Anstellungen
Schon sehr früh entschied sich Bruckner „wia der Vater!“ (Göll.-A. 1, S. 139) Lehrer zu werden und begann in jungen Jahren zielstrebig diese Laufbahn einzuschlagen. Nach seiner Ausbildung an der Präparandie in Linz (15.10.1840–18.8.1841) war Bruckner als Schulgehilfe in Windhaag und Kronstorf tätig. Zum damaligen Berufsbild eines Lehrers gehörte neben dem Unterrichten auch die Kirchenmusik. Nachdem er in Linz erfolgreich die Lehrer-Konkursprüfung (27./28.5.1843) absolviert hatte, erhielt Bruckner in St. Florian die Stelle des „1ten systemisierten Schulgehülfen“ (Göll.-A. 1, S. 315). In der ihm vertrauten Umgebung übernahm er auch den Gesang- und Geigenunterricht der Sängerknaben. Neben dem Schulfach wurde er zunächst supplierender (1845), dann provisorischer Stiftsorganist (1850). Von 1851 an war Bruckner außerdem gelegentlich als unentgeltlicher Schreiber im Bezirksgericht St. Florian tätig, um sich für die Beamtenlaufbahn im Staatsdienst zu qualifizieren. Hier ist erstmals Bruckners besonderes Bedürfnis zu erkennen, sich möglichst mehrere berufliche Möglichkeiten offen zu halten, um sein berufliches Weiterkommen zu sichern.
Bruckner blieb sein Leben lang dem Lehrfach verbunden. Obwohl er sich schon damals für die Berufslaufbahn eines Musikers entschieden hatte, legte er noch 1855 – vermutlich als Rückversicherung – die Hauptschullehrerprüfung in Linz ab.
Bruckners intensive Bemühungen, die Musik zu seinem Beruf zu machen, wurden im Frühjahr 1856 mit seiner Bestellung als Linzer Dom- und Stadtpfarrorganist belohnt. Er zögerte vor diesem ersehnten, aber auch gefürchteten Schritt und ging erst nach Linz, nachdem der St. Florianer Organistenposten für ihn reserviert worden war. Tatsächlich übte er das Amt des Linzer Dom- und Stadtpfarrorganisten bis zu seinem Weggang nach Wien aus.
Das berufliche Lebensziel Bruckners war schon längere Zeit ein Kapellmeisterposten, in Wien sicherlich jener der kaiserlichen Hofmusikkapelle; auch eine Anstellung an der Universität Wien erhoffte er sich. Hier zeigt sich ein für Bruckner charakteristischer Zug: Er strebte stets eine berufliche Karriere an, ersehnte renommierte Positionen und setzte dabei seine Ziele so hoch wie möglich. Es ging ihm auch um seine Existenzsicherung, damit er letztendlich frei von materiellen Sorgen sich nur seinem kompositorischen Schaffen widmen könne. Nachdem seine Karriere zunächst zu stagnieren schien und die erhoffte Anerkennung sowohl in Linz als auch in Wien ausblieb, zog Bruckner sogar eine Auswanderung nach Mexiko an die Hofkapelle Kaiser Maximilians in Betracht. 1867 ersuchte er erstmals ohne Erfolg die Universität Wien um „Aufnahme als Lehrer der musikalischen Composition“ (Briefe I, 671102). Auch seine Ansuchen um Aufnahme als Hoforganist oder Vize-Hofkapellmeister an die Hofkapelle in Wien (1867, 1868) sowie in München (1868), blieben fruchtlos. Obwohl Bruckners Bemühungen, sich in Wien zu etablieren, nie in Richtung des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gegangen waren, ebnete ihm die durch Simon Sechters Tod frei gewordene Professur im Herbst 1868 den Weg in die Residenzstadt. Wieder bat er aufgrund finanzieller Bedenken um Reservierung seines Linzer Postens.
In Wien wurde Bruckner Professor für Harmonielehre und Kontrapunkt (Harmonielehre- und Kontrapunktunterricht) sowie Professor der neu zu errichtenden Orgelschule am Konservatorium. Parallel dazu wurde Bruckner (zunächst „exspectirender“, d.h., unbesoldeter) Hoforganist. Bruckner, der „Organist des Kaisers“ wie er sich gerne nannte, strebte einen weiteren Aufstieg an und stellte 1876 und 1877 ohne Erfolg Gesuche um die Vizehofkapellmeisterstelle. Als Dienstältester rückte er 1878 zum wirklichen Mitglied der Hofmusikkapelle auf.
1870–1874 bekleidete er zusätzlich eine sehr gut dotierte Anstellung als Hilfslehrer (Klavier, Musiktheorie, Orgel) an der Lehrerbildungsanstalt St. Anna. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, an der Universität Wien eine Anstellung zu erlangen, wurde Bruckner schließlich im November 1875 als unbesoldeter Lehrer der Harmonielehre und des Kontrapunktes in den Lehrkörper der Universität Wien aufgenommen.
Die Pflichten am Konservatorium, an der Universität und an der Hofkapelle sowie die Erteilung von Privatunterricht nahmen insgesamt rund 40 Wochenstunden in Anspruch. Seine immerwährenden Zukunftsängste, die im Alter nur mehr eingebildete Geldsorgen waren, und das Arbeitspensum wurden ihm immer mehr zur Last. Trotzdem bewarb sich Bruckner noch 1889 um die Stelle eines „Zwischenaktsmusikmachers“ am Burgtheater. Erst nach 22 Jahren Lehrtätigkeit am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien war es ihm durch die finanzielle Unterstützung von Gönnern und Freunden (Freundeskreis; Consortien) möglich, sich hier beurlauben zu lassen, um sich ganz seinem „Lebensberuf“ als „Symphoniker“ (Briefe II, 911019) widmen zu können. Den Unterricht an der Universität Wien, der ihm sehr viel bedeutete, behielt er aber bei.
3.10.1841: Dienstantritt als Schulgehilfe in Windhaag bei Freistadt (Dienstende:
19.1.1843)
23.1.1843: Anstellungsdekret als Schulgehilfe in Kronstorf bei Steyr (Dienstende: 23.9.1845)
25.9.1845:
Anstellungsdekret als Lehrer in St. Florian (bis 1855)
1845–1850:
supplierender Stiftsorganist in St. Florian
12.10.1849: Bestellung zum
Privatlehrer der Sängerknaben von St. Florian
28.2.1850: Bestellung zum
provisorischen Stiftsorganisten in St. Florian
1851–1853: Schreiber am
Bezirksgericht St. Florian
13.11.1855: Probespiel für die
Domorganistenstelle in Linz, dann provisorischer Dom- und
Stadtpfarrorganist
25.4.1856: Anstellungsdekret als Domorganist in Linz
(Austritt: 30.9.1868)
6.7.1868: Anstellungsdekret als Professor für
Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgelspiel am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (12.7.1890: Beurlaubung aus
Krankheitsgründen; 15.1.1891 definitiver Ruhestand)
4.9.1868: „Exspectirender
k. k. Hoforganist“ in Wien
18.10.1870: Hilfslehrer für Klavier an der
Lehrerbildungsanstalt St. Anna (bis 1874)
1.7.1875: Vizearchivar der
Hofmusikkapelle und Zweiter Singlehrer der Sängerknaben (bis Jänner
1878)
18.11.1875: Anstellung als Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der
Universität Wien (24.4.1876 Antrittsvorlesung, November 1894 letzte Vorlesung an der
Universität Wien)
19.1.1878: wirkliches Mitglied der Hofmusikkapelle (Sommer 1892
Ansuchen Bruckners um Dienstenthebung aus Krankheitsgründen; 24.10.1892 Genehmigung
der Dienstenthebung in der Hofmusikkapelle)
Literatur
- Robert Lach, Die Bruckner-Akten des Wiener Universitäts-Archives. Wien–Prag–Leipzig 1926
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 139, 315
- HofmusikkapelleTheophil Antonicek, Anton Bruckner und die Wiener Hofmusikkapelle (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 1). Graz 1979
- Elisabeth Maier, Anton Bruckners Arbeitswelt, in: Bruckner in WienManfred Wagner u. a., Anton Bruckner in Wien. Eine kritische Studie zu seiner Persönlichkeit (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 2). Graz 1980, S. 161–228
- Theophil Antonicek, Anton Bruckner und die Universität, in: Bruckner-Symposium Leipzig 1987, S. 28–33
- Franz Zamazal, Familie Bruckner – Drei Generationen Lehrer. Schulverhältnisse – Ausbildung – Lebenslauf, in: Staat – Kirche – SchuleHarry Slapnicka u. a., Staat – Kirche – Schule in Oberösterreich. Zu Anton Bruckners sozialhistorischem Umfeld. Mit einem Beitrag über das Orgelspiel des jungen Bruckner (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 10). Wien 1994, S. 97–251
- Theophil Antonicek/Kurt Mühlberger, Anton Bruckner. Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität Wien 1875–1896. Wien 1996
- Elisabeth Maier, Anton Bruckner. Stationen eines Lebens. Linz–München 1996
- Theophil Antonicek, Die soziale Stellung Bruckners in seinen verschiedenen Funktionen, in: Bruckner‑Symposion 2000Theophil Antonicek/Andrea Harrandt/Erich Wolfgang Partsch (Hg.), Bruckner-Symposion. Kreativität und Gesellschaft. Die materielle und soziale Situation des Künstlers. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2000. 20.–24. September 2000. Bericht. Linz 2004, S. 67–70
- Elisabeth Maier, „Allweil Cantaten und all‘s mögliche Zeugs …“ Anton Bruckner im Dienst der Kirche, in: Bruckner‑Symposion 2000Theophil Antonicek/Andrea Harrandt/Erich Wolfgang Partsch (Hg.), Bruckner-Symposion. Kreativität und Gesellschaft. Die materielle und soziale Situation des Künstlers. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2000. 20.–24. September 2000. Bericht. Linz 2004, S. 71–78
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Dom- und StadtpfarrorganistElisabeth Maier, Anton Bruckner als Linzer Dom- und Stadtpfarrorganist. Aspekte einer Berufung. Mit einem Beitrag von Ikarus Kaiser (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 15). Wien 2009
- Peter Urbanitsch, Anton Bruckner, das liebe Geld, die Wiener Gesellschaft und die Politik, in: Bruckners Wiener JahreRenate Grasberger/Elisabeth Maier/Erich Wolfgang Partsch (Hg.), Anton Bruckners Wiener Jahre. Analysen – Fakten – Perspektiven (Wiener Bruckner-Studien 1). Wien 2009, S. 301–330
- Theophil Antonicek/Andreas Lindner/Klaus Petermayr, „Anton Bruckner, Hoforganist …“. Ein Lebenslauf. Kommentierte Faksimileausgabe des Briefes vom 1.10.1876 an Wilhelm Tappert. Wien 2010
- Laurenz Lütteken, Bruckners Existenz im 19. Jahrhundert, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 14–30