Armbruster, (Emil) Theodor (Anton)
* 22.10.1895 Heidelberg, Baden-Württemberg/D, † 10.5.1979 Bad Tölz, Bayern/D. Arzt.
Gymnasium und musikalische Ausbildung bei Gustav Ihlemann (1861–1931) in Freiburg im Breisgau, Medizin-Studium an den Universitäten in Heidelberg und Freiburg. Nachdem er mehrere Jahre als Schiffsarzt gearbeitet hatte, ließ er sich 1927 als Facharzt für Dermatologie in Leipzig nieder. Dort gründete er ein Ärzteorchester, dessen Konzertmeister er bis zu dessen Auflösung 1939 war. 1964 zog er nach Kochel am See in Bayern.
Armbruster setzte sich intensiv für die Pflege der Werke Bruckners ein, aber auch für Aufführung der Werke Prinz Louis Ferdinands von Preußen (1772–1806), César Francks (1822–1890), Gustav Mahlers, Max Regers (1873–1916), Arnold Schönbergs (1874–1951) und Alban Bergs (1885–1935). In Beiträgen in der Zeitschrift für Musik, den Bruckner-Blättern und verschiedenen Leipziger Zeitungen sowie in einigen eigenständigen Publikationen warb er für Bruckner. Besonders engagierte er sich für die Aufführung der Symphonie in d-Moll („Annullierte“); er regte unter anderem Hans Weisbach, Heinz Bongartz (1894–1978) und Paul Schmitz (1898–1992) zu Aufführungen derselben an und plädierte beispielsweise in seinem Aufruf Ein Appell an unsere deutschen Dirigenten und Konzertinstitute! in der Zeitschrift für Musik (1933) und in seiner Schrift Verhängnisvoll entscheidende Sechzehntel-Streicherfiguren Anton Bruckners (1950) für deren Anerkennung als vollwertiges Werk.
Er stiftete eine Bruckner-Büste des Künstlers Fritz Zalisz (IKO 250; Ikonografie) für die Aufstellung im Leipziger Gewandhaus (Gedenkstätten). Anlässlich von deren feierlichen Enthüllung am 22.10.1931 spielte das Gewandhausorchester unter Bruno Walter die Sechste Symphonie.
Im Oktober 1932 wurde Armbruster Vorstandsmitglied der Internationalen Bruckner-Gesellschaft (IBG). Auf seine Initiative hin wurde am 4.10.1934 eine Leipziger Anton Bruckner-Gemeinschaft gegründet. Diese sollte eigentlich der IBG als Ortsgruppe eingegliedert werden, was jedoch aufgrund der Einmischung des nationalsozialistischen Regimes nicht zustande kam. Die Gründung scheint nicht zufällig 1934 erfolgt zu sein; laut Christa Brüstle ging die Leipziger Anton Bruckner-Gemeinschaft aus dem in diesem Jahr aufgelösten Kampfbund für deutsche Kultur Alfred Rosenbergs (1893–1946) hervor (Bruckner und die Nachwelt, S. 255).
Armbrusters nationalsozialistische Gesinnung offenbart sich in seinen Veröffentlichungen im Kontext der Büstenaufstellung im Gewandhaus und in seinem oben erwähnten Appell. Auch soll die am 1.5.1935 erfolgte Umbenennung der Leipziger Mendelssohn-Straße in Anton Bruckner-Straße auf seine Anregung zurückgegangen sein (Bruckner und die Nachwelt, S. 256).
Mit der 1946 anlässlich des 50. Todestags Bruckners erschienenen Publikation zur Frage Erstdruckfassung oder „Originalfassung“? leistete er einen wesentlichen Beitrag zur damals hochaktuellen Diskussion um die Fassungen – er nutze sie jedoch auch, um sich nachträglich vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Darin äußert er sich kritisch gegenüber den „Originalfassungen“ der Alten Gesamtausgabe – eine Position die er schon unter dem nationalsozialistischen Regime vertreten hatte –; spricht sich jedoch auch dafür aus, dass man die „Originalfassungen“ und die Erstdruckfassungen gleichermaßen gelten lassen sollte, bis die handschriftlichen Vorlagen der Erstdruckfassungen ausfindig gemacht und ausgewertet seien.
Am 2.5.1932 erhielt Armbruster von Max Auer in Vöcklabruck ein Bruckner-Autograf mit Skizzen zum 3. Satz der Neunten Symphonie (ÖNB-MS, Mus.Hs.41958) zum Geschenk.
Schriften
- Bruckners Neunte im Gewandhaus im Spiegel einer Leipziger Zeitungskritik vom 1. November 1929, in: Bruckner-Blätter 2 (1930) H. 1, S. 8ff.
- Walter Niemanns mißverständliche Erläuterungen der Brucknerschen Symphonien, in: Bruckner-Blätter 3 (1931) H. 2/3, S. 21f.
- Ein Appell an unsere deutschen Dirigenten und Konzertinstitute!, in: Zeitschrift für Musik 100 (1933) H. 10, S. 1039ff.
- Anton Bruckner und Leipzig. Ein Tatsachenbericht über die Entstehung und Gründung der Leipziger BrucknerGemeinschaft. Leipzig 1936
- Erstdruckfassung oder „Originalfassung“? Ein Beitrag zur Brucknerfrage am fünfzigsten Todestag des Meisters von E. Th. A. Armbruster. Leipzig 1946
- Gedenkrede zum 125. Geburtstag Anton Bruckners [gehalten am 4.9. 1949]. Leipzig 1949
- Verhängnisvoll entscheidende Sechzehntel-Streicherfiguren Anton Bruckners. Ein Versuch ihrer Deutung. Leipzig–Freiburg im Breisgau 1950
- diverse Artikel in den Leipziger Neuesten Nachrichten, der Leipziger Abendpost, der Neuen Leipziger Zeitung und der Neuen illustrierten Zeitung
LITERATUR
- Die Bruckner-Orgel in St. Florian. (4. Verzeichnis der Stifter), in: [Linzer] Tagblatt 11.3.1931, S. 8
- Franz Moißl, Brucknertage in Deutschland. Brucknerfeier im Leipziger Gewandhaus. – Viertägiges Brucknerfest in Baden-Baden, in: Reichspost 29.10.1931, S. 8
- Franz Moißl, Leipziger Bruckner-Feier. Enthüllung einer Marmorbüste im Gewandhaus, in: Bruckner-Blätter 3 (1931) H. 4, S. 47ff.
- Die MusikDie Musik. Stuttgart–Berlin–Leipzig 1901/02–1914/15 und 1922/23–1942/43. Zusatz ab 1934: Amtliches Organ der NS-Kulturgemeinde; Zusatz ab 1937/38: Organ des Amtes für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1939: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1940/41: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 24 (1931) H. 3, S. 238
- Neue Vorstandsmitglieder, in: Bruckner-Blätter 4 (1932) H. 3/4, S. 41
- Die „Nullte“ im Gewandhaus, in: Bruckner-Blätter 5 (1933) H. 3/4, S. 21f.
- Neue Brucknergemeinden, in: Bruckner-Blätter 6 (1934) H. 4, S. 9f.
- Die MusikDie Musik. Stuttgart–Berlin–Leipzig 1901/02–1914/15 und 1922/23–1942/43. Zusatz ab 1934: Amtliches Organ der NS-Kulturgemeinde; Zusatz ab 1937/38: Organ des Amtes für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1939: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1940/41: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 27 (1934) H. 3, S. 239
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/4, S. 107f., 118
- Erich Hermann Müller von Asow, Ärzte als Musikliebhaber. Der BrucknerVorkämpfer E. Th. A. Armbruster, in: Zeitschrift für Musik 116 (1955) H. 7, S. 404f.
- Kleine Mitteilungen, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 16 (Dezember 1979), S. 30–34, bes. S. 33
- Bruckner-Bibliographie IRenate Grasberger, Bruckner-Bibliographie (bis 1974) (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 4). Graz 1985
- Steffen Lieberwirth, Zur Geschichte der Bruckner-Büste des Gewandhauses zu Leipzig, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1984/85/86, S. 69–84
- Rolf Keller, Art. „Armbruster, (Emil) Theodor (Anton)“, in: Bruckner-Handbuch 1996Uwe Harten (Hg.), Anton Bruckner. Ein Handbuch. Salzburg–Wien 1996, S. 58f.
- Bruckner und die NachweltChrista Brüstle, Anton Bruckner und die Nachwelt. Zur Rezeptionsgeschichte des Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1998, S. 86, 255f.
- Morten Solvik, The International Bruckner Society and the N.S.D.A.P.: A Case Study of Robert Haas and the Critical Edition, in: The Musical Quarterly 82 (1998) H. 2, S. 362–382
- Bruckner-Bibliographie IIRenate Grasberger, Bruckner-Bibliographie II (1975–1999) und Nachträge zu Band I (bis 1974) (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 12). Wien 2002
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