Mader, Raoul Maria (eigentl. Rudolph Maximilian Maria)

* 26.6.1856 Pressburg/Ungarn (Bratislava/SK), † 16.10.1940 Budapest/H. Komponist und Kapellmeister.

Die ersten musikalischen Ausbildungsschritte des Sohnes eines Normalschullehrers sind nicht eindeutig belegt, fanden aber vermutlich bereits in seiner Heimatstadt statt. Mader studierte zunächst Philosophie, Geschichte und Pädagogik an der philosophischen Fakultät (1874–1876) der Universität Wien, ehe er für ein Studium der Rechtswissenschaften an die juridische Fakultät (1876–1879) wechselte. Bereits 1876 während seines Universitätsstudiums sind erste Kompositionen unter dem Namen Raoul Mader nachweisbar. 1877–1881 studierte Mader Klavier bei Wilhelm Schenner und Hans Schmitt (1835–1907), Komposition bei Franz Krenn sowie im Studienjahr 1877/78 Harmonielehre bei Bruckner am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Nach Abschluss des Konservatoriums jeweils mit 1. Preisen im Fach Klavier (1880) sowie Komposition (Diplom 1881, Preis geteilt mit Hans Fink [1859–1905]) wurde Mader Eduard Schütts (1856–1933) Stellvertreter als künstlerischer Leiter des Wiener Akademischen Wagner-Vereins. 1882–1895 war Mader in der Nachfolge von Johann Paumgartner als Solokorrepetitor an der Wiener Hofoper tätig. Lehrtätigkeit übte Mader ab ca. 1883 als Hauslehrer der Familie von Erzherzog Karl Ludwig sowie 1884–1895 als Professor für Klavier am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde aus. 1890 wurde Mader zum Chormeister (Vorgänger: Hermann Graedener [1844–1929], Nachfolger: Josef Neubauer [ca. 1863–1946]) des Wiener Akademischen Gesangvereins ernannt. Mit der Anstellung als Kapellmeister (1901–1907 zudem Direktor) am Königlich Ungarischen Opernhaus übersiedelte Mader 1895 nach Budapest. Mit der Spielzeit 1907/08 wurde Mader Pächter und Leiter des Budapester Volkstheaters, das er zur Komischen Oper umwandelte. In den Folgejahren gab es vermehrt Gerüchte über mögliche Anstellungen an verschiedenen Opernhäusern, so 1907 als Substitut Gustav Mahlers an der Wiener Hofoper, 1908 als Intendant des königlichen ungarischen Hoftheaters, 1910 als Wiener Hofkapellmeister sowie als Nachfolger Angelo Neumanns (1838–1910) am Prager deutschen Theater. Zwischen 1910 und 1917 lebte Mader zeitweise in Budapest und Mödling, ehe er 1917–1919 die Leitung der Wiener Volksoper übernahm. Bereits 1914 im Gespräch, folgte 1921–1924 sowie provisorisch 1925 ein erneutes Engagement als Leiter der ungarischen Hofoper. Nach 1925 lebte er weiterhin in Budapest.

Ob Mader bereits während seines Studiums an der Universität Wien Bruckners Vorlesungen besuchte, ist nicht belegt, jedoch finden sich in den ihm zugeordneten Inskriptionsformularen („Nationale“) für die Dauer seiner Studienzeit keine Anmeldungen zu Bruckners oder sonstigen musikbezogenen Lehrveranstaltungen. Am Konservatorium zählte Mader zu Bruckners Schülern (im gleichen Schuljahr, wenngleich in anderen Fächern u. a. Josef Schalk, Ferdiand Löwe, Hans Rott und Rudolf Krzyzanowski), wurde jedoch laut Jahresbericht des Konservatoriums nicht als herausragender Schüler geführt. Mit Blick auf Maders weitere Tätigkeit innerhalb des Wiener Akademischen Wagner-Vereins ist eine nähere Bekanntschaft zu Bruckner anzunehmen. Nichtsdestotrotz sind bisher keine Belege überliefert, dass Mader zum inneren Freundeskreis Bruckners zu zählen ist. Erst während seiner Tätigkeit im Wiener Akademischen Gesangverein wird Mader zum Bruckner-Dirigenten. Zunächst dürfte Mader in die Proben zur Uraufführung des Männerchores Träumen und Wachen eingebunden gewesen sein, den Bruckner anlässlich der am 15.1.1891 stattfindenden Grillparzer-Feier komponiert hatte. Trotz – oder möglicherweise aufgrund von – Bruckners großer Nervosität während der Uraufführung wurde der Chor im Rahmen des II. satzungsmäßigen Vereinskonzertes am 4.3.1891 im Großen Musikvereinsaal unter Maders Leitung nochmals aufgeführt. Das Tenor-Solo übernahm wie bereits bei der Uraufführung Franz Schaumann. Die Rezensionen – in Lager geteilt – bewerten die Aufführung unterschiedlich: Der Rezensent der Österreichischen Volkszeitung berichtet: „Es scheint uns, als ob der Verein nicht stark genug wäre, um mächtige Kompositionen, wie z. B. Bruckner’s ‚Träumen und Wachen‘ (welches für die Grillparzer-Feier an der Universität komponi[e]rt wurde und dem Rektor Dr. Hartel gewidmet ist) in einem großen Saale zur Geltung zu bringen. Auch störte die Aufdringlichkeit einzelner Stimmen. […] Das Solo der letztgenannten Komposition trug Herr Schaumann mit etwas gepreßter Stimme vor.“ (Österreichische Volkszeitung 12.3.1891, Nr. 70, S. 4), während Hans Puchstein und Josef Stolzing (1869–1942) die Aufführung jeweils lobten: „Stürmisch wurde der wundervolle zur Grillparzer-Feier von Meister Bruckner componirte Chor ‚Träumen und Wachen‘ bejubelt und mußte wiederholt werden.“ (Ostdeutsche Rundschau 8.3.1891, S. 5) sowie „Die Zierde des Concertes war aber die Schlußabtheilung, die […] lauter Schlager brachte“ (Deutsches Volksblatt 5.4.1891, S. 3).

Im gleichen Jahr folgte am 11.12.1891 anlässlich des Festkommerses zur Ernennung Bruckners zum Ehrendoktor der Universität Wien im Sophiensaal die Aufführung der Chorballade Germanenzug durch den Wiener Akademischen Gesangverein unter Maders Leitung. Eine weitere Aufführung der Chorballade fand im Rahmen der Frühlingsliedertafel des Vereins im Wiener Volksgarten am 28.5.1892 zusammen mit der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 2 unter Anwesenheit Bruckners statt. Max Dietz (1857–1928) attestiert den Mitwirkenden: „Die Chöre waren sorgfältig studirt und wurden unter der trefflichen Leitung Raoul Mader’s frisch und froh abgesungen.“ (Allgemeine Kunst-Chronik, S. 286). Wenig zuvor am 27.3.1892 führte Mader im II. satzungsmäßigen Konzert des Wiener Akademischen Gesangvereins im Großen Musikvereinssaal das Ave Maria (WAB 6) auf. Komposition und Dirigat wurden von Eduard Hanslick wie folgt bewertet: „Nach Bruckner’s bekanntem Ave Maria, einem in Klang und Form schönen Gesangsstück, wurde ein Chor von Grieg gesungen […] Sämmtliche Chöre der ersten Abtheilung dirigi[e]rte der für den Verein eifrigst thätige und tüchtige Chormeister Herr Raoul Mader“ (Neue Freie Presse, S. 1).

Eine weitere Auftragskomposition, um die Bruckner vom stellvertretenden Vereinsvorstand Karl Lorenz (ca. 1867–?) gebeten wurde, fand wiederum durch Mader seine Uraufführung. Während des 1. deutsch-akademischen Sängerfestes in Salzburg führte der Wiener Akademische Gesangverein gemeinsam mit allen weiteren anwesenden Gesangvereinen unter Maders Leitung den Männerchor Das deutsche Lied am 5.6.1892 in der Aula academica auf.

Betreffend die Proben für die Uraufführung des Männerchores Tafellied berichtet Göllerich-Auer von Differenzen zwischen Komponist und Dirigent, sich auf ein dem Werk angemessenes Tempo zu einigen. Die entsprechende Aufführung im Großen Musikvereinssaal unter Maders Leitung folgte im Rahmen des III. satzungsmäßigen Vereinskonzertes am 11.3.1893. Möglicherweise in Kenntnis des Disputs bezüglich des Tempos rezensiert Theodor Helm die Aufführung wie folgt: „Übrigens hätte man nach dem ruhig fortfließenden Charakter der Musik eher auf das frommempfundene ‚Kyrie‘ einer Landmesse schließen können, als auf ein flottes ‚TafeI-Lied‘, wie es uns im Concerte der offenbar neu-unterlegte Text glauben machen wollte. Sei dem, wie immer, das ‚Tafel-Lied’ gefiel, und es wurde sogar dessen letzte Strophe pietätvoll wiederholt.“ (zit. nach Göll.-A. 1, S. 238) sowie ebenfalls der Rezensent des Deutschen Volksblattes: „Bruckners ‚Tafellied‘, ein ernster, klangschöner Chor, der […] zur ersten Aufführung gelangte, wurde mit einer gewissen Weihe und großer Sorgfalt ausgeführt. […] Ein etwas rascheres Zeitmaß wäre der Tondichtung nach unserer Ansicht entschieden zu Statten gekommen“ (zit. nach Jahresbericht 1892/93, S. 25).

Obwohl Mader während seiner Tätigkeit für den Wiener Akademischen Gesangverein an mehreren Uraufführungen beteiligt war, lässt sich mit Beendigung seines Engagements 1895 weder ein fortgesetzter Kontakt zu Bruckner noch weitere Aufführungen Brucknerscher Werke nachweisen.

Werke
  • Opern (u. a. Der weiße Adler, Die Flüchtlinge)
  • Ballette (Die rothen Schuhe, Wiener Legende, Szerelmi kaland, Mályvácska királykisasszony)
  • Operetten (u. a. Das Garnisionsmädel, Primadonnák, A nagymama)
  • Chorwerke (auch mit Orchesterbegleitung, u. a. Mondnacht, Minneweise, Liebesklage, Aufbruch, Am Lager, Burschenliebe, Altdeutsche Minnelieder, Landsknechtständchen)
  • Lieder (u. a. Am Wocken, Verliebt, Es wandern die Gedanken)
Literatur
  • Jahresbericht des Wiener Akademischen Gesangvereines über das zweiunddreissigste Vereinsjahr [1889/90], Wien 1890. S. 12 und 26
  • Neue Freie Presse 15.1.1891, Abendausgabe, S. 3
  • Josef Stolzing, Concerte, in: Ostdeutsche Rundschau 8.3.1891, S. 5
  • Hans Puchstein, Aus unseren Gesangsvereinen, in: Deutsches Volksblatt 5.4.1891, S. 1–3
  • Österreichische Volkszeitung 12.3.1891, Nr. 70, S. 4
  • Jahresbericht des Wiener Akademischen Gesangvereines über das dreiunddreissigste Vereinsjahr [1890/91], Wien 1891. S. 26ff. und 60f.
  • Max Dietz, Konzerte, in: Allgemeine Kunst-Chronik 16 (1892), Nr. 12, S. 286
  • Eduard Hanslick, Concerte, in: Neue Freie Presse 6.4.1892, S. 1
  • Prager Tagblatt 8.6.1892, S. 6f.
  • Jahresbericht des Wiener Akademischen Gesangvereines über das vierunddreissigste Vereinsjahr [1891/92], Wien 1892. S. 26–36, 52f. und 107–111
  • Jahresbericht des Wiener Akademischen Gesangvereines über das fünfunddreissigste Vereinsjahr [1892/93], Wien 1893. S. 26–36, 52f. und 107–111
  • Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 237f.; 4/3, S. 131 f.
  • Christian Fastl, Art. „Mader, Raoul Maria (eig. Rudolph Maximilian Maria)“, in: www.musiklexikon.ac.at [15.1.2022]
  • ABCD

CLEMENS GUBSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 15.1.2022

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Normdaten (GND)

Mader, Raoul Maria (eigentl. Rudolph Maximilian Maria): 130237531

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