Wöss, Ehepaar
Kurt: * 2.5.1914 Linz, Oberösterreich/A, † 4.12.1987 Dresden, Sachsen/D. Dirigent.
Er wuchs in Zeillern auf, nach Schulbesuch in Graz studierte er bis 1938 an der Wiener Staatsakademie (heute Universität) für Musik und darstellende Kunst Komposition (Max Springer [1877–1954] und Joseph Marx [1882–1964]), Violine (Ernst Moravec [1894–1980]) und Dirigieren (Privatschüler von Felix Weingartner) sowie Musikwissenschaft an der Universität Wien (Robert Haas, Robert Lach [1874–1958], Alfred Orel und Egon Wellesz). Seit 1936 dirigierte er in Wien schon kleinere Orchester, 1938 wurde er Leiter einer Zweigschule der Musikschule der Stadt Wien, im selben Jahr leitete er die Orchesterklasse der Reichshochschule für Musik (1938–1945 Name der Staatsakademie). 1938–1940 leitete er Konzerte des Reichsstudentenorchesters und des N. S. Wiener Tonkünstlerorchesters (später Gausymphonieorchester Niederdonau). 1942 wurde Wöss, seit 1938 NSDAP-Mitglied (Nationalsozialismus), zur Wehrmacht eingezogen, nach Kriegsende 1945 aus allen Funktionen entlassen. 1948/49–1951 war er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. 1951–1954 wirkte er in Tokio als Leiter des NHK (Nippon Hōsō Kyōkai)-Sinfonieorchesters und Lehrer an der Musikhochschule als Pionier von Aufführungen europäischer Musik in Japan. 1956–1960 dirigierte Wöss in Melbourne und an der Australischen Nationaloper, 1961–1968 war er Operndirektor am Landestheater Linz und 1967–1975 Chefdirigent des bis dahin als Theater- und Symphonieorchester auftretenden Bruckner Orchesters Linz (am 13.10.1966 hatte unter Wöss‘ Leitung das erste Konzert unter dem neuen Namen mit Bruckners Dritter Symphonie stattgefunden, bis 1979 folgten 53 weitere von Wöss dirigierte Konzerte mit Werken Bruckners). Ab 1974 wirkte er regelmäßig international (wieder in Tokio), besonders auch als hervorragender Orchestererzieher, und leitete daneben bis 1987 sehr häufig das Wiener Johann Strauß Orchester, u. a. auf ausgedehnten Gastspielreisen.
Bei seinem umfangreichen Repertoire legte er besonderes Augenmerk auf die Werke von Bruckner und Johann Strauss (Sohn). 1939–1986 dirigierte er u. a. 16 Bruckner-Konzerte mit den Wiener Symphonikern, am Anfang bzw. Ende jeweils die Vierte Symphonie, die ihm schon als 21-Jährigem mit einem Studentenorchester anvertraut worden war und ihn bis zuletzt beschäftigen sollte: Er starb am Beginn einer Probe dieses Werkes mit der Dresdner Philharmonie am Dirigentenpult.
Seine Überlegungen zur Interpretation der Bruckner-Symphonien veröffentlichte er 1974, des Weiteren 1983 u. a. eine genaue Liste seiner bis dahin 190 Bruckner-Aufführungen zwischen 1939 und 1984, wobei er für die Jahre in Japan und Australien (1952–1959) nur angab, „fast alle Bruckner-Symphonien aufgeführt“ zu haben (IBG-Mitteilungsblatt Nr. 23 [August 1983], S. 19–24). Er leistete weltweit (Orchester‑)„Erziehungsarbeit größter Intensität“ (Nowak, S. 6) und erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. Anton-Bruckner-Interpretationspreis).
An Aufnahmen Bruckner‘scher Werke unter Wöss, meist Konzert-Mitschnitte, sind nur wenige überliefert und derzeit (April 2019) nicht im Handel. In Archiven bzw. Privatbesitz sind zu finden: die Uraufführung der Fassung 1874 der Vierten Symphonie (nach NGA IV/1) mit den Münchner Philharmonikern am 20.9.1975 (Brucknerhaus Linz: LP 2/12430–315 sowie als CD-Beilage bei Zwol), die Neunte mit dem Wiener Tonkünstler-Orchester (Lucky Ball LB 0010 S).
Schriften
- Ratschläge zur Aufführung der Symphonien Anton Bruckners. Linz 1974
- Als ich zu dirigieren vergaß … und andere Erlebnisse eines weltreisenden Dirigenten. Wien 1983
- Orchestertechnische Probleme, in: Bruckner-Symposion 1982Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. „Bruckner-Interpretation“. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1982. 16.–19. September 1982. Bericht. Linz 1983, S. 59ff.
- Erfahrungen und Erlebnisse als Bruckner-Dirigent, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 23 (August 1983), S. 17–24
Margareta (geb. Gnad): * 8.6.1921 Wien/A, † 25.12.1999 Wien. Musikwissenschaftlerin und -managerin.
Sie durchlief ihre Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien und an der Wiener Musikakademie (Klavier und Cembalo bei Bruno Seidlhofer [1905–1982]) sowie an der Universität Wien (u. a. Musikwissenschaft bei Erich Schenk [1902–1974], Robert Haas, Alfred Orel und Leopold Nowak; Dr. phil. 1947). Zunächst war sie Assistentin am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien, 1951–1954 Dozentin für Germanistik und Musikwissenschaft an der Universität Tokio und danach als Musikschriftstellerin und -kritikerin tätig. 1962–1986 war sie als Leiterin der Musikdirektion der Stadt Linz auch für das Management des 1974 eröffneten Linzer Brucknerhauses verantwortlich.
Schriften
- Heinrich Esser. Eine Darstellung seines Lebens und Wirkens als Dirigent unter besonderer Berücksichtigung seiner Beziehung zu Richard Wagner. Diss. Wien 1947
- Die Brucknerhaus-Orgel in Linz. Linz 1974
Literatur
- Leopold Nowak, Kurt Wöss. 2. Mai 1914 – 4. Dezember 1987. Ein Leben für Anton Bruckner, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 30 (Juni 1988), S. 5f.
- Cornelis van Zwol, Anton Bruckner 1824–1896. Leven en werken. Bussum 2012, CD-Beilage
- Fred K. Prieberg, Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Auprès des Zombry ²2009 [CD-ROM], S. 8458f.
- Barbara Boisits, Art. „Wöss, Ehepaar“, in: www.musiklexikon.ac.at [2.5.2019]
- www.abruckner.com/ [2.5.2019]