Marsch für Orchester in d‑Moll (WAB 96)
2 Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Fg., 2 Hr., 2 Trp., 3 Pos., Pk., Str.
„Marsch“; „Trio“; „Marsch da capo ...“
EZ: | vollendet 12.10.1862 in Linz |
UA: | 12.10.1924 in Klosterneuburg (Klosterneuburger Philharmonie; Franz Moißl) |
Aut.: | ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch, Skizzen und Partitur) |
ED: | Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 3/2, S. 29–32 (1930; Klavierauszug von Max Auer); s. AGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. (Wechselnde Herausgeber). Wien u. a. 1930–1944. [= Alte Gesamtausgabe] |
AGA: | Sonderdruck aus Band 11 (Alfred Orel, 1934), S. 1–5 (Vorlage: Wienbibliothek, Musiksammlung [MHc3794, As.]) |
NGA: | Band XII/4 mit Revisionsbericht (Hans Jancik/Rüdiger Bornhöft, 1996); Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile) |
Der Marsch für Orchester in d‑Moll (Kitzler-Studienbuch, S. 251f.), der erste selbständige Orchestersatz Bruckners, ist während seines über eineinhalbjährigen Lehrgangs bei Otto Kitzler als Instrumentationsübung entstanden (Drei Orchesterstücke). Formal weist er die übliche Da capo-Form (mit Trio und abschließender Coda mit Trompeten-Fanfaren) auf.
Mehr als die kurz danach folgenden Drei Orchesterstücke deutet der Marsch für Orchester in d‑Moll in manchem auf den späteren Bruckner hin. August Göllerich und Auer bezogen sogar eine Passage im Finale der Achten Symphonie (T. 501–519) auf diesen „Jugendmarsch“ (vgl. etwa T. 10–17; Göll.-A. 3/1, S. 146). Der durchgehende punktierte Rhythmus – in Kombination mit Triolenfiguren – gibt dem konzisen Werk den erwünschten Grundcharakter. Am unteren Ende seiner Skizze vermerkte Bruckner ausdrücklich „wie bei Tänzen“ (Kitzler-Studienbuch, S. 251) die regelmäßige Periodik und deren Verlängerung. Sonst war er besonders um eine Abwechslung in der Instrumentation bemüht: „Schon am Anfang […] wechselt die melodische Linie von den Bässen zu den ersten Violinen (die das Motiv sogleich variieren), während die zweiten (unteres System, aufwärts kaudierte Noten) verzögert einsetzen und erst im zweiten Takt in Oktaven mitspielen.“ (Steinbeck, S. 113).
Das Trio trägt einen mehr „biedermeierlichen“ Charakter mit kantabler Melodik in den ersten Violinen und den Klarinetten. Interessant erscheint hier das klangliche Experiment, einmal kurz Fagott und Bratschen in hoher Lage miteinander zu kombinieren (T. 9f.).
Die von einem Linzer (Theater-)Kopisten hergestellte Abschrift dieses Marsches für volles Orchester (im Gegensatz zum Marsch für Militärmusik in Es‑Dur) bekam Cyrill Hynais, ein Schüler Bruckners, zusammen mit weiteren abschriftlich vorliegenden Instrumentationsübungen zum Geschenk, wahrscheinlich als Bruckner anlässlich seiner Übersiedlung in die Wohnung im Belvedere 1895 seine Kompositionen sichtete.
Das Werk kam erst im Jubiläumsjahr 1924 als Neuheit an die Konzertöffentlichkeit. Die erste Einspielung erfolgte 1942 mit dem Städtischen Orchester Berlin unter Ludwig Karl Mayer.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 3/1, S. 146
- The Manuscript SourcesPaul Hawkshaw, The Manuscript Sources for Anton Bruckner‘s Linz Works. A Study of his Working Methods from 1856 to 1868. Diss. New York City 1984
- Bo Marschner, Zu den frühen Orchesterwerken Anton Bruckners, in: Bruckner-Fest Würzburg 7.–10. Oktober 1993. Katalog zur Ausstellung, Konzertprogramm. Würzburg 1993, S. 14
- Wolfram Steinbeck, Von den „Schularbeiten“ bis zur Zweiten Sinfonie, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 110–150