Orel, Alfred (Franz)

* 3.7.1889 Wien/A, † 11.4.1967 Wien. Musikforscher.

Nach seiner Promotion zum Dr. jur. (1912) und einer Tätigkeit im österreichischen Finanzministerium studierte er 1917–1919 bei Guido Adler Musikwissenschaft und habilitierte sich 1922. 1929–1945 lehrte er als a. o. Professor an der Universität Wien, leitete 1918–1940 die Musiksammlung der Wiener Stadt‑ und Landesbibliothek und 1940–1945 das Institut für Wiener Musikforschung. Aufgrund seiner nationalsozialistischen Parteinahme wurde er 1945 aus allen öffentlichen Ämtern entlassen. Als Wissenschaftler und Musikschriftsteller beschäftigte sich Orel in vielfältiger Weise besonders mit der Musikgeschichte Österreichs.

Schon früh setzte sich Orel quellenkundlich mit dem Werk Bruckners auseinander (Unbekannte Frühwerke Anton Bruckners [1921], im selben Jahr Ausgabe der Ouvertüre in g-Moll). Seine Monografie über Anton Bruckner. Das Werk – der Künstler – die Zeit (1925) ist eine sehr beachtenswerte Leistung. Methodisch interessant ist die im Untertitel angekündigte Abfolge der Kapitel. Die Stilkritik aus der Adler-Schule ist für Orel der Ansatz, um die „Außenseite“ von Bruckners Werk zu analysieren, aber die interpretatorische „Synthese“ bezieht dann Persönlichkeit, zeitlichen Kontext und selbst die Rezeption mit ein. Ein bekannter Antrieb für Orel war es, die rund um den 25. Todestag Bruckners so auffällige Intensivierung der Bruckner-Forschung zu verstehen. Er sieht den Grund im herausfordernden Aufeinanderstoßen des aktuellen Zeitempfindens eines Zusammenbruchs geistiger Ideale mit Bruckners naivem Glauben und seinem im tieferen Sinne „Freisein von jeglicher Unsicherheit“ (Orel 1925, S. 206). Zur stilgeschichtlichen Einordnung des Gesamtschaffens schuf Orel zusammen mit Robert Haas und Ernst Kurth eine Grundlage, auf die bis heute immer wieder zurückgegriffen wird. Zusammen mit Haas stand Orel auch am Beginn der Bruckner-Gesamtausgabe. Eingehend thematisierte er die Problematik der Bruckner-Bearbeitungen und positionierte sich klar für den Vorrang der Originalfassungen. Nach heftigen Angriffen durch Georg Göhler (1874–1954) gegen Versäumnisse der Wissenschaft hat Orel bereits im ersten Band der Zeitschrift für Musikwissenschaft (1918/19, S. 422f.) das Ziel einer kritischen Ausgabe angesprochen. 1927 erfolgte der Beschluss zu einem von Haas und Orel zu leitenden Gesamtausgabe-Unternehmen. Orels Name ist vor allem mit der Herausgabe der Neunten Symphonie verknüpft. 1932 stellte Siegmund von Hausegger in einem Konzert in München die neue kritische (noch ungedruckte) Fassung Orels der geläufigen Ferdinand Löwes in überzeugender Weise gegenüber. Die Ausgabe selbst (Wien 1934 als Bd. 9) stand unter einem unglücklichen Stern, da Orel Berliner Skizzenmaterial entgangen war. Diese erste kritische Ausgabe einer Bruckner-Symphonie hatte aber nicht nur eine allgemeine Initialwirkung, bemerkenswert ist auch Orels Versuch, möglichst vollständig die Entwürfe und Skizzen vorzulegen. Dies konnte damals nicht befriedigend gelingen, ist aber auch heute noch ein Desideratum. Orel schied in der Folge als Mitherausgeber der Gesamtausgabe aus.

Schriften
  • Bruckner-Ausgaben (Eine Erwiderung), in: Zeitschrift für Musikwissenschaft 1 (1918/19), S. 422ff.
  • Unbekannte Frühwerke Anton Bruckners mit einer ungedruckten Ouverture des Meisters. Wien 1921
  • Anton Bruckner. Das Werk – der Künstler – die Zeit. Wien 1925
Literatur

GERNOT GRUBER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 21.1.2019

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Normdaten (GND)

Orel, Alfred (Franz): 117144177

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