Liszt, Familie

Franz (Ferenc): * 22.10.1811 Raiding/Ungarn (Raiding, Burgenland/A), † 31.7.1886 Bayreuth, Bayern/D. Komponist, Pianist.
Er ließ sich nach seiner Laufbahn als pianistisches Wunderkind und einer beispiellosen Virtuosenkarriere, die ihn von Paris aus durch ganz Europa führte, 1848 als Hofkapellmeister in Weimar nieder, wo er durch sein kompositorisches und schriftstellerisches Wirken sowie sein Eintreten für Richard Wagner und Hector Berlioz zu einer der Gründerfiguren der später so benannten Neudeutschen Schule wurde. Auch nach seinem Weggang aus Weimar (1861) behielt Liszt seinen Nimbus als Komponist, Klavierpädagoge und herausragende musikalische Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts. Während seiner häufigen Wiener Aufenthalte logierte Liszt in der Wohnung seines Onkels Eduard im Schottenhof (1. Bezirk).

Bruckner soll laut Biografie von August Göllerich (er war auch Schüler Liszts) und Max Auer schon bei Ignaz Dorn in Linz die Partitur von Liszts Faust-Symphonie studiert haben, die er „wegen ihres kolossalen Aufbaues“, der „kühnen Harmonik und glänzenden Instrumentation“ liebte (Göll.-A. 4/2, S. 168). Beim Ungarischen Sängerfest in Pest (Budapest) 1865 – anlässlich der Aufführung von Liszts Oratorium Die Legende von der heiligen Elisabeth – soll Bruckner ihm erstmals vorgestellt worden sein.

In seinen zahllosen ministeriellen Eingaben berief sich Bruckner wiederholt unter anderem auf die Wertschätzung Liszts, so beispielsweise 1873 an den Österreichischen Reichsrat: „So erhielt er von Abbe Liszt sowo[h]l, als unlängst auch von Richard Wagner, der nach genauer Prüfung als höchsten Beweis von der Qualität des Werkes die Dedication desselben mit großem Vergnügen entgegennahm, (neueste Symphonie in D moll) die größten Auszeichnungen.“ (Briefe I, 731109). Ein Schreiben Liszts an Bruckner vom März 1880 legt nahe, dass er in Musikerkreisen auf Bruckners Dritte Symphonie hinwies: „Mit Interesse habe ich die Partitur Ihrer D moll Symphonie gelesen, und werde nicht versäumen die Aufführung dieses sehr bemerkenswerthen Werkes, den mir befreundeten Concert Dirigenten, angelegentlich zu empfehlen.“ (Briefe I, 800330).

Nachdem die Widmung der Zweiten Symphonie an die Wiener Philharmoniker 1873 nicht zustande kam, widmete sie Bruckner 1884 Liszt. Dieser stieg vom 20.–24.4.1884 anlässlich der Wiener Erstaufführung der Symphonischen Dichtung Tasso. Lamento e trionfo (deren Inhalt Bruckner auf sein eigenes Künstlerschicksal bezog; Göll.-A. 4/2, S. 166ff.) wie so oft in der Wohnung seines Onkels ab. In diesen Apriltagen überbrachte Bruckner Franz Liszt eine Partitur-Abschrift der Symphonie mit der Bitte, ihm das Werk widmen zu dürfen (Widmungsträger). Liszt nahm bei seiner Abreise nach Weimar die Partitur nicht mit, sondern ließ sie in der Wohnung im Schottenhof liegen. Bei seinem nächsten Wien-Aufenthalt (28./29.10.1884) schrieb er an Bruckner einen freundlichen, aber konventionellen Brief, nahm aber die „interessante Lectüre“ (Briefe I, 841029/1) bei seiner Abreise – diesmal nach Budapest ‒ erneut nicht mit. Ein Jahr später entdeckte Bruckner seine Partitur durch Zufall im Schottenhof. Verärgert und gekränkt verzichtete er bei der Drucklegung auf die geplante Widmung an Liszt (sie hatte ursprünglich gelautet: „Dem Meister Franz Liszt in innigster Verehrung. Anton Bruckner“).

Trotz allem scheint Liszt Bruckner ferner gestanden zu sein als Wagner und Bruckners Verständnis für Liszts Werke dürften auf das rein Musikalische beschränkt gewesen sein. Die Idee der Symphonischen Dichtung, d. h. dass „eine poetische Idee die formale Anlage eines Kunstwerkes bestimmen könne“ (Göll.-A. 4/2, S. 168), blieb ihm zeitlebens fremd. Darüber hinaus dürften ihm die meisten Werke Liszts, da sie in Wien nicht aufgeführt wurden, unbekannt geblieben sein. Von den Orgelwerken kannte er nur die Fuge über B-A-C-H, die großen Messen schätzte er sehr. Aus einer Bemerkung gegenüber Franz Ludwig Marschner zu schließen, ging ihm in Liszts Werken auch das „Kontrapunktische“ ab (Göll.-A. 4/2, S. 168).

Umgekehrt ist es Göllerich nach eigener Aussage auch nie gelungen, Liszt für Bruckner zu interessieren: Dem „überfeinerten Kosmopoliten“ sei es nicht möglich gewesen, seine persönliche Abneigung gegen Bruckner zu überwinden (Göll.-A. 4/2, S. 167).

Bruckner war 1886 einer der letzten Trauergäste am offenen Grab Liszts in Bayreuth und improvisierte dort am 4.8.1886 bei dem in der katholischen Stadtpfarrkirche abgehaltenen Requiem auf Wunsch Cosima Wagners an der Orgel über Themen aus Wagners Parsifal.

Werke
  • Geistliche Musik (Oratorien, Messen, Hymnen, Psalmvertonungen)
  • Opern
  • Symphonische Dichtungen
  • Kammermusik
  • Klaviermusik
  • Lieder
Schriften
  • Zahlreiche Aufsätze zu Komponisten, Musikwerken und zum Musikleben, in: Gazette musicale de Paris, Revue et Gazette musicale de Paris, Neue Zeitschrift für Musik
Literatur

Sein Onkel
Eduard (Ritter von): * 31.1.1817 Margarethen am Moos, Niederösterreich/A, † 8.2.1879 Wien/A. Jurist.
Obwohl sechs Jahre jünger als Franz Liszt, war er doch dessen Onkel; er stammte aus der 2. Ehe seines Vaters Georg Adam, sein 41 Jahre älterer Bruder Adam (1776–1827), der Vater Franz Liszts, aus der 1. Ehe. Da Franz und Eduard ihr gleichsam „umgekehrtes“ Onkel-Neffe-Verhältnis komisch erschien, einigten sie sich auf die Anrede „Cousin“.

Eduard Liszt studierte Jus, trat 1842 in das Kriminalgericht Wien ein, arbeitete an der Reorganisation der Staatsanwaltschaft und der Strafanstalten mit und führte die neue Strafprozessordnung ein. Schließlich wurde er Generalprokurator.

Franz Liszt bat anlässlich des Empfangs der Niederen Weihen 1865, den ihm 1859 verliehenen erblichen Adelstitel seinem Onkel zu übertragen. Eduard Liszt hatte aus 1. Ehe mit Karoline (* 27.1.1827 Cilli/Steiermark [Celje/SLO], † 4.10.1854 Wien) drei (Franz Eduard, die früh verstorbene Karoline sowie Marie) und aus 2. Ehe mit Henriette (* 30.5.1825 Neugedein/Westböhmen [Kdynĕ/CZ], † 2.11.1920 Wien) ebenfalls drei Kinder (die früh verstorbene Henriette, Hedwig und Eduard d. J.). Eduard d. J. (* 13.3.1867 Wien/A, † 25.7.1961 Wien) war ebenfalls Jurist und übernahm die Wiener Wohnung des Vaters im Schottenhof, wo Bruckner 1884 bei Franz Liszt wegen der Widmung der Zweiten Symphonie vorstellig wurde.

Literatur

ELISABETH MAIER, GERHARD J. WINKLER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 11.7.2019

Medien

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Abbildungen

Abbildung 1: Franz Liszt, in: Neue Zeitschrift für Musik 72 (1905) H. 22/23, S. 77

Abbildung 2: Liszt-Brief, in: Neue Zeitschrift für Musik 57 (1890) H. 25, S. 289

Normdaten (GND)

Liszt, Eduard (Ritter von): 136768148

Liszt, Franz (Ferenc): 118573527

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft