Bad Ischl

Luftkurort am Zusammenfluss der Traun und der Ischl im oberösterreichischen Salzkammergut, Bezirk Gmunden; seit 1823 Kurort, 1849–1914 Sommerresidenz von Kaiser Franz Joseph I. und damit ein Mittelpunkt der Gesellschaft zur Zeit der Monarchie, seit 1906 „Bad“ Ischl, ab 1940 Stadt. 1869: 6.800, 2019: ca. 14.100 EW.

Bruckner kam erstmals im Sommer 1863 nach Ischl. Er folgte der Einladung von Johann Nepomuk Attwenger, mit dem ihn seit der gemeinsamen Zeit an der Linzer Präparandie eine enge Freundschaft verband. Schon früher hatte Bruckner den ehemaligen Lehrgehilfen Attwenger, der zunächst in Altmünster am Traunsee lebte, von Linz aus manchmal besucht. Später hielt sich Bruckner gewöhnlich in der zweiten Augusthälfte mehrere Tage in Ischl auf (Urlaube). Seine in den ersten Jahren meist privaten Besuche sind schwer nachweisbar. Da er bei Attwenger wohnte, der durch Heirat Besitzer eines Gasthauses mit Weinstube (Lehárkai 12) geworden war, gibt es in den Ischler Kurlisten keine Eintragungen. Im Kreis der Familie Attwenger fühlte sich Bruckner sehr wohl. Er wurde stets festlich empfangen und während des Aufenthalts von den Gastgebern mit seinen Lieblingsspeisen und Linzer Torte verwöhnt. Die zahlreichen Briefe, die Bruckner an Attwenger geschrieben haben soll, wurden angeblich bei einem Hochwasser (1897 oder 1920) vernichtet.

Als gern gesehener Gast war Bruckner bald eine bekannte Persönlichkeit im Ort. Auf Wunsch seiner Ischler Freunde spielte er oftmals an der Orgel der Pfarrkirche. Bruckner verbrachte mit der Geistlichkeit und Freunden viele vergnügliche Stunden im Weinhaus Attwenger, ebenso traf er im Extrazimmer des Kasinos (Konsumverein) mit Ischler Persönlichkeiten zusammen: Schuldirektor Franz Autengruber (1841–1903), Chorregent Rupert Wastler (1834–1902), Benefiziat Franz Fuchs (1845–1930), kaiserlicher Rat Dr. Hermann Stieger (1843–1928), seinem Schüler Josef Vockner, Kurmusikdirektor Alois Holzinger und Mitgliedern des Kirchenchores. Besonders gern hörte Bruckner die Stimme der Kirchensängerin Maria Loidl (1850–1942, verehel. Markhoff), an die er sich auch später gerne erinnerte. Immer wieder drängte er die Sängerin, „die über einen prachtvollen Sopran verfügte“ (Binna 1932, S. 5), das Ave Maria von Luigi Cherubini zu singen, wozu er selbst die Begleitung spielte. Mit Autengruber begab sich Bruckner auch gerne in den Trubel der Sommergäste auf die Esplanade, mit Vockner unternahm er Ausflüge in die Umgebung.

Nach seiner Ernennung zum Hoforganisten (Anstellungen) kam Bruckner zum Geburtstag des Kaisers (18.8.) sowie zu anderen festlichen Anlässen des Kaiserhauses nach Ischl. Sein Plan, 1864 die Messe in d-Moll zum Kaiseramt (18.8.) in Ischl aufzuführen, ließ sich u. a. wegen der noch unvollendeten Komposition nicht verwirklichen. Dafür spielte er zum Namensfest des Kaisers (4.10.) an der Orgel, wobei er in einem Brief an seinen Freund Rudolf Weinwurm bemängelte: „hatte aber wenig Spielraum, und die Orgel ist leidend“ (Briefe I, 641010/2). 1888 erhielt die Ischler Pfarrkirche eine neue Orgel von Matthäus Mauracher, deren Besonderheit die erstmals in Österreich angewandte röhrenpneumatische Traktur war.

Bruckner spielte auch auf besonderen Wunsch der Braut bei der Hochzeit von Erzherzogin Marie Valerie und Erzherzog Franz Salvator (1866–1939) am 31.7.1890 in der Ischler Pfarrkirche. Da damals selbst musikalische Vorträge der Zensur unterlagen, musste Bruckner zuvor eine Improvisationsskizze (Improvisationsskizze Ischl 1890) beim Obersthofmeisteramt vorlegen. Sein Vorschlag, über Hauptthema und Seitenthema aus dem Finale der Ersten Symphonie zu improvisieren, wurde als „nicht passend“ (Göll.-A. 4/3, S. 59) abgelehnt. Zu Bruckners Absicht eine Improvisation über die Volkshymne zu spielen, hieß es, der Kaiser würde sich „langweilen“ (Göll.-A. 4/3, S. 59). (Aus Bruckners Improvisationsskizze Ischl 1890 fertigte Erwin Horn ein Orgelstück mit dem Titel Kaiserliche Festmusik; Hommagen und Widmungen an Bruckner.) Zum Ein- und Auszug des Brautpaares erklangen schließlich Variationen über die Volkshymne, verbunden mit dem Thema des Halleluja aus dem Messias von Georg Friedrich Händel (1685–1759). Das Ischler Wochenblatt berichtete am 3.8.1890 über das Großereignis: „Feierlich ertönten die Glocken, auf der Orgel erbrauste die Kaiserfuge, von Professor Bruckner gespielt, als der Brautzug sich aufstellte […]. Die Hochrufe des draußen versammelten Publikums drangen bis ins Innere der Kirche und übertönten die Klänge der Orgel, auf der Bruckner das Thema der Volkshymne variierte und zuletzt in das Halleluja Händel‘s überging.“ (Ischler Wochenblatt 3.8.1890, S. 4). Nach der Trauung wurde Bruckner den Hochzeitsgästen vorgestellt, die er „in größter Verlegenheit“ Hände reichend begrüßte, auch küsste er „spontan und unerwartet“ (Binna 1932, S. 5) dem Herzog von Hannover die Hand. Im engsten Kreis durfte er am Diner für 60 Ehrengäste im Hotel Post teilnehmen. Der Kaiser war von Bruckners Orgelspiel so ergriffen, dass er wiederholt bei Tisch davon sprach. Seine beeindruckende Improvisation trug ihm auch die Verehrung des jüngsten Kaiserbruders, Erzherzog Ludwig Viktor (1842–1919), ein. Die Menükarte des erlesenen Festmahls hat Bruckner aufbewahrt, sie befindet sich im Nachlass des Komponisten. Für sein Orgelspiel erhielt Bruckner 100 Golddukaten, die erwartete Ordensauszeichnung blieb zu seiner Enttäuschung aus.

Bruckner war zu diesem Anlass bereits am 28.7. nach Ischl gereist und wohnte im Pfarrhof. Er blieb mehrere Tage, gab am 2.8. um halb 11 Uhr in der Pfarrkirche ein Orgelkonzert und spielte in diesen Tagen auch ein Extrakonzert für Josef Schalk, Ferdinand Löwe und Arthur Nikisch.

Von Ischl aus fuhr Bruckner auch gern nach (Bad) Goisern und besuchte dort Franz Xaver Perfahl. Er machte Ausflüge zum Hallstättersee, Gosausee und zur Gosaumühle. Mit Vockner wanderte er u. a. auf die nahe Zwieselalm, wo er auch einmal beim „Gosauschmied“ am Heuboden übernachtete. Tiefen Eindruck hinterließ bei ihm der Anblick des Dachsteins und des Gosaukamms. Vor und nach seinem Aufenthalt im Salzkammergut besuchte er manchmal seine Schwester Rosalia Hueber (Bruckner, Familie) in Vöcklabruck.

Heute erinnern eine Brucknerstraße (seit 1938; zuvor Emmerich-Kálmán-Straße) im Rothauerfeld, eine Gedenktafel von Franz Seraph Forster an der Stadtpfarrkirche (1960, IKO 395; Ikonografie), eine Tafel am Weinhaus Attwenger (1948, nach dem Gips-Modell IKO 392) sowie ein Bruckner-Relief und die Bilder von Johann Nepmuk Attwenger und seiner Frau in der im Gasthaus eingerichteten „Brucknerstube“ an Bruckners Aufenthalte in Ischl.

Literatur

SANDRA FÖGER, ANDREA HARRANDT

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 1.7.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Orgel in der Stadtpfarrkirche (© Christian K. Fastl)

Abbildung 2: Gedenktafel an der Kirche in Bad Ischl (© Christian K. Fastl)

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft