgenden zwei Jahrhunderten erfolgten mehrere Orgelneubauten: 1763 (Johann Friedrich Ferstl [ca. 1720–1785]), 1803 (Johann Joseph Wiest [ca. 1749–1834]), 1823 (Christoph Erler [1783–1854]) und 1862 durch Carl Friedrich Ferdinand Buckow, der schon 1858 die von Bruckner, Franz Liszt, Ignaz Assmayr und Simon Sechter besonders geschätzte Orgel in der Wiener Piaristenkirche „Maria Treu“ errichtet hatte. An der Buckow-Orgel (sie befindet sich heute im Technischen Museum in Wien) war Bruckner 1868–1892 als Hoforganist tätig. Hauptaufgabe der Mitglieder der Hofmusikkapelle, zu denen Bruckner seit seiner Ernennung zum exspektierenden Hoforganisten am 9.9.1868 zählte, war die musikalische Gestaltung der Gottesdienste in der Hofburgkapelle, die hauptsächlich aus dem feierlichen Hochamt am Sonntag, unter Mitwirkung der Hofmusikkapelle und der Hofsängerknaben (Wiener Sängerknaben), aus Segensandachten sowie aus Liturgien zu besonderen Anlässen im Kaiserhaus (Taufen, Exequien etc.) bestanden. Für größere Feiern musste man jedoch aus Platzgründen in die nahegelegene Kirche St. Augustin ausweichen.

Bruckner war in der Hofburgkapelle bis zu seiner Bitte um Dienstenthebung, der am 24.10.1892 krankheitshalber entsprochen wurde, tätig. Diesen jeweils nach Wochen eingeteilten Dienst versah Bruckner abwechselnd mit seinen Kollegen Rudolf Bibl und Pius Richter, wovon die Eintragungen in den Taschen-Notizkalendern zeugen. In den ersten Jahren hatte Bruckner zusätzlich auch die Arbeit eines Archivars übernommen.

Nach der Aufnahme der Messe in d-Moll ins Repertoire der Hofmusikkapelle am 10.2.1867 wurde 1873–1885, unter den Hofkapellmeistern Johann Herbeck und Joseph Hellmesberger d. Ä., mindestens einmal jährlich ein Hochamt mit ausschließlich Bruckner-Werken gestaltet. Zur Aufführung gelangten hier fünf Mal die Messe in d-Moll (18.7.1875, 9.11.1879, 6.6.1880, 24.10.1880, 2.2.1881) und sieben Mal die Messe in f-Moll (8.12.1873, 30.7.1876, 17.6.1877, 30.4.1882, 24.6.1883, 9.11.1884, 8.12.1885; vgl. Steurer). Als Graduale bzw. Offertorium wurden Ave Maria (WAB 6), Christus factus est (WAB 11), Locus iste und Os justi herangezogen. Afferentur (1867) und Virga Jesse (1885) wurden jeweils nur einmal aufgeführt. Obwohl Hellmesberger Werken von zeitgenössischen Komponisten aufgeschlossen gegenüberstand (Steurer, S. 165) und auch Bruckners Virga Jesse zwei Monate nach der Uraufführung im Linzer Neuen Dom erstmals in Wien aufführte, verwendete er in der Folge kein weiteres Mal ein Bruckner-Werk für die musikalische Gottesdienstgestaltung. Das jähe Ende der Bruckner-Aufführungen in der Hofburgkapelle soll mit den hartnäckigen Bitten um finanzielle Unterstützung in Verbindung gestanden haben. Noch 1888 beschwerte sich Bruckner über Hellmesbergers Verhalten in einem Brief an Hermann Levi: „Hellmesberger wurde vor einem Jahre gefragt, ob ich einer Unterstützung bedürfe. Er verneinte es!!!, (was er mir selbst sagte.)“ (Briefe II, 880309). Auch Bruckners Ehrung durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Joseph-Ordens im Juli 1886 und die damit verbundene Zulage von 300 fl soll Hellmesberger verstimmt haben, sodass er seinem Ärger möglicherweise durch das Absetzen der Bruckner-Werke Luft machte.

Hans Richter, bereits ab 1877 Vize-Hofkapellmeister, übernahm nach Hellmesbergers Tod 1893–1900 die Stelle des Hofkapellmeisters; unter seiner Leitung wurden erst nach Bruckners Tod wieder dessen kirchenmusikalische Werke (Christus factus est am 21.3.1897, Locus iste am 21.3.1897, 16.10.1898, 15.11.1898, 15.10.1899, 21.10.1900 ) in die Liturgie der Hofburgkapelle aufgenommen (vgl. Steurer).

Literatur

ELISABETH MAIER, ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 27.7.2020

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