Klosterneuburg
Stadt in Niederösterreich, an der Donau nordwestlich von Wien gelegen. Klosterneuburg erhielt 1298 das Stadtrecht und war seit dem 12. Jahrhundert eine Pflegestätte der Kunst. Das 1114 von Markgraf Leopold III. (1073–1136) gegründete Augustiner-Chorherrenstift wurde 1730–1740 barockisiert. 1880: 6.400, 2019: ca. 27.300 EW.
Nach seiner Übersiedlung nach Wien suchte Bruckner in dessen näheren Umgebung nach einem Ort, der ihm das Stift St. Florian ersetzen konnte. Durch Joseph Hellmesberger d. Ä. und Johann Herbeck wurde er in das Stift Klosterneuburg eingeführt, wo er von 1869 bis Weihnachten 1894 regelmäßiger Gast zu Fronleichnam, am Namenstag Kaiser Franz Josephs I. (4.10.), am Fest des hl. Leopold (15.11.) und zu Weihnachten war und dann meist beim Hochamt die Orgel (Freundt, Familie) spielte. In der Stadt hielt er sich wiederholt im Hause der Familie Schatz auf, die ein Fuhrwerksunternehmen besaß.
Die musikalischen Verhältnisse im Stift waren speziell für die Musik Bruckners ungünstig, und so konnte er hier nur als Organist wirken. Seine Anwesenheit blieb auf das kirchliche Musikleben des Stiftes ohne Einfluss, und er improvisierte auch nur für einen kleinen Kreis meist jüngerer Geistlicher.
Am 4.10.1876 machte Bruckner beim Stiftskämmerer die Bekanntschaft seines späteren Hausherrn in der Heßgasse (Wohnungen), Anton Oelzelt von Newin, der gemeinsam mit dem Medizinstudenten Ernst Böck – beide Hörer von Bruckners Vorlesung an der Universität Wien (Schülerinnen und Schüler) – gern das Stift Klosterneuburg besuchte. Für die geplante Hochzeit Oelzelts schrieb Bruckner 1878 den Chor Zur Vermählungsfeier, dessen Partitur-Abschrift sich im Nachlass von Chormeister Brandstetter (Männergesangverein Klosterneuburg) befand.
Zu Fronleichnam 1885 traf Bruckner in Klosterneuburg mit Hugo Wolf, Friedrich Eckstein, Gustav Schönaich u. a. zusammen. Am 15.11.1885 erlebte Josef Kluger Bruckner erstmals als Organist. Er zählte in dessen letzten Lebensjahren zum engeren Freundeskreis und erinnerte sich auch an Bruckners letzten Aufenthalt im Stift zu Weihnachten 1894: „Am Stephanitage spielte er im Hochamte die Orgel, um dieselbe nie wieder zu berühren. Und merkwürdig! Durch einen Fehltritt am Pedal, den der Meister gar nicht merkte und deshalb starr festhielt, schloß er das Nachspiel mit einer herben Dissonanz, die bis heute noch der Auflösung durch seine Hand harrt.“ (Kluger 1910, S. 128).
Wahrscheinlich im Jahre 1886 entstand eine Harmonisierung der Choralmelodie des Ave Regina für das Fest Mariä Verkündigung (25.3.) auf Ersuchen des Novizenmeisters Ferdinand Schölzig (1836–1900).
Mit der Einrichtung einer Abteilung für Kirchenmusik der Wiener Musikakademie in Klosterneuburg (1910/11, Vinzenz Goller) begann hier eine rege Bruckner-Pflege. So erklangen in Klosterneuburg zum ersten Mal am 8.9.1921 die Ouvertüre in g-Moll, am 18.3.1923 drei Sätze aus der Symphonie in f-Moll und am 12.10.1924 auch das Scherzo dieser Symphonie, gleichzeitig die Drei Orchesterstücke und die Symphonie in d-Moll. Diese Aufführungen fanden mit der Klosterneuburger Philharmonie unter Franz Moißl statt. Zum Fest des hl. Leopold erklang regelmäßig eine Bruckner-Messe. 1929 trat das Chorherrenstift als „Gründendes Mitglied“ dem Brucknerbund für Wien und Niederösterreich (und damit der Internationalen Bruckner Gesellschaft) bei.
Heute erinnern eine vom Chorherren Wolfgang Pauker (1867–1950) gestiftete Gedenktafel (1926) am Orgelchorpfeiler der Stiftskirche, eine Gedenktafel (1925) am Haus der Familie Schatz am Rathausplatz 11 sowie die Anton-Bruckner-Gasse (1926) an Bruckners Aufenthalte in Klosterneuburg.
Literatur
- Josef Kluger, Schlichte Erinnerungen an Anton Bruckner, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg 3 (1910), S. 107–137
- Paul Stefan, Bruckners Jugendsymphonie in Klosterneuburg, in: Musikblätter des Anbruch 5 (1923) H. 4, S. 123
- Josef Kluger, Anton Bruckner und das Stift Klosterneuburg, in: In memoriam Anton BrucknerKarl Kobald (Hg.), In memoriam Anton Bruckner. Festschrift zum 100. Geburtstage Anton Bruckners. Wien 1924, S. 114–132
- Franz Gräflinger, Bruckner-Hundertjahrfeier in Klosterneuburg, in: Zeitschrift für Musik 91 (1924) H. 11, S. 644f.
- Klosterneuburger Bruckner-Fest (11. und 12. Oktober 1924). Programm, in: Musica Divina 12 (1924) H. 10, S. 111
- Josef Kluger, Bruckner in Klosterneuburg, in: Vinzenz Oskar Ludwig (Hg.), Klosterneuburg. Stadt und Stift. Klosterneuburg 1928, S. 38
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/1–4
- Vinzenz Oscar Ludwig, Anton Bruckners Klosterneuburgerfahrt. Zu des Meisters 50. Todestag. Wien [1946]
- Ernst Paul, Anton Bruckner und Klosterneuburg, in: Amtsblatt der Stadtgemeinde Klosterneuburg. Kulturbeilage (Juni 1974) H. 58, S. 1
- Wolfgang Bäck/Christine Zippel, Anton Bruckner und Klosterneuburg (Klosterneuburg – Geschichte und Kultur. Sonderband 1). Klosterneuburg 2006
- Alexander Rausch/Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Klosterneuburg“, in: www.musiklexikon.ac.at [17.8.2020]
- www.demos.ac.at [17.8.2020]