Heyse, Paul (Johann Ludwig)

* 15.3.1830 Berlin/D, † 2.4.1914 München, Bayern/D. Schriftsteller.

Er studierte ab 1847 zunächst klassische Philologie in Berlin, ab 1849 dann romanische Sprachen in Bonn und promovierte 1852, wieder in Berlin, mit einer Dissertation über den Refrain in der Poesie der Troubadours. 1852/53 unternahm er eine Studienreise nach Italien. 1854 vermittelte ihm Emanuel Geibel (1815–1884) eine Einladung von König Maximilian II. von Bayern (1811–1864) zum dauernden Aufenthalt in München mit Jahresgehalt und Verpflichtung zur Teilnahme an den Symposien des Königs. In München begründete er den literarischen Verein Krokodil als „Vereinigung wirklich begabter, ernsthafter Talente“ (zit. n. Martini, S. 100) und wurde neben Geibel zum Haupt des Dichterkreises und ein Mittelpunkt der geistigen Gesellschaft der Stadt. Als Geibel im Konflikt mit Ludwig II. München verließ, verzichtete Heyse, seine Unabhängigkeit betonend, auf sein Jahresgehalt. In seinem umfangreichen Schaffen, aus dem die Novellen qualitativ herausragen, vertrat er einen poetischen Realismus. 1911 wurde ihm als erstem deutschem Schriftsteller der Nobelpreis verliehen.

Heyse war ein Freund der Musik und besaß als solcher ein bemerkenswert selbständiges Urteil. Richard Wagner lehnte er strikt ab und nannte ihn „bei aller Anerkennung seiner ungewöhnlichen Gaben […] eine unheilvolle Erscheinung“ (zit. n. Bernhardt, S. 115). Mit Johannes Brahms, der ihn als Dichter zeitlebens hoch schätzte und mehrere seiner Gedichte vertonte, stand er seit 1873 in freundschaftlichem Kontakt. Bruckner lernte er am 10.3.1885 in den Clubräumen der Künstlergesellschaft Allotria bei einer abendlichen Feier nach der Münchner Erstaufführung der Siebenten Symphonie unter Hermann Levi kennen. Zu der Aufführung der Siebenten notierte er in sein Tagebuch: „Odeons-Concert. Symphonie von Bruckner, die großen Eindruck macht.“ (zit. n. Münster, S. 164). Als Bruckner bereits abgereist war, spielte Levi bei einer Einladung zu Heyses 55. Geburtstag am 15.3.1885 in dessen Villa (Luisenstraße 49) am Klavier Auszüge der Siebenten Symphonie. Heyse und seine Frau Anna waren anwesend, als Levi am 30.3.1885 Bruckners Streichquintett in F-Dur bei Konrad Fiedler einen Tag vor der öffentlichen Aufführung mit den Musikern gründlich einübte; auch dem Konzert im Saal des Museums tags darauf wohnte Heyse bei. Am 6.4.1886 besuchten Levi und Bruckner Heyse in seiner Villa. Am folgenden Tag hörte Heyse im Odeon das Konzert mit Bruckners Te Deum und fand sich am 8.4.1886 wiederum bei Fiedler ein, wo das Streichquintett in F-Dur, diesmal im Beisein Bruckners, erneut erklang. Die am 10.12.1890 von Franz Fischer in Vertretung des erkrankten Levi dirigierte Münchner Erstaufführung der Vierten beeindruckte Heyse so sehr, dass er dem Komponisten drei Tage später einen begeisterten Brief schrieb. Bruckner dankte hocherfreut am 22. Dezember und gab inhaltliche Erklärungen zu den ersten drei Sätzen. Nachdem Levi am 3.2.1893 in München die Dritte Symphonie dirigiert hatte, äußerte sich Heyse in seinem Tagebuch allerdings distanziert: „eine sehr lärmende Bruckner’sche Symphonie“ (zit. n. Münster, S. 167). Max Kalbeck, der Heyse 1871 durch Karl von Holtei (1798–1880) kennengelernt hatte, stand mit dem Dichter seit 1878 in Duzbrüderschaft. In der kompromisslosen Ablehnung Wagners waren sich beide einig, nicht aber im Urteil über Bruckner. Als Heyse bald nach der Münchner Erstaufführung der Siebenten Symphonie in einem Brief an Kalbeck Bruckner in einem Atemzug mit Ludwig van Beethoven nannte, antwortete jener höchst entrüstet: „Um Beethovens Willen, Freund, was fällt Dir ein, diesen an der trottelosis musicalis laborirenden Bärenhäuter mit dem dreimal heiligen B in einem Athem zu nennen? Die Beehrung Deinerseits läßt mich vermuten, daß Dir irgend Jemand ohne Dein Wissen rosafarbene Baumwolle in die Ohren practicirt hat. Doch ich darf am wenigsten mit Dir rechten, da es mir selbst gegen meinen Willen widerfahren ist, jenen von den Wagnerianern aufgeblasenen Gummiballon einen Augenblick für ein neu aufgehendes Himmelsgestirn anzusehen. Ein Adagio, von Hellmesberger gespielt, das unter den anderen den hellen Wahnwitz verherrlichenden Sätzen eines Streichquintetts wie eine Offenbarung klang, hatte es mir angethan. Der Verleger B[ruckner]s wußte nichts besseres zu machen, als den überschwenglichen Passus meiner sonst leidlich vernünftigen, ablehnenden Kritik herauszuschneiden und der Partitur als Empfehlung mitzugeben. Ich bin vom Stuhle gefallen, da ichs mit eigenen Augen wieder las; Brahms, der im Uebrigen ganz meiner Meinung ist, amüsirte sich königlich darüber [...]“ (zit. n. Münster, S. 170). Die zugrundeliegende Kritik Kalbecks ist in der Presse von 28.1.1885 (S. 1ff.) nachzulesen.

Schriften
  • Francesca von Rimini. Tragödie in 5 Acten. Berlin 1850
  • Studia romanensia, particula I. Dissertatio inauguralis […]. Diss. Berlin 1852
  • La rabbiata. Novelle. Berlin 1858
  • Die Sabinerinnen. Tragödie in fünf Akten. Berlin 1859
  • Alkibiades. Tragodie in 3 Akten. Berlin 1883
  • Gott schütze mich vor meinen Freunden. Lustspiel in 3 Akten. Berlin 1888
  • Ein Canadier. Drama in 3 Akten. Stuttgart u. a. 1905
  • Helldunkles Leben. Novellen. Stuttgart 1909
Literatur

ROBERT MÜNSTER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 21.1.2019

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Abbildungen

Abbildung 1: Allgemeine Kunst-Chronik 18 (1894) Nr. 24, S. 721

Normdaten (GND)

Heyse, Paul (Johann Ludwig): 118550772

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