Halm, August (Otto)

* 26.10.1869 Großaltdorf, Württemberg/D, † 1.2.1929 Saalfeld, Thüringen/D. Theologe, Komponist, Musikpädagoge, Musikschriftsteller.

Der Pfarrerssohn studierte ab 1888 in Tübingen evangelische Theologie; bereits während des Studiums Kompositionsunterricht bei Karl Emil Kauffmann (1836–1909) sowie Zusammentreffen mit Hugo Wolf. Nach dem Studium und dem anschließenden Vikariat Besuch der Königlichen Musikschule in München; 1892–1894 Unterricht in Komposition und Dirigieren bei Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901) und Felix Weingartner. Seit 1903 als Pädagoge in Thüringen tätig, wechselte Halm 1906 an die Freie Schulgemeinde, um Gustav Wyneken (1875–1964) bei seinem reformpädagogischen Projekt in Wickersdorf (bei Saalfeld) zu unterstützen. 1911 holte Halm Ernst Kurth nach Wickersdorf. Zwischen 1911 und 1920 Tätigkeiten u. a. als Dirigent der Ulmer Liedertafel und Musikkritiker; Bekanntschaft mit Karl Grunsky; 1920 Rückkehr nach Wickersdorf.

Halm, dessen schriftstellerisches Werk von großer Bedeutung für die Geschichte der musikalischen Analyse und der Musiktheorie ist, setzte sich bereits in den ersten Jahren seiner publizistischen Tätigkeit für die Musik Bruckners ein. Später, gemeinsam mit Grunsky, veranstaltete Halm Matineen, bei denen Bruckners Symphonien auf zwei Klavieren (Bearbeitungen) aufgeführt und in Form von Gesprächskonzerten der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden.

Bei seiner Auseinandersetzung mit dem Werk Bruckners stellte Halm strukturanalytische Betrachtungen der Symphonien in den Vordergrund. Der funktionale und technische Ansatz hat gleichwohl eine ausgeprägt psychologisierende Entsprechung, die einmal über Erinnerung und Antizipation, das „ahnende Voraushören“, gestiftet ist, darüber hinaus aber auch über die Einfühlung in die musikalische Bewegung vermittelt wird. Musik als „Urbild der Bewegung“, die auch „Urbild“ der seelischen Bewegung zu sein scheint, entfaltet sich mit der „Folgerichtigkeit eines physikalischen Ereignisses“. In der Beschreibung der Musik als „Bewegungskunst“ ist der Ursprung der physikalischen Terminologie zu sehen, mit der Halm die Wirkung von Musik (kompositions-)technisch zu erfassen suchte. Die Musik beschrieb er differenziert als „Drama von Kräften“ (Von zwei Kulturen der Musik, S. 50) und löste sie aus der hermeneutischen Inhaltsästhetik.

Bruckner galt Halm in erster Linie als „Sonatenkomponist“. Halm stellte den zeitlichen Charakter der Symphonie als „Kunst des Werdens“ in den Vordergrund und ordnete den Formabschnitten des Sonatenschemas als „Zeiten der Form“ spezifische ästhetische Funktionen zu. „Jede musikalische Gegenwart ist umso musikalischer, […] je mehr sie unser Vermögen der Vorausahnung und Erinnerung in Anspruch nimmt.“ (zit. n. Schmalzriedt, S. 103, vgl. Der Kunstwart 18 [1905] H. 2, S. 487). An den Symphonien Bruckners hob Halm zudem den motivischen Kontrast linearer und akkordischer Melodik als konstruktives Prinzip sowie die formbildende Kraft der Harmonik hervor. Der Themendualismus, das Zusammen- und Entgegenwirken kontrastierender Themen ebenso wie die Antagonismen von Gruppierungs- und Entwicklungsmotiven konstituieren dabei wesentlich den musikalischen Verlauf. Im symphonischen Werk Bruckners sah der Musikschriftsteller den Ziel- und Endpunkt der Musikgeschichte. Als eine neue „Kultur“ stellt die Symphonie dabei die Synthese der beiden vorausgegangenen „Kulturen der Musik“ dar, die die Fuge Johann Sebastian Bachs einerseits und die Sonatenkomposition Ludwig van Beethovens andererseits repräsentieren.

In seinem Bruckner-Bild (Rezeption) und seinen stilistisch brillanten Analysen, die Einflüsse so heterogener Ansätze wie Arthur Schopenhauers (1788–1860) Metaphysik und Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831) Dialektik zeigen, übte Halm gleichwohl nachhaltigen Einfluss besonders auf Kurth und die strukturanalytische Bruckner-Forschung aus. Der universalistische Ansatz der Musikgeschichtsschreibung ebenso wie die ästhetischen Kategorien, mit denen Halm die Musik Bruckners emphatisch bewertete, sind gleichwohl historisch bedingt und reflektieren die Krise der musikalischen Moderne wie den Verlust der Tonalität.

Werke
  • Schauspielmusiken
  • Symphonien
  • Kammermusik
  • Klavierwerke
  • Lieder
Schriften
Literatur

RAFAEL KÖHLER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 15.1.2020

Medien

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Abbildungen

Abbildung 1: August Halm, in: Neue Zeitschrift für Musik 96 (1929) H. 3, S. 144/1

Normdaten (GND)

Halm, August (Otto): 118545205

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft