Samale, Nicola (Hansalik)

* 14.9.1941 Castelnuovo d’Istria/I (Podgrad/SLO). Komponist, Dirigent.

Nicola Samale wurde 1959–1972 am Conservatorio Santa Cecilia in Rom in Querflöte, Komposition, Instrumentation und im Dirigieren unter anderen bei Franco Ferrara (1911–1985) ausgebildet. Seine Fähigkeiten im Dirigieren konnte er bei Sir John Barbirolli und Hermann Scherchen weiterentwickeln. Danach war er als Dirigent an verschiedenen Spielstätten vor allem in Europa und in den USA tätig. Für einige Jahre arbeitete er als Gastdirigent des Orchesters Sinfonica Abruzzese. Anschließend fungierte er als Chefdirigent und künstlerischer Leiter bei verschiedenen Orchestern: 1993–1994 beim Orchestra Sinfonica di Lecce (heute Orchestra Sinfonica di Lecce e del Salento), 1997–2000 beim Orchestra Sinfonica della Provincina di Matera und 2003–2004 beim Orchestra Sinfonica di Catanzaro. 2010–2012 war er als Gastdirigent beim Chor Collegium Vocale Salernitano und beim Orchestra Sinfonica Ensemble Contemporaneo engagiert. 1978–1993 unterrichtete Samale am Conservatorio Alfredo Casella in L’Aquila und für einige Zeit am Conservatorio Luigi Canepa in Sassari Dirigieren. Neben seinen eigenen Kompositionen machte es sich Samale zur Aufgabe, Werke von anderen Komponisten zu vervollständigen, wie etwa – in gemeinsamer Arbeit mit Giuseppe Mazzuca – die Zehnte Symphonie von Gustav Mahler. Neben zahlreichen Auszeichnungen und Erfolgen bei Wettbewerben wurde er Ehrenmitglied des Orchestra Sinfonica di Salerno und 2013 Ehrendirigent beim Orchestra Filharmonica Campana.

Wann und wie Samale erstmals mit Bruckners Œuvre in Berührung kam, ist bisher nicht bekannt, durch seine Dirigententätigkeiten kann jedoch vermutet werden, dass er mit den symphonischen Werken Bruckners bereits früh vertraut war. Ein Einfluss auf seine Herangehensweise an die Werke Bruckners als Dirigent kann eventuell von seinen Lehrern Barbirolli und Scherchen her abgeleitet werden. Mit der Vervollständigung des Finale-Fragments der Neunten Symphonie in d-Moll beschäftigte er sich, von Paul-Gilbert Langevins Bruckner: Apogée de la symphonie (1977) dazu inspiriert, gemeinsam mit Mazzuca, mit dem er bereits 1976 zusammen Filmmusik komponierte, erstmals 1979–1985. Für ihre Rekonstruktion griffen die beiden auf die von Alfred Orel veröffentlichten Skizzen zu den drei vollendeten Sätzen der Neunten, auf seine entzifferten Skizzen zum Finale der Neunten sowie auf jene Partituren zurück, die Bruckner in seinen letzten 12–15 Lebensjahren vollendete. Ihre 711 Takte umfassende und mit Hilfe eines Analogieverfahren entstandene Vervollständigung Ricostruzione (ca. 1985/86) weist mit 113 Takten einen hohen kompositorischen Eigenanteil auf, wozu sie eine 37-seitige „Introduzione“ (1986) vorlegten. Erstmals eingespielt wurde diese Einrichtung im Dezember 1985 durch das Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks unter Eliahu Inbal (* 1936) in Frankfurt am Main, die am 3.1.1986 vom HR gesendet wurde. Die erste öffentliche Vorführung fand am 18.2.1986 durch das Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter Peter Gülke in einem Werkstattkonzert des SFB mit einer anschließenden Diskussionsrunde statt, an der neben Samale, Mazzuca und Gülke auch Peter Ruzicka, Harry Halbreich und Rudolf Stephan mitwirkten. Sonstige Aufführungen bzw. Einspielungen der Mazzuca/Samale-Fassung unter Inbal fanden im Mai 1986 mit dem Radio-Symphonie-Orchester Mailand im Mailänder Konservatorium, im September desselben Jahres mit dem Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks in der Alten Oper Frankfurt und im Oktober 1987 mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt ebenda statt. Eine weitere Einspielung dieser Fassung fand unter Gennadij Rozhdestvenskij (1931–2018) für Melodiya statt. Nachdem Mazzuca nach der Fertigstellung der Ricostruzione (1985) kein Interesse mehr an einer Weiterarbeit an der Vervollständigung des Finales zeigte, arbeitete Samale ab 1986 mit seinem Dirigentenschüler Benjamin-Gunnar Cohrs zusammen, mit dem er bereits vorher, durch Langevin vermittelt, im brieflichen Austausch stand. Bis 1989 entstanden in dieser Zusammenarbeit mehrere Stadien der Partitur, die unter anderem von Herbert Soudant (* 1946) mit dem Radio Filharmonisch Orkest für den Niederländischen Rundfunk 1987 eingespielt wurden. Unter der Leitung von Samale fand die Erstaufführung der 1991 von den Autoren zurückgezogenen Samale/Cohrs-Fassung am 8.10.1988 gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks in Katowice statt. Ab 1990 arbeitete Samale auch mit John Alan Phillips zusammen, der mit Cohrs schon länger in Kontakt stand und den Samale 1989 bei der Präsentation einer Klaviereinrichtung des Finales an der Hochschule für Künste in Bremen kennenlernte. Die von Phillips herausgegebene Revision der Partitur der Aufführungsfassung (1992) fasste, neben neuen Erkenntnissen, die Arbeiten zwischen 1983 und 1989 zusammen. Diese Weiterentwicklung der Partitur wurde am 3.12.1991 durch das Bruckner Orchester Linz unter Manfred Mayrhofer in Linz erstaufgeführt. Das gleiche Orchester besorgte 1993 gemeinsam mit Kurt Eichhorn auch die Erst-Einspielung für Camerata. Die Ersteinspielung der 1996 revidierten Fassung fand 1998 durch die Neue Philharmonie Westfalen gemeinsam mit Johannes Wildner statt. Insgesamt folgten bis 2011, ausgehend von dieser Fassung, ca. 50 Aufführungen. Als Initiator des Projekts bereitete Samale ab 2003 gemeinsam mit Cohrs eine Neuausgabe des Finales vor, die 2005 von Samale und Cohrs herausgegeben wurde. Die ebenfalls 2008 revidierte Weiterentwicklung wurde am 3.12.2005 durch das Fulham Symphony Orchestra unter Marc Dooley (* ?) erstaufgeführt und durch das Sinfonieorchester Aachen unter Marcus Bosch (* 1969) ersteingespielt. Die Uraufführung des revidierten Nachdrucks (2008) fand am 8. und 9.11.2007 durch das Swedish Radio Symphony Orchestra unter Daniel Harding (* 1975) in Stockholm und die Ersteinspielung davon am 31.3.2008 durch das Nationaltheater-Orchester Mannheim unter Friedemann Layer (* 1941) in Mannheim statt. Eine Umarbeitung der Coda folgte schließlich 2011, die dabei entstandene „letztmalig revidierte Ausgabe“ (Vorwort 2012) wurde erstmals am 15. und 16.10.2011 durch das Het Brabants Orkest unter Layer in Eindhoven und Breda aufgeführt. Weitere Aufführungen fanden unter Simon Rattle (* 1955) zusammen mit dem Bundesjugendorchester am 23.10.2011 in der Berliner Philharmonie sowie 7.–9.2.2012 mit den Berliner Philharmonikern für eine Einspielung für EMI Classics ebenda und am 24.2.2012 in der Carnegie Hall in New York statt. Im Juni 2015 wurden abermals einzelne Noten in der Coda und etwaige Druckfehler korrigiert.

Werke
  • Opern (u.a. Il principe sognatore, L’eroico Yi Sun Sin, Il Castello, L’ultima messa)
  • Orchesterwerke (u.a. Suite lirica No. 1, Racconti Viennesi Caleidoscopio, Magica notte)
  • Vokalwerke (Ave Maria, Inno a Padre Pio, 99 in memoriam, Plenum, Unheimlich)
  • Kammermusik (u.a. Burlesca, Diorama, Hermes)
  • Filmmusik (Miracolo a Milano, Signore e signori Buonanotte [gemeinsam mit Giuseppe Mazzuca 1976])
  • Bearbeitungen/Vervollständigungen: Anton Bruckners Finale der Neunten Symphonie (gemeinsam mit Giuseppe Mazzuca, John Philips, Benjamin-Gunnar Cohrs 1985–2012), Franz Schuberts Scherzo der h-Moll-Symphonie (D 759) (1988, revidierte Fassung gemeinsam mit Benjamin-Gunnar Cohrs 2004) Pablo Casals Inno alle Nazioni Unite (1996), Franz Liszts Hexaméron (2001), Gustav Mahlers Zehnte Symphonie (gemeinsam mit Giuseppe Mazzuca 2001), Franz Liszts h-Moll Sonate (2007).
Schriften
  • (gem. mit Giuseppe Mazzuca), Introduzione al finale della Nona Sinfonia di Anton Bruckner, Milano 1987
Literatur

KAROLINE HOCHSTÖGER, EVELYN SZABO

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 20.12.2021

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Normdaten (GND)

Samale, Nicola (Hansalik): 135442303

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft