Bruckner-Chor St. Florian

Neben dem Linzer Reichs-Bruckner-Orchester (ursprünglich mit Sitz in St. Florian) wurde ein Bruckner-Chor St. Florian des Großdeutschen Rundfunks gegründet. Sämtliche Rundfunkchöre wurden im September 1942 aufgelöst, die besten Kräfte sollten dem Bruckner-Chor St. Florian zugeführt werden. Um die geplante Chorgröße von 60 Personen – auch aus freien Bewerbern – zu erreichen, wurden mehrere Termine für Vorsingen im Dezember 1942 sowie Jänner und Februar 1943 anberaumt. Per 12.3.1943 waren für die Sopran- und Altstimmen 30 Sängerinnen aufgenommen, die Tenöre und Bässe waren aufgrund der Wehrpflicht mit 18 Sängern unterbesetzt.

Für den Aufbau und die Schulung des Chores konnte Günther Ramin verpflichtet werden. Sein Vertrag wurde für die Dauer des „Probenjahres“ (1.3.1943–31.3.1944) abgeschlossen und anschließend (auch auf Intervention des ernannten Chor-Obmannes Erich Purfürst) nicht verlängert. Da Ramin als Thomaskantor die Leitung der Thomaner beibehalten wollte, musste der Bruckner-Chor in Leipzig aufgestellt werden. Die Übersiedlung des Chores nach Linz war für April 1944 geplant. Unterstützung in der Probenarbeit erhielt Ramin von Johannes Rietz (1905–1976) vom Reichssender Breslau. Er wurde auch, da Ramins Vertrag abgelaufen war, als provisorischer Chorleiter eingesetzt, um den Umzug nach Linz zu organisieren. Am 13.5.1944 übernahm der Organist Michael Schneider (1909–1994) die Chormeisterstelle, für Rietz war wieder nur der Platz als Stellvertreter vorgesehen. Eine gute Zusammenarbeit zeigte sich aber, indem Schneider Rietz die Gelegenheit für öffentliche Auftritte gab.

Konzerte fanden im „Probenjahr“ in Leipzig am 10.6.1943, 6.11.1943 und 2.12.1943 statt. Auf dem Programm standen neben Chorwerken Bruckners (Messe in f‑Moll, Psalm 150, Os justi, Locus iste, Virga Jesse) italienische Madrigale, Volkslieder sowie Hans Pfitzners (1869–1949) Fons Salutifer (1941) und die Uraufführung des Requiem in bello von Hermann Simon (1896–1948). Trotz Verbots der Berichterstattung außerhalb Leipzigs wurde am 9.9.1943 in der Illustrierten Kronen Zeitung die Einstudierung der beiden letztgenannten Werke durch den Bruckner-Chor St. Florian angekündigt. Nach dem Bombardement auf Leipzig am 4.12.1943 wurde der Chor bis 5.1.1944 beurlaubt und Ramin mit den Thomanern in Grimma untergebracht. Er reiste, nachdem sich der Chor ab 6.1.1944 wieder formierte, für Proben nach Leipzig an. Das letzte Konzert unter Ramin mit Giuseppe Verdis (1813–1901) Messa da Requiem am Programm fand am 9.3.1944 in der Thomaskirche in Leipzig statt. Die Würdigung seiner Aufbauarbeit und offizielle Verabschiedung war zur Einführung des Chores in St. Florian geplant, allerdings sagte Ramin seine Teilnahme beim Konzert am 30.4.1944 ab.

Unter der Leitung von Schneider führte der Bruckner-Chor St. Florian neben Bruckners großen Messen und Motetten u. a. Werke von Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525–1594), Johannes Brahms und Johann Sebastian Bach auf. Am 9.9.1944 fand ein Gemeinschaftskonzert des Reichs-Bruckner-Orchesters unter Georg Ludwig Jochum und des Bruckner-Chores St. Florian im Arkadenhof des Landhauses in Linz statt. Ein letztes Konzert gab der Chor in seiner ursprünglichen Formation am 17.9.1944 im Kaufmännischen Vereinshaus in Linz. Ende September wurden wie auch einige Musiker des Reichs-Bruckner-Orchesters 13 Chorsänger zur Wehrmacht eingezogen. Die übrigen sowohl männlichen als auch weiblichen Chormitglieder waren für die Arbeit in einem Rüstungsbetrieb vorgesehen. Trotzdem konnte Schneider, der regelmäßig Orgelkonzerte in der Stiftskirche St. Florian veranstaltete, mit dem Chor in der Freizeit weiterproben und bei Veranstaltungen wie Adventfeiern oder Volksliederabenden mitwirken. Schneider verließ schließlich Österreich und begann am 1.8.1945 in St. Markus in München als Organist und Kantor. Die Leitung des Bruckner-Chores St. Florian, der im Sommer 1945 aus 34 Mitgliedern bestand, übernahm indes Chormitglied Walter Kretschmar (Tenor), bis sich der Chor vermutlich bereits im September 1945 auflöste.

Literatur

ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.11.2017

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