Gräflinger, Franz
* 26.11.1876 Linz, Oberösterreich/A, † 9.9.1962 Bad Ischl, Oberösterreich/A. Schullehrer, Beamter, Musiker, Musikschriftsteller.
Frühzeitig für Musik begeistert, war er Sängerknabe in Linzer Kirchen, erhielt Violinunterricht sowie eine weitere umfassende Ausbildung in Gesang, Instrumental- und Theoriefächern an der Schule des Linzer Musikvereins und bei Privatlehrern. Nach Abschluss der staatlichen Lehrerbildungsanstalt Linz war er Volksschullehrer in Altenfelden und Helfenberg (1896–1898), anschließend Beamter im Rechnungsdienst des Linzer Magistrates (1898–1928). Als Pensionist mit dem Titel eines Rechnungsdirektors in Linz (1928–1937), Wien (1937–1944) und Bad Ischl (1944–1962) wohnhaft; 1948 Prof. h. c. Neben Max Auer und August Göllerich war er einer der wichtigsten Bruckner-Forscher.
Als Schriftsteller zeichnete er sich durch eine erstaunliche Produktivität und thematische Vielfalt mit den Schwerpunkten Bruckner und heimische Musikgeschichte aus. Die Zahl seiner Beiträge für Tages- und Wochenzeitungen, für Zeitschriften und Musikfachzeitschriften im In- und Ausland ist nur schwer zu überblicken (vgl. Bruckner-Bibliographie I). Als Musikkritiker bei der Linzer Zeitung (ab 1901) und bei der Linzer Tages-Post (ab 1919) war er angesehen, aber auch angefeindet wegen seiner ungeschminkten Schreibweise. Im Vergleich dazu verschwindet seine lokale Bedeutung als Instrumentalist, Sänger und Komponist.
Gräflinger begegnete Bruckner in den Jahren 1884–1892/93 bei dessen gelegentlichen Aufenthalten in Linz als Mitwirkender im Musikchor des Alten Domes. In späteren Jahren lernte er Musikprofessoren, Privatlehrer, Kapellmeister sowie Schüler und Studienkollegen Bruckners, dann Freunde und Frauen kennen, die ihm ihre Erinnerungen an Bruckner zur Verfügung stellten. Dazu kamen noch das Auswerten von Dokumenten, Briefen und Akten aus Archiven sowie die Mitteilungen von Domkapellmeister Karl Waldeck. Aus diesen vielfältigen Quellen schöpfte er bei seinen lebenslangen Bemühungen um Bruckner. Typisch hierfür ist der Aufbau seines Buches von 1927: neben dem Grundtext viele (auch neu aufgenommene) Briefe, amtliche Dokumente, Bilder (einschließlich aller damals verfügbaren Bruckner-Porträts; Ikonografie) und Notenseiten.
Als Publizist setzte er sich immer und überall mit allem Nachdruck für die Vermittlung von Wissen über Leben, Werk und eine werkgerechte Interpretation Bruckners ein. Damit erhielten breite Schichten vielfältige Informationen in einer Zeit, in der die Biografie von Göllerich-Auer noch nicht auf dem Markt war. Seine Leitlinie war: „Nur wer Bruckner als Menschen verstehen gelernt, seine biedere, gottergebene Art richtig zu werten vermag, findet den Weg zum Verständnis seiner Werke.“ (Gräflinger 1921, S. 5).
Gräflinger hat als Buchautor Grundlegendes und Bleibendes geschaffen, das aber heute nicht ungeprüft übernommen werden sollte. Paradox erscheint jetzt, dass sein erstes Werk (1911) von sogenannten Bruckner-Aposteln arg mittels Pressekampagne angegriffen wurde, weil es angeblich ein verzerrtes Bruckner-Bild wiedergebe, vor allem aber deswegen, weil Bruckner Göllerich zum Biografen autorisiert habe und Gräflinger dessen – noch lange unpublizierte – Arbeit konkurrenziere (vgl. Zamazal 1991, S. 51f., Zamazal 1994, S. 125).
Nur kurz vor Auers Briefausgabe erschien Gräflingers Sammlung (beide im Jubiläumsjahr 1924). Da Bruckner für Gräflinger „seit je eine Herzensangelegenheit“ war (Manuskript in ÖNB, Musiksammlung, F30.Gräflinger.576), galt auch den Brucknerfesten, Ausstellungen und der Gründung von Ortsgruppen des Brucknerbundes für Oberösterreich seine ganze Umsicht.
Werke
- Kammermusik
- Männerchöre, gemischte Chöre
- Lieder
Schriften
- Karl Waldeck. Komponist und Domkapellmeister in Linz. Linz 1905
- Karl Waldeck. Kirchenmusikalische Streiflichter. Linz 1911
- Anton Bruckner. Bausteine zu seiner Lebensgeschichte. München 1911
- Anton Bruckner. Sein Leben und seine Werke (Deutsche Musikbücherei 20). Regensburg 1921
- Anton Bruckner. Gesammelte Briefe (Deutsche Musikbücherei 49). Regensburg 1924
- Anton Bruckner. Leben und Schaffen (Umgearbeitete Bausteine). Berlin 1927
- Liebes und Heiteres um Anton Bruckner. Wien 1948
Literatur
- Bruckner-Bibliographie IRenate Grasberger, Bruckner-Bibliographie (bis 1974) (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 4). Graz 1985
- Franz Zamazal, Prof. Franz Gräflinger. Leben und Werk für Anton Bruckner, in: Bruckner-Symposion 1991Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Rezeption. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1991. 18.–22. September 1991. Bericht. Linz 1994, S. 27–62
- Franz Zamazal, Göllerich - Auer - Gräflinger. Konturen zu ihrem Leben und Wirken. Ihre Bedeutung für Bruckner, in: Bruckner-Symposion 1994Othmar Wessely u. a. (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Freunde – Bruckner-Kenner. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1994. 21.–25. September 1994. Bericht. Linz 1997, S. 113–131
- Bruckner – skizziertRenate Grasberger/Erich Wolfgang Partsch, Bruckner – skizziert. Ein Porträt in ausgewählten Erinnerungen und Anekdoten (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 8). 2., verbesserte Aufl. Wien 1996, S. 270f.
- ABCD
- Andrea Harrandt, Art. „Gräflinger, Franz“, in: www.musiklexikon.ac.at [15.1.2020]