Luxemburg (Rezeption)

In Luxemburg, Schmelztiegel der deutschen und französischen Kultur, war Bruckner zunächst als Organist bekannt. Anlässlich der Einweihung der Orgel von Merklin & Schütze in Nancy im April 1869 traf Bruckner Heinrich Oberhoffer (1824–1885), Organist der luxemburgischen Kathedrale Unserer Lieben Frau, als sich im benachbarten Lothringen auf der Empore der Basilika St. Epvre eine internationale Starbesetzung zu einem gewichtigen Orgel-Konzert einfand: Bruckner aus Wien, Charles Renaud de Vilbac (1829–1884) aus Paris, Theodor Stern (1803–1886) aus Straßburg (Strasbourg/F) und Oberhoffer. Die Begegnung fand in der Luxemburger Presse gebührend Erwähnung.

Bruckners Symphonik hielt erst mit der Gründung eines Symphonie-Orchesters Einzug ins bescheidene Luxemburger Konzertleben. In Luxemburg 1936 erstmals eine Bruckner-Symphonie aufzuführen war sowohl ein Novum als auch ein mutiges Wagnis, meinte der Musikkritiker Loll Weber (* 1934). Es handelte sich dabei um die Erste, Vierte und Fünfte Symphonie, die vom 1933 gegründeten Orchestre Symphonique de RTL (heute Orchestre Philharmonique du Luxembourg) unter seinem Chefdirigenten Henri Pensis (1900–1958) zur Aufführung gelangten. 1937 spielte das Orchester unter Pensis erstmals die Dritte und Siebente Symphonie.

Im Dritten Reich kam der aus der Pfalz stammende städtische Musikdirektor Hans Herwig (1896–1958) als Bruckner-Interpret an die Spitze des unter den Nationalsozialisten gegründeten städtischen Orchesters. In der Presse erlangte seine Stabführung und Interpretation der Vierten Symphonie Kult-Status. Unter seiner Leitung erklangen in Luxemburg außerdem Bruckners Neunte Symphonie und der Psalm 150. 1941–1944 war er Direktor des 1906 gegründeten Konservatoriums der Stadt Luxemburg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der aus dem Exil (USA) zurückgekehrte Pensis die vor Kriegsausbruch begonnene Bruckner-Praxis an der Spitze des Orchestre Symphonique de RTL zunächst nicht weiter. Auch der 50. Todestag Bruckners im Jahre 1946 wurde musikalisch nicht begangen. Erst im Juli 1963 studierte das Orchestre Symphonique de RTL die Zweite Symphonie unter Rolf Reinhardt (1927–2006) ein.

Auch wenn verschiedene Gastdirigenten hinsichtlich der Verbreitung der Werke Bruckners eine Rolle spielten, so war ein wichtiger Bruckner-Dirigent zweifelsohne Leopold Hager (* 1935), der die Geschicke des Orchestre Symphonique de RTL von 1981 bis 1996 als Generalmusikdirektor lenkte. Eine der seltenen noch im Archiv existierenden TV-Aufnahmen Bruckner‘scher Werke ist das Te Deum, das anlässlich des 50. Jahrestages des Ausbaus der Luxemburger Kathedrale mit dem Orchestre Symphonique de RTL unter dem aus Salzburg stammenden Hager am 15.7.1983 aufgeführt wurde. Als Solisten fungierten Marjana Lipovšek (* 1946), Mariette Kemmer (* 1953), Stuart Burrows (* 1933) und Ionel Pantea (* 1941). Später war Hager als Gastdirigent des Orchestre Philharmonique du Luxembourg ein gern gesehener Bruckner-Interpret im Großherzogtum. Bruckner-Werke wurden vom diesem Orchester allerdings nie auf CD eingespielt.

Besondere Verdienste in der Rezeptionsgeschichte Bruckners hat der Cercle des Amis d’Anton Bruckner Luxemburg, eine Vereinigung, die Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre sehr aktiv war und bei dem in Baden-Baden arbeitenden Luxemburger Komponisten Jeannot Heinen (1937–2009) sogar eine zeitgenössische Bruckner-Hommage in Auftrag gab: Hommage à Anton Bruckner. Quintett für 2 Violinen, 2 Bratschen und Violoncello (1974–78), op. 88. Vom 22 Seiten umfassenden Werk gibt es einen Mitschnitt eines Konzerts aus dem Jahr 1984 in Tokio durch die Lëtzebuerger Gesellschaft fir Nei Musék. Dieser Bruckner-Freundeskreis organisiert auch einige kammermusikalische Aufführungen im Großherzogtum.

Literatur

MARC JECK

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 14.9.2020

Medien

Kategorien

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft