Seitenstetten, Stift

Im Jahr 1112 gegründetes Kloster der Benediktiner (OSB) mit zugehöriger Klosterschule, dem heutigen öffentlichen Stiftsgymnasium Seitenstetten. Die Marktgemeinde Seitenstetten im Bezirk Amstetten in Niederösterreich wurde erstmals 1109 urkundlich erwähnt. 2019: ca. 3.400 EW.

Bruckner war mehrmals in Seitenstetten zu Besuch. Wir erfahren das aus einem Brief P. Otto Fehringers (1844–1930) vom 2.6.1872, der zumindest während seines Lehramtsstudiums in Wien 1871–1874 mit Bruckner bekannt war und von diesem am 26.5.1872 gebeten wurde, bei einer (in der Literatur unbekannten) Aufführung der Messe in d-Moll mitzuspielen. Näheres über die Besuche Bruckners in Seitenstetten, die der obige Brief erwähnt, ist nicht bekannt. Doch dürfte einer dieser Besuche dem angesehenen Seitenstettner Stiftsorganisten Joseph Anton Pfeiffer (1776–1859) gegolten haben, dem er auch Proben seiner Kompositionen, darunter das Tantum ergo (WAB 43), vorlegte. Pfeiffer stellte ihm „auf sein Ansuchen“ am 1.7.1848 ein Zeugnis aus und nannte ihn darin ein „ächtes musikalisches Genie“, dessen „erprobte, fantasiereiche und mechanische Fertigkeit im Orgelspiele“ (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 43) die vollste Anerkennung verdiene (Orgel).

Aus der späteren Zeit berichten uns einiges die Tagebücher des Primgeigers auf dem Seitenstettner Kirchenchor und äbtlichen Kammerdieners Ludwig Kronawitter (1853–1929). Spätestens seit 1883 pflegte er wie Bruckner jeweils am 27. und 28.8. in St. Florian am Fest des hl. Augustinus teilzunehmen. Dabei kam er sicher 1883, wahrscheinlich aber öfter mit Bruckner ins Gespräch. Am 31.8.1889 reiste Bruckner von Steyr nach Seitenstetten, um den pensionierten Oberlehrer Dominik Dunkl, der auch Klavier unterrichtete, zu besuchen. Bei dieser Zusammenkunft spielte er am Klavier aus seinen Symphonien vor.

Trotz dieser persönlichen Beziehungen setzte die Rezeption von Bruckners Werken in Seitenstetten erst spät ein. Der erste Nachweis dafür ist der Ankauf der Tantum ergo-Vertonungen von 1846 im Jahre 1894. Es wurden fast ausschließlich die kleinen kirchenmusikalischen Werke erworben. Einige Bruckner-Autografe kamen auf Umwegen nach Seitenstetten. So erhielt Kronawitter aus St. Florian ein Doppelblatt mit Bruckners Vorspiel und Fuge in c-Moll vom 15.1.1847 und dessen Aequale (WAB 114), die in der Biografie von August Göllerich und Max Auer 1928 erstmals abgedruckt wurden. Ferner finden sich in der Autografensammlung des P. Joseph Schock (1859–1920) zwei Briefe Bruckners anlässlich des Namenstages seiner Schwester Rosalia (Bruckner, Familie; Briefe II, 890903), verehelichte Hueber, und seines Bruders Ignaz (Briefe II, 930728).

Literatur

BENEDIKT WAGNER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 13.7.2020

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