Steyr

Stadt in Oberösterreich am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Erste Nennung der „Styraburg“ 980. Schon früh wichtiger Platz für Handel und Handwerk (Eisenverarbeitung). Im 19. Jahrhundert mit der Gründung der Waffenfabrik durch Josef Werndl (1831–1889) Aufstieg zu einem wichtigen Industriestandort. Vielfältige Musiktradition seit dem Mittelalter. 1843: 9.960, 1880: 17.200, 2019: ca. 38.200 EW.

Die Stadt Steyr spielte im Leben Bruckners eine wichtige Rolle. Er bezeichnete sie selbst sogar anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft (Ehrungen) der Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr als „heimatliche Stadt“ (Briefe II, 930427). Tatsächlich war er dort von vielen Freunden und Gönnern umgeben, die sich nicht nur für sein Werk interessierten, sondern ihn auch finanziell unterstützten (Mäzene). Die Einladungen durch die Stadtpfarrer (Geistliche) in den Pfarrhof wiesen eine kontinuierliche Tradition auf und ermöglichten Bruckner Ruhe und Erholung. Dadurch wurde er in Steyr zu einem „Ferienkomponisten“, er wirkte daneben immer wieder bei Messen als Organist mit. Auch als Improvisator war er in der Stadtpfarrkirche zu hören.

Erste Kontakte zu Steyr sind in Bruckners Familie zu finden, denn seine Mutter stammte aus dem nahe gelegenen Ort Neuzeug. Bruckners Tante Rosalia Mayrhofer arbeitete unweit entfernt im Pfarrhof von Wolfern als Wirtschafterin. Als Schulgehilfe in Kronstorf kam Bruckner auf Empfehlung des Pfarrers Alois Knauer erstmals nach Steyr. Der damalige Stadtpfarrer Joseph Plersch (* ca. 1781 [Ort?], † 13.3.1855 Steyr) lud ihn ein und ermöglichte ihm, auf der großen Chrismann-Orgel zu spielen. Ob Bruckner während dieser frühen Aufenthalte Karoline Eberstaller kennenlernte, die ihm angeblich die Steyrer Schubert-Tradition (Franz Schubert) näherbrachte, ist bislang ungeklärt.

Im Jahr 1868 trat Bruckner in der Stadtpfarrkirche als Organist auf. In der ersten Steyrer Rezension heißt es u. a.: „Majestätisch und erhaben wie Donnerrollen brauste die von Bruckners kunstgeübten Händen entfesselte gewaltige Fluth der Töne in pleno hin in mächtigen Accorden durch die hohen Hallen des ehrwürdigen Baues; mild und lieblich wie Nachtigallen- und Lerchen-Sang stimmte in der Gamba die Meisterhand dann in herrlich verschlungener Harmonienfolge dem Herrn des Hauses ein Loblied an.“ (Alpen Bote 24.9.1868, S. 3).

In den ersten Wiener Jahren dürften sich die Verbindungen zu der Stadt gelockert haben, seit 1875 besuchte Bruckner auf Einladung des Stadtpfarrers Georg Arminger bzw. dessen Nachfolgers Johann Evangelist Aichinger wieder regelmäßig Steyr. Besuche ergaben sich auch durch die Nähe zu St. Florian.

In Steyr arbeitete Bruckner vor allem an seiner Achten Symphonie, aber ebenso an der Neunten. Berühmt geworden ist sein Vermerk am Schluss der Partiturskizze der Achten: „Steyr, Stadtpfarrhof 16. August 1885. A. Bruckner mp. Halleluja!“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.6070; Abdruck in: Bruckner und Steyr, S. 251).

Im Sommer 1892 revidierte er sein in St. Florian komponiertes Requiem in d-Moll (WAB 39), das dann in der neuen 2. Fassung in Steyr aufgeführt wurde. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang war der Musikerkreis um Bruckner. Allen voran war es Franz Xaver Bayer, der sich immer wieder tatkräftig für Bruckners Werk einsetzte und auch 1892 die Uraufführung des phrygischen Pange lingua leitete. Über Bayers Aufführung der Messe in d‑Moll 1893 äußerte sich Bruckner begeistert in einem Brief an Theodor Helm (Briefe II, 930422/2). Der Gemeindebeamte und Musiker Leopold Hofmeyr arbeitete für ihn als Kopist (Achte Symphonie).

Weitere Freunde in Steyr waren Carl Almeroth, die Bürstenbinderfamilie Mayr (Johanna war Bruckners „Primadonna“ im Kirchenchor), Bürgermeister Georg Pointner (* 9.4.1819 Gramastetten, Oberösterreich/A, † 20.1.1900 Steyr) und der Arzt Franz Wiesner (* 17.12.1867 Wolfern, Oberösterreich/A, † 13.1.1928 Baden bei Wien, Niederösterreich/A). Überdies ergaben sich natürlich engere Kontakte zu den musikalischen Vereinen: zur Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr sowie zu den Männergesang-Vereinen „Kränzchen“ und Steyrer Liedertafel (Gesangvereine). Eine der frühesten Aufführungen in Steyr fand im Jahre 1882 statt: Unter Mitwirkung des Arbeitersängerbundes „Stahlklang“, dem 1881–1888 Joseph Gilhofer als Chormeister vorstand, führten die Vereine den Germanenzug auf. Die in erster Linie technisch bedingten Interpretationsprobleme führten allerdings zu einem zwiespältigen Eindruck. Der Männerchor Sängerbund stand wiederholt am Programm der Vereine, von denen er in den letzten Lebensjahren auch durch Ehrenmitgliedschaften ausgezeichnet wurde.

Ein weiterer wichtiger Punkt in Bruckners Biografie ist dessen finanzielle Förderung. Über Max von Oberleithner und Almeroth wurde 1890 in Steyr ein sogenanntes Consortium (1.000 Gulden Jahresrente) gegründet, damit Bruckner auf seine Lehrtätigkeit am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verzichten könne. Zu den Mitgliedern zählten Almeroth, Graf und Gräfin Lamberg (geb. Werndl), die Industriellen Josef und Eduard Werndl sowie Karl Reder (vgl. Bruckner und Steyr, S. 262–269; Abdruck der Dokumente, S. 415–418).

Kurz nach dem Tod des Komponisten bildete sich mit Bayer an der Spitze ein „Comité“, das ein Denkmal errichten wollte. Ursprünglich war an ein Votiv-Fenster in der Stadtpfarrkirche gedacht, dann entstand aber das erste Bruckner-Denkmal (Büste: Viktor Tilgner, Sockel: Fritz Zerritsch). Die Enthüllung fand am Pfingstsonntag des Jahres 1898 statt.

In den Folgejahren wurden besonders durch Bayers Initiative Bruckner-Werke aufgeführt (Te Deum, Zweite Symphonie ). 1929 wurde die Ortsgruppe Steyr des Brucknerbundes für Oberösterreich gegründet, die sich in erster Linie die Instandsetzung des seit 1918 immer noch beschädigten Denkmals zur Aufgabe machte. Mit der Neugründung der Ortsgruppe 1949 lag der Schwerpunkt auf Konzertveranstaltungen; das Eröffnungskonzert mit der Achten Symphonie bestritten die Wiener Symphoniker unter Volkmar Andreae. Nach einer durch große Aktivität geprägten Zeitspanne scheiterte die Ortsgruppe an Desinteresse und personellem Mangel; die Auflösung erfolgte um die Mitte der 1980er Jahre.

Im Jubiläumsjahr 1996 fanden u. a. Aufführungen der Siebenten Symphonie und des Te Deum statt; im Stadtpfarrhof war die Ausstellung „Wo ich alljährlich so gerne weile“ zu sehen.

Literatur

ERICH WOLFGANG PARTSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 19.8.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Ehrung durch den MGV Kränzchen in Steyr (© ACDH-CH, Abt. Musikwissenschaft, Bruckner-Forschung)

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