Drei Orchesterstücke (WAB 97/1-3)
2 Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Fg., 2 Hr., 2 Trp., 1 Pos., Pk., Str.
Nr. 1: Es‑Dur („Moderato“); Nr. 2: e‑Moll; Nr. 3: F‑Dur
EZ: | Mitte Oktober bis 16.11.1862 (Nr. 2: vollendet 10.11.; Nr. 3: vollendet 16.11.) in Linz |
UA: | 12.10.1924 in Klosterneuburg (Klosterneuburger Philharmonie; Franz Moißl) |
Aut.: | ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch) |
ED: | Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 3/2, S. 33–60 (1930; Vorlage: Wienbibliothek, Musiksammlung [MHc3794], As.) |
AGA: | Sonderdruck aus Band 11 (Alfred Orel, 1934), S. 6–15 (Vorlage: Wienbibliothek, Musiksammlung [MHc3794], As., Nr. 2 als „Allegro non troppo“) |
NGA: | Band XII/4 mit Revisionsbericht (Hans Jancik/Rüdiger Bornhöft, 1996); Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile) |
In der Zeit von November 1861 bis Juli 1863 nahm Bruckner beim Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler Unterricht in Formenlehre und Instrumentation. Die drei kurzen, mit Nummern bezeichneten Orchesterstücke – nur das erste trägt eine Tempo-Bezeichnung, das zweite trägt keine Nummer – sind während dieser Lehrzeit entstanden und müssen v. a. als Übungen in Orchesterinstrumentation angesehen werden (Kitzler-Studienbuch, S. 266–286). Melodiöse Soli verschiedener Blasinstrumente (Bläser in der Orchestermusik Bruckners) mit abwechselnden Begleitfiguren, aber ebenso Orchester-f bzw. dramatische Ausbrüche sind die Aufgabenstellungen. Als Vorbilder in stilistischer und gattungsmäßiger Hinsicht mögen Entr‘acte-Stücke gedient haben, die Kitzler selbst für das Theater komponiert hatte.
Alle Stücke weisen in komprimierter Form eine Dreiteiligkeit auf. Die beiden ersten Stücke, 36 bzw. 48 Takte lang, verraten mit ihrer gemeinsamen lyrisch-gesanglichen Haltung und mehr oder weniger durchgehenden Triolisierung in der Begleitung das Vorbild Felix Mendelssohn Bartholdy (Lieder ohne Worte). Ist im 1. Stück das Solo-Horn Träger der Kantilene, hat sich Bruckner im 2. Stück für ein Oboen-Solo entschieden. Auffällig ist in beiden Orchestersätzen ein plakativ gestalteter „Ausbruch“ (T. 5f. und 12 bzw. T. 24). Die Anfänge mit Tremolo bzw. gleichförmiger Dreiklangsbewegung erinnern an spätere Techniken der symphonischen Eröffnung (Symphonien).
Das 3. Stück, 45 Takte lang, das mit einem trioartigen Teil (Trio) in der Mitte (in der Subdominante) und in Da capo-Anlage komponiert ist („vom Anfang bis Fine“), besitzt einen persönlicheren Charakter. Im für Bruckner seltenen 3/4‑Takt konzipiert, beginnt es als einziges mit einem Orchester-f. Die ständig wiederkehrende Wendung einer über die Oktave rasch aufsteigenden Dreiklangsfigur trägt dazu bei, dem Satz motivische Dichte zu verleihen. Im Mittelteil treten Oboe und Fagott als Soloinstrumente hervor.
Bruckner schenkte die Partituren dieser Übungsstücke (wie auch jene des Marsches für Orchester in d‑Moll), allerdings in einer Abschrift fremder Hand, seinem Schüler Cyrill Hynais.
Die Stücke kamen erst im Jubiläumsjahr 1924 an die Konzertöffentlichkeit. Ihre erste Einspielung erfolgte 1943 durch das Städtische Orchester Berlin unter Ludwig K. Mayer.
Literatur
- Othmar Wessely, Bruckners Mendelssohn-Kenntnis, in: Bruckner-Studien 1975Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Studien. Festgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 150. Geburtstag von Anton Bruckner (Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung/Philosophisch-Historische Klasse 16). Wien 1975, S. 81–112
- The Manuscript SourcesPaul Hawkshaw, The Manuscript Sources for Anton Bruckner‘s Linz Works. A Study of his Working Methods from 1856 to 1868. Diss. New York City 1984
- Bo Marschner, Zu den frühen Orchesterwerken Anton Bruckners, in: Bruckner-Fest Würzburg 7.–10. Oktober 1993. Katalog zur Ausstellung, Konzertprogramm. Würzburg 1993, S. 14f.
- Wolfram Steinbeck, Von den „Schularbeiten“ bis zur Zweiten Sinfonie, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 110–150