Levi, Hermann

* 7.11.1839 Gießen, Hessen/D, † 13.5.1900 München, Bayern/D. Dirigent.

Sohn des Oberrabbiners Benedikt Levi (1806–1899). Musikunterricht bei Vinzenz Lachner (1811–1893) in Mannheim, Klavier‑ und Kompositionsstudium am Leipziger Konservatorium und in Paris. Tätigkeit als Kapellmeister 1859–1861 in Saarbrücken, 1862–1864 an der Deutschen Oper in Rotterdam, 1864–1872 am Badischen Hoftheater in Karlsruhe. 1872 Berufung als Hofkapellmeister nach München (seit 1894 Generalmusikdirektor); 1895 Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen. Zu seinen Aufgaben zählte neben der Leitung der Aufführungen in der königlichen Hofoper auch jene der Konzerte der Musikalischen Akademie im Odeonssaal. 1882 dirigierte Levi trotz Intrigen von Richard und Cosima Wagner die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth, da König Ludwig II. an ihm festhielt. Levi war mit Johannes Brahms, Clara Schumann sowie den Malern Anselm Feuerbach (1829–1880) und Julius Allgeyer (1829–1900) befreundet. Die enge Freundschaft mit Brahms zerbrach jedoch an Levis großer Verehrung von R. Wagner. Charakteristisch für ihn waren seine präzise Schlagtechnik, seine Souveränität am Pult und seine flotten Tempi. Mit seinen Übersetzungen der Libretti von Lorenzo da Ponte (1749–1838) ins Deutsche leitete er an der Münchner Hofoper eine Wolfgang Amadeus Mozart-Renaissance ein. Von Wagners Witwe „Major“ (Domus) genannt, organisierte er für sie die Besetzung der Bayreuther Festspiele. Levi heiratete nach dem Tod seines Freundes Konrad Fiedler dessen Witwe Mary und lebte mit ihr zurückgezogen in Partenkirchen in der Villa Riedberg.

Bruckner begegnete Levi erstmals im Sommer 1882 in Bayreuth. Laut Friedrich Klose sprach Bruckner den Dirigenten in einem anscheinend unpassenden Moment an und bat ihn sich seiner Symphonien anzunehmen, über die sich „Richard Wagner sehr anerkennend geäußert habe. Jetzt sei die Sechste fertig“ (Klose, S. 64). In den folgenden Jahren sprach Bruckner vermutlich wieder mit Levi in Bayreuth über das Projekt einer Aufführung. Als die Siebente vollendet war, ließ Bruckner die noch ungedruckte Partitur über Vermittlung des Allgemeinen Richard-Wagner Vereins durch Karl von Ostini (1830–1895), Vater des Münchner Journalisten Fritz von Ostini, an Levi überbringen, der am 30.11.1884 schrieb: „Das Werk hat mich anfänglich befremdet, dann gefesselt, und schliesslich habe ich einen gewaltigen Respect vor dem Mann bekommen, der etwas so Eigenartiges und Bedeutendes schaffen konnte.“ (Briefe I, 841130). Trotzdem wollte Levi mit Rücksicht auf das Publikum vorerst nur das Adagio aufführen. In seinem Antwortschreiben vom 8.12.1884, in dem Bruckner Levi erstmals seinen „Vormund“ nennt, bat er ihn, falls er nur das Adagio spielen würde, „das hohe Publikum wissen zu lassen, daß der Grund der Nichtaufführung mehrerer Sätze nicht in der Schwäche derselben liege“ (Briefe I, 841208/2). Nach der Uraufführung der Siebenten in Leipzig disponierte Levi um und setzte nun ebenfalls alle vier Sätze der Siebenten in seinem 2. Akademiekonzert aufs Programm: „Das Orchester hat natürlich gestutzt und gar Nichts verstanden.“, auch der Dirigent wusste bis dahin mit dem letzten Satz „noch gar nichts anzufangen“ (Briefe I, 850304). Bruckner kam am 8.4.1885 in Begleitung von Friedrich Eckstein nach München und fand sich noch am frühen Vormittag in Levis Wohnung ein, wo bedeutende Bilder u. a. des Malers Feuerbach auf ihn großen Eindruck machten. Man ging dann den Finalsatz am Klavier durch und Bruckner „machte den Satz so klar, daß schließlich Levi erklärte, nun verstehe er alles“ (Göll.-A. 4/2, S. 276). Bei der Probe im Odeon wurde Bruckner über seine Vorstellung zu Phrasierung und Tempi befragt. Laut Göll.-A. hatte Levi in einer vorangegangenen Probe einem „witzigen“ Cellisten geantwortet: „Machen Sie mir keine Witze. Diese Symphonie wird noch gespielt werden, wenn wir alle nicht mehr am Leben sind.“ (Göll.-A. 4/2, S. 275). Levi führte Bruckner in den Münchner Wagner-Verein und die Künstlergesellschaft „Gral“ ein und vereinbarte einen Termin im Fotoatelier Hanfstaengl. Nach der Generalprobe improvisierte Bruckner auf der Orgel im Odeon vor Mitgliedern der Künstlergesellschaft „Allotria“. Die Erstaufführung der Siebenten am 10.3.1885 gestaltete sich zu einer Sternstunde für Bruckner, Levi und das Münchner Publikum. „Der Erfolg in München war der höchste meines Lebens. Ein solcher Enthusiasmus war in München nie, wie man mir sagte.“ schrieb Bruckner am 12.5.1885 an Moritz Edler von Mayfeld (Briefe I, 850512). Fiedler, der die Uraufführung der Siebenten in Leipzig erlebt hatte, teilte seinem Freund Adolf von Hildebrand brieflich mit, „übrigens war sie unter Levis Direction gegen Leipzig kaum wiederzuerkennen“ (Hildebrand, S. 282). Nach der bejubelten Aufführung lud Levi Bruckner in das Lokal der „Allotria“ zu einer Feier ein. Dort lernte Bruckner die prominentesten Künstler des damaligen München kennen, u. a. die Maler Fritz von Uhde und Hermann Kaulbach, die ihn später porträtierten. Am 11.3.1885 änderte Levi für Bruckner den Spielplan im Hoftheater und brachte statt Viktor Ernst Nesslers (1841–1890) Oper Der Trompeter von Säkkingen Wagners Walküre zur Aufführung. Nach der Vorstellung ließ Levi einen Teil des Adagios, „da Bruckner von dem Klang der Tuben in der Symphonie immer noch schwärmte, [...] in dem abgedunkelten leeren Raum des Hoftheaters die Trauermusik auf den Tod Wagners“ spielen (Göll.-A. 4/2, S. 283f.). Levi erklärte anschließend, „die Aufführung dieses Prachtwerkes sei die Krone seines künstlerischen Schaffens“ (Göll.-A. 4/2, S. 285). Tags darauf arrangierte Levi in der Wohnung seines Freundes Fiedler eine Probe für die Erstaufführung des Streichquintetts in F-Dur am 31.3.1885. Er kümmerte sich schließlich auch um die Drucklegung der Siebenten, legte selber dafür Geld aus und fand in Fiedler und Waldemar Lobo da Silveira Graf Oriola weitere Geldgeber (Mäzene, Consortien). Levi unterstützte Bruckner auch in seinem Wunsch, seine Siebente König Ludwig II. zu widmen.

Am 7.4.1886 brachte Levi das Te Deum zur Münchner Erstaufführung. In der Probe davor machte er Bruckner mit seiner Kompositionsschülerin, der Prinzessin Amalie in Bayern, bekannt, die sich später sehr für Bruckner einsetzen sollte. Auch dieses Konzert war ein großer Erfolg und erhielt sehr gute Kritiken in der Münchner Presse.

Bruckner nannte Levi in seinen Briefen wiederholt seinen „künstlerischen Vater“ und war darum äußerst verletzt, als der Dirigent die Uraufführung der Achten zurückwies. Levi wollte Bruckner nicht brüskieren und wandte sich daher am 30.9.1887 an Josef Schalk: „Tagelang habe ich studirt, aber ich kann mir das Werk nicht zu eigen machen. [...] ich finde die Instrumentation unmöglich, und was mich besonders erschreckt hat, ist die große Aehnlichkeit mit der 7ten, das fast Schablonenmäßige der Form.“ (Briefe II, 870930). Statt der abgelehnten Achten, die dann Hans Richter aus der Taufe heben sollte, wollte Levi die Vierte für den 14.3.1888 auf das Programm setzen. Davon informierte er am 7.10.1887 (Briefe II, 871007) auch Bruckner, der sich inzwischen zu einer Umarbeitung seiner Achten entschlossen hatte (Fassungen). Wegen der Erkrankung Levis erklang die Vierte aber erst im Dezember 1890 unter Franz Fischer zum ersten Mal in München. Levi dirigierte nach seiner Genesung am 17.10.1893 die Dritte als Erstaufführung in Berlin.

Levi wurde immer wieder für Bruckner tätig. Als er Mitte Dezember 1889 vom neuen Burgtheaterdirektor August Förster (1828–1889) brieflich befragt wurde, was er von der Bewerbung Bruckners für die Stelle des Burgtheater-Kapellmeisters halte, schilderte er ihm dessen künstlerische Bedeutung und riet ihm von einer Anstellung ab. Levi erfüllte auch 1891 Bruckners Wunsch, ein Gutachten zur Erlangung der Ehrendoktorwürde an der Universität Wien zu schreiben, das Felix Mottl mitunterzeichnete.

Werke
  • Bearbeitungen von Werken Ludwig van Beethovens, Johannes Brahms‘, Peter Cornelius‘, Wolfgang Amadeus Mozarts und Richard Wagners
  • Klavierkonzert a-Moll
  • Lieder
Schriften
  • Opern-Übersetzungen
  • (Hg.), Gedanken aus Goethes Werken. München 1901
Literatur

GERTRUDE QUAST-BENESCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 4.2.2020

Medien

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Abbildungen

Abbildung 1: Musikalisches Wochenblatt 13 (1882), H. 27, S. 317

Abbildung 2: Allgemeine Kunst-Chronik 17 (1893) Nr. 18, S. 486

Normdaten (GND)

Levi, Hermann: 118865900

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft