Tübingen
Die Stadt im Zentrum des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg ist von der 1477 gegründeten Eberhard Karls Universität geprägt und zählt zu den klassischen Universitätsstädten Deutschlands. 2015: ca. 84.000 EW.
Zusammen mit der Landeshauptstadt Stuttgart und weiteren Städten im deutschen Südwesten wie Mannheim, Heidelberg und Freiburg setzte in Tübingen die Pflege und Verbreitung von Bruckners Werken ein. Karl Emil Kauffmann (1836–1909) leitete als Universitätsmusikdirektor den Akademischen Musikverein sowie die Akademische Liedertafel und stellte am 21.1.1897 in der Stiftskirche als deutsche Erstaufführung Teile aus der Messe in f‑Moll (Kyrie, Benedictus, Agnus Dei; Messen), am 10.7.1900 dann das Werk vollständig vor. 1901 folgten das siebenstimmige Ave Maria (WAB 6), 1903 die Messe in e‑Moll und 1905 zwei Tantum ergo. Kauffmanns Schwiegersohn Wilhelm Schmid (1859–1951), Altphilologe an der Universität, stellte wie der mit Kauffmann befreundete Komponist Hugo Wolf noch zu Bruckners Lebzeiten persönliche Kontakte des Komponisten zu Tübingen her.
Karl Grunsky, in Tübingen bei Kauffmann musikalisch ausgebildet, setzte sich später in Stuttgart für die dortige Bruckner-Rezeption ein. August Halm, ebenfalls ein Schüler Kauffmanns, gab als Konzertberichterstatter, durch wissenschaftliche Publikationen und Analysen wesentliche Impulse für die Bruckner-Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seine „Begegnung“ mit Bruckner gehört zu den „Schlüsselerlebnissen“, „als Reihe von Versuchen, das Ereignis Bruckner denkend zu bewältigen und nutzbar zu machen für das aktuelle Komponieren und Musikverständnis“ (Kabisch, S. 126).
Als weitere Aufführungen und Ereignisse in Tübingen seien genannt: die Messe in f‑Moll im Schillersaal im Dezember 1925, das Tübinger Brucknerfest im Juli 1928 (Brucknerfeste und -feiern), veranstaltet von Karl Haase, u. a. mit der Fünften Symphonie, die Achte Symphonie (Symphonien) mit dem Orchester des Württembergischen Landestheaters Stuttgart unter Carl Leonhardt (1886–1969) im Schillersaal im Jänner 1929, eine Aufführung mit Motetten (Christus factus est [WAB 11?], Os justi) in der Stiftskirche im Oktober 1929. Seit dem Zweiten Weltkrieg hält die Pflege der Werke Bruckners bis heute unvermindert an, begonnen mit der Brucknerfeier im November 1946 im Festsaal der Universität mit der Siebenten Symphonie und dem Te Deum unter C. Leonhardt bis zu den jüngsten Messe-Aufführungen u. a. des Stiftschors ( Messe in C‑Dur , 2001), des Bachchors (Messe in d‑Moll, 2005) und des Stephanus-Chors (Messe in d‑Moll, 2013).
Literatur
- Günther Wille (Hg.), Otto Weinreich, Ausgewählte Schriften 4. Zur Musikwissenschaft 1909–1960. Konzertkritiken 1923–1933 und 1945–1952. Amsterdam 1975
- Rolf Keller, Bruckner-Rezeption in Südwestdeutschland, in: Bruckner-Symposion 1991Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Rezeption. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1991. 18.–22. September 1991. Bericht. Linz 1994, S. 113–126
- Rolf Keller, Frühe Freunde Bruckners im deutschen Südwesten. Der Beginn der Bruckner-Pflege in Baden-Württemberg, in: Bruckner-Symposion 1994Othmar Wessely u. a. (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Freunde – Bruckner-Kenner. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1994. 21.–25. September 1994. Bericht. Linz 1997, S. 151–160
- Thomas Kabisch, Theorie der musikalischen Ausführung und Theorie der Musik. Über August Halms Konzertberichte, in: Musik in Baden-Württemberg. Jahrbuch. Bd. 17. München 2010, S. 116–140
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