Herbeck, Johann (Ritter von)

* 25.12.1831 Wien/A, † 28.10.1877 Wien. Dirigent und Komponist.

Sohn eines Schneiders. Sein Großvater mütterlicherseits, Johann Georg Triebensee (1746–1813), war 1787–1807 Oboist der Hofmusikkapelle, sein Onkel, Joseph Triebensee (1772–1846), u. a. Theaterkapellmeister in Brünn und Prag. 1843 wurde Herbeck als Sängerknabe im Stift Heiligenkreuz aufgenommen, nahm Klavierunterricht bei Ferdinand Borschitzky (1803–1889) und Kompositionsunterricht bei Ludwig Rotter. Nach abgebrochenen Studien an der Universität Wien (Philosophie, Jus) begann er 1852/53 als Chorregent an der Wiener Piaristenkirche seine Berufslaufbahn als Musiker. 1856–1866 Chormeister des Wiener Männergesang-Vereins, 1859–1870 und 1875–1877 Konzertdirektor (Artistischer Direktor) der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1863 Vizehofkapellmeister, 1866 erster Hofkapellmeister, 1870–1875 Direktor der Wiener Hofoper; u. a. Ehrenmitglied des Wiener Akademischen Wagner-Vereins und der Liedertafel „Frohsinn“. Als Komponist gehörte er der konservativ-romantischen Richtung seiner Zeit an.

1852 ehelichte er Maria Halstocker (Halstu[c]ker, * 9.2.1819 Újpécs/Ungarn [Peciu Nou/RO], † 21.6.1884 Purkersdorf, Niederösterreich/A). Aus der Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor; Sohn Ludwig veröffentlichte 1885 die erste Biografie über seinen Vater (s. Lit.). Nobilitierung zum Ritter am 5.2.1874.

Bruckner lernte den damaligen Chormeister des Wiener Männergesang-Vereins 1861 beim Nürnberger Sängerfest kennen. Mit dieser Bekanntschaft war Bruckner ein bedeutender Wurf in die Zukunft geglückt, welcher ihn sowohl ans Konservatorium als auch an die Hofkapelle in Wien führen sollte. Entscheidend für die große Wertschätzung, die Herbeck Bruckner entgegenbrachte, war die von Bruckner gewünschte „Reifeprüfung“ zum Lehrer für Harmonielehre und Kontrapunkt, die am 19. und 21.11.1861 in Wien unter Herbecks Vorsitz am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien stattfand. Nach Bruckners beeindruckender Orgelprüfung an der Orgel der Piaristenkirche fiel Herbecks viel zitierter Ausspruch: „Er hätte uns prüfen sollen!“ (Göll.-A. 3/1, S. 117). Bruckner selbst meinte später in Hinblick auf die Prüfung: „Von dort her ließ mich Herbeck nicht mehr aus den Augen“ (Göll.-A. 3/1, S. 117). Im selben Jahr schenkte Herbeck Bruckner „zur freundlichen Erinnerung“ (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian II, S. 266) ein gedrucktes Exemplar von Robert Schumanns Zigeunerleben, das Herbeck für Männerchor mit Klavierbegleitung arrangierte (Hommagen und Widmungen an Bruckner).

Im April 1866 ergab sich für Bruckner die entscheidende Chance, seinen Platz im Wiener Musikleben zu finden, den er vor allem an der Hofmusikkapelle wünschte. Herbeck wurde als Nachfolger von Benedict Randhartinger (1802–1893) zum Hofkapellmeister ernannt und Bruckner richtete hierauf an ihn in einem Gratulationsschreiben (30.4.1866) die Worte: „In Ihre Hände lege ich mein Schicksal u[nd] meine Zukunft! Bitte innigst, retten Sie mich! – sonst bin ich verloren. Jetzt ist der Zeitpunkt Ihres Wirkens, u[nd] Ihrer Macht.“ (Briefe I, 660430). Der tatsächlichen Ernennung zum „Exspektanten“ an der Hofmusikkapelle gingen längere Verhandlungen zwischen Bruckner und Herbeck voraus. Im Rahmen dieser Bemühungen erfolgte am 10.2.1867 die Aufführung der Messe in d-Moll in der Hofburgkapelle unter Herbecks Leitung, Bruckner spielte den Orgelpart. Es war dies die erste nachweisbare Aufführung eines Werkes von Bruckner in Wien. Von Seiten Herbecks galt dies als Vertrauensbeweis und zugleich als Signal, Bruckner gehöre in die Residenzstadt. Der Erfolg war groß und das Obersthofmeisteramt gab eine weitere Messe (Messe in f-Moll) in Auftrag. Herbeck arrangierte für Bruckner auch ein Probespiel vor Obersthofmeister Konstantin Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst an der Orgel der Hofburgkapelle. Bruckners Aufnahme in den Verband der Hofmusikkapelle geschah gezielt im Rahmen von Reformplänen, die Herbeck und Hohenlohe-Schillingsfürst für die traditionsreiche Hofmusikkapelle vorsahen. Er sollte zweifellos als Schlüsselfigur diesen Bestrebungen entgegenkommen und als angesehener Organist für die Hebung des Niveaus der musikalischen Leistungen sowie auch für eine Öffnung der Hofmusikkapelle für die neuen Strömungen der Zeit (Richard Wagner und vor allem Franz Liszt; Neudeutsche Schule) stehen. Aus verschiedenen Gründen scheiterten die Reformpläne jedoch, u. a. auch wegen Bruckner, der trotz massiver Protektion Herbecks das Wohlwollen Hohenlohe-Schillingsfürsts – auch aufgrund seines „ungesellschaftlichen Benehmens“ (Hofmusikkapelle, S. 13) – nicht erlangen konnte. Nachdem sich Bruckner 1868 mehr als ein halbes Jahr nach Simon Sechters Tod noch immer nicht für die frei gewordene Professur für Orgelspiel sowie für Harmonielehre und Kontrapunkt am Wiener Konservatorium beworben hatte, reiste Herbeck nach Linz, um ihm einen Anstoß zu geben. Herbeck sprach zu Bruckner die wirksamen Worten: „Ich kenne Sie genau, Sie sind berufen, gründlichen kontrapunktischen Unterricht zu erteilen.“ (Göll.-A. 3/1, S. 444). Zugleich überbrachte er die Nachricht, dass Bruckner von Seite des k. k. Obersthofmeisteramtes die Hoforganisten-Exspektanz in Aussicht gestellt werde, wenn er die Professur annehme. Bruckners Bedenken, den Schritt nach Wien zu wagen, waren vor allem finanzieller Natur. Durch die plötzlich abverlangte Entscheidung in Panik geraten, schrieb er in einem Brief an Herbeck, er wolle „aus der Welt“ gehen. Herbeck antwortete beruhigend: „Es geht ja Alles gut! Also ruhig Blut! Haben Sie so wenig Vertrauen auf mein gegebenes Wort, daß Sie sich zu so jammervollen Ausbrüchen gedrängt glauben. […] Ihre Sache wird jetzt den unaufhaltsamen, geraden u. günstigen Weg gehen. Niemand kann ihr schaden, höchstens Sie selbst, wenn Sie nämlich an andere Persönlichkeiten ebenfalls so überspannte Briefe richten würden, wie Ihr heute an mich gekommenes Schreiben ist. Also nicht, ,aus der Welt‘, sondern ,in die Welt‘ gehen, keine eines Mannes u. Künstlers Ihres Schlages unwürdige Verzagtheit, Sie haben keine Ursache dazu.“ (Briefe I, 680620/3).

Nachdem Bruckner die Professur am Konservatorium in Wien angenommen hatte, richtete Herbeck am 8.8.1868 eine Eingabe an das k. k. Obersthofmeisteramt, mit der „Bitte des Dom-Organisten Anton Bruckner in Linz um Gnädigste Verleihung einer Exspectanz für die Stelle eines Hoforganisten in der k. k. Hofmusikkapelle“ (Hofmusikkapelle, S. 43). Kaiser Franz Joseph I. genehmigte am 4.9.1868 die Aufnahme und Herbeck konnte nur wenige Tage danach eigenhändig das Anstellungsdekret ausstellen (Anstellungen).

Auch in der peinlichen „Affaire“ St. Anna trat Herbeck in Form einer Intervention zugunsten Bruckners bei Unterrichtsminister Karl Anton Franz von Stremayr helfend ein. Als Bruckners Lehrtätigkeit an St. Anna 1873 beendet war und damit empfindliche finanzielle Einbußen für Bruckner entstanden, ermöglichte ihm Herbeck an der Hofmusikkapelle ein zusätzliches Einkommen von 300 fl; mit Bescheid vom 16.6.1875 wurde er zum Vize-Archivar und zum Zweiten Singlehrer ernannt.

Die ständige aktive Fürsorge Herbecks war Bruckner bewusst. In einem Brief an Moritz von Mayfeld schrieb er im November 1871: „Wenn ich Herbeck nicht habe, bin ich vielleicht brotlos.“ (Briefe I, 711102).

Herbeck setzte sich auch mehrfach für Aufführungen von Werken Bruckners ein. Er arrangierte u. a. am 20.2.1876 die Uraufführung der 2. Fassung der Zweiten Symphonie in einem Gesellschaftskonzert und damit die erste Aufführung eines Werkes von Bruckner in diesem angesehenen Konzertzyklus. Über diese Komposition äußerte Herbeck: „Noch habe ich Ihnen keine Complimente gemacht, aber ich sage Ihnen, wenn Brahms im Stande wäre, eine solche Symphonie zu schreiben, dann würde der Saal demolirt vor Applaus.“ (Herbeck, S. 233). Er sah jedoch in Bruckners Werken auch Schwächen und beeinflusste Änderungen und Kürzungen.

Noch kurz vor seinem Tod arrangierte Herbeck eine Aufführung der Dritten Symphonie (2. Fassung). Nachdem die Wiener Philharmoniker erneut Bruckners Werk abgelehnt hatten, ermöglichte Herbecks Intervention, dass eine Aufführung im Rahmen des Gesellschaftskonzertes am 16.12.1877 erfolgte. Nach Herbecks plötzlichem Tod, der Bruckner sehr naheging, entschied der Komponist selbst zu dirigieren, musste jedoch einen großen Misserfolg erfahren.

In den Aufzeichnungen, die Bruckner Herbecks Sohn Ludwig für die Biografie seines Vaters übergeben hatte, berichtete Bruckner: „Er sorgte für mich in der liebreichsten, unvergeßlichsten Weise durch Meß- und Symphonieaufführungen, über welch letztere Werke er sich aufs schmeichelhafteste aussprach.“ (Göll.-A. 4/1, S. 473). Herbecks wohlwollende Förderung und Unterstützung zeigt sich wiederholt in Details des Lebenslaufes oder des Alltags von Bruckner. Obwohl Herbeck sieben Jahre jünger war, nannte Bruckner ihn des Öfteren seinen „zweiten Vater“ (Göll.-A. 4/1, S. 473).

Werke
  • Bühnenmusik
  • 4 Symphonien
  • Messen, Offertorien, Gradualien, Hymnen, Psalmen
  • Kammermusik
  • Chöre
  • Lieder
Literatur

OTTO BIBA, SANDRA FÖGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 15.1.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Musikalisches Wochenblatt 8 (1877) H. 47, S. 641

Normdaten (GND)

Herbeck, Johann (Ritter von): 118549448

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