Zeugnisse

Bruckners Schulzeugnissen und denen von seiner Ausbildung zum Lehrer werden in diesem Artikel die musikalischen Zeugnisse aus Gründen der Anschaulichkeit gegenübergestellt, obwohl zeit- und interessensbedingt gerade bei Bruckner in den ersten Jahren seiner Lehrzeit die Ausbildungswege parallel verliefen.

Zu Pflichtschulbesuch und Lehrerausbildung

Die 1806 erlassene Politische Verfassung der deutschen Schulen in den kaiserl. königl. deutschen Erbstaaten (7. Aufl., Wien 1833), das für einen großen Teil des 19. Jahrhunderts in Österreich maßgebliche Gesetzeswerk für das Pflichtschulwesen, normiert im § 106 (S. 44): „Die Schulzeugnisse sind den Schülern, die derselben zum Übertritte in eine andere Lehranstalt, zur Aufdingung bey einem Handwerke, oder zum Belege eines Gesuches bedürfen, nach dem vorgeschriebenen Formulare […] gewissenhaft [...] auszustellen.“ Bruckner dürfte über die Jahre (1830–1837) des Besuchs der Volksschulen Ansfelden, Hörsching und der in St. Florian (1837–1839) von seinen Lehrern keine Zeugnisse erhalten haben, da keiner der oben genannten Gründe vorlag; auch hat sich nichts dergleichen erhalten. In St. Florian verzeichnete jedoch das in der Volksschule geführte Buch der Ehre und des Fleißes (heute im Stift aufbewahrt) seinen Namen aufgrund der vorzüglichen Leistungen für 1838 an 2. und für 1839 an 1. Stelle.

An die Stelle des Zeugnisses, das die Beherrschung des Lehrstoffes für die drei ersten Klassen der Hauptschulen nachweist und für die Aufnahme in die Präparandie (Lehrerbildungsanstalt) erforderlich war, konnte auch eine entsprechende Prüfung treten; ein Zeugnis hat sich jedenfalls nicht erhalten. Das Zeugnis über den Abschluss der pädagogischen Ausbildung für den Lehrberuf in Linz (16.8.1841) enthält acht „Sehr gut“ und 14 „Gut“ (vgl. Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 21f.), jenes über die Musikfächer (30.7.1841) zwei „Sehr gut“ und – im praktischen Teil, was ihn sehr kränkte (Göll.-A. 1, S. 148) – ein „Gut“ (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 21).

Pfarrer Alois Knauer und Schulmeister Franz Seraph Lehofer (1798–1866) aus Kronstorf bestätigten (jeweils 12.5.1845, Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 26f.) die große Zufriedenheit mit den Leistungen des Schulgehilfen Bruckner im Schul‑ und Kirchendienst und lieferten damit eine Voraussetzung für die Zulassung zur Lehrbefähigungsprüfung. Das Zeugnis über den musikalischen Teil der Prüfung ist sehr gut ausgefallen (24.6.1845, Dom‑ und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 42). Der Zusatz auf dem Abschlusszeugnis von 1841 „Kann als Lehrer in Vorschlag gebracht werden“ (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 23) ist mit 19.8.1845 datiert und belegt die erfolgreiche Absolvierung des pädagogischen Teils dieser schriftlichen und mündlichen Prüfung. Damit war seinerzeit der normale Ausbildungsgang für Volksschullehrer abgeschlossen.

Aus freien Stücken legte Bruckner nach eifrigem Selbststudium die Externistenprüfung über die 1. und 2. „Classe der Unter-Realschule zu Linz“ ab (Zeugnisse 10.5. und 14.9.1850, 25.4. und 30.10.1851, Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 45–48) und erhielt fast nur die Note „Sehr gut“. Diese Dokumente waren eine Voraussetzung für die Hauptschullehrerprüfung (Zeugnis 28.1.1855), bei der Bruckner in allen elf „Lehrgegenständen“ die Note „Sehr gut“ erhielt mit der Folge, dass er „als Lehrer an Hauptschulen besonders empfohlen werden“ (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 48) könne.

Zum Wirken Bruckners als Schullehrer

Die Dienstzeugnisse beim Ausscheiden aus einer Stellung als Schulgehilfe dokumentieren seine vorzüglichen pädagogischen Fähigkeiten und sein tadelloses menschliches Verhalten. Sie stammen von Pfarrer Franz Seraph von Schwinghaimb (Geistliche) und Schulmeister Franz Fuchs in Windhaag (jeweils 19.1.1843, Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 24f.), von Pfarrer Knauer und Schulmeister Lehofer in Kronstorf (25. bzw. 23.9.1845, Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 27f.) sowie von Pfarrer Jodok Stülz von St. Florian (15.12.1855, Dom‑ und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 30f.).

Die Dechanten oder ihre Vertreter waren als Schuldistrikts-Aufseher bei den Visitationen der Schulen angehalten, auch über die Lehrer (Schulmeister) und ihre Gehilfen zu urteilen. Der Inspektionsbericht vom 16.6.1842 von Dechant Josef Leuthäuser hielt für Bruckner an der Windhaager Schule fest: Fleiß und Sitten „sehr groß“ bzw. „sehr gut“. Die Qualifikation der Geschicklichkeit des Anfängers mit „viel“ und die der Art, die Kinder zu behandeln, mit „recht gut“ entspricht einem guten Durchschnitt im Bereich der Gehilfen des Dekanats Freistadt (Zamazal, S. 57, 67). In St. Florian sind für die Jahre 1847–1855 bei Bruckner in allen Belangen nur „Sehr gut“ überliefert. Die Berichte über die Kronstorfer Jahre enthalten keine Benotungen.

Wesentlich für das Verstehen des jungen Bruckner sind das mit „Sittenzeugniß“ überschriebene Dienstzeugnis (6.9.1851) von Pfarrer Stülz, das die ausgezeichneten Leistungen im Schulfach und „sein emsiges Streben nach weiterer Ausbildung im Schulfache und in der Musik“ (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 32) festhält, und die Bestätigung (20.7.1853) über die „seit dem Jahr 1851 öfters aushilfsweise in der Bezirksgerichts Kanzley zu Florian“ (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian I, S. 54) geleisteten Dienste.

Ein Zeugnis über die Lehrtätigkeit als Professor am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (12.10.1871) zeigt, dass er „in ganz vortrefflicher Weise Unterricht erteilt“ (Göll.-A. 4/1, S. 191).

In Zusammenhang mit der „Affaire St. Anna“ (St. Anna) wurde Bruckner von Robert Niedergesäß (1829–1887), dem Direktor der Lehrerinnenbildungsanstalt St. Anna, am 17.10.1871 ein Sittenzeugnis ausgestellt, das Bruckner nicht nur ausgezeichnete Erfolge im Unterricht, sondern auch „streng moralische Haltung“ und „hingebenden Eifer“ attestiert. Bruckner sandte dieses Zeugnis zur Veröffentlichung an die Redaktion der Linzer Tages-Post, die das Zeugnis und den Brief Bruckners (21.10.1871, S. 3) veröffentlichte. Auch der Alpenbote (22.10.1871, S. 6) druckte Bruckners Schreiben ab (Göll.-A. 4/1, S. 184f.).

Zur musikalischen Ausbildung

Bruckners musikalischer Ausbildungsgang stellt ein in der Musikgeschichte wohl einzigartiges Phänomen an Dauer und Intensität dar. Seinem starken Sicherheitsbedürfnis (Persönlichkeit) entsprechend suchte Bruckner auch immer eine schriftliche Bestätigung der erworbenen Kenntnisse durch seine Lehrer oder andere Autoritäten. Ein zusätzlicher Grund für diesen Wunsch nach Absicherung war der Umstand, dass Bruckner während des Studiums bei Simon Sechter, der anstrengendsten Zeit seiner Ausbildung, als beruflich sehr belasteter „Werkstudent“ (er war damals Dom- und Stadtpfarrorganist in Linz) nur die Freizeit seiner Fortbildung widmen konnte und daher offenbar auch durch Zeugnisse seine qualitative Gleichstellung mit hauptberuflichen Kompositionsschülern dokumentieren wollte.

Chronologische Übersicht über die erworbenen „musikalischen“ Zeugnisse

30.7.1841 Zeugnis über Harmonie‑ und Generalbasslehre sowie Orgelspiel von Johann August Dürrnberger
24.6.1845 Zeugnis über die Prüfung (am 29.5.) in Harmonie- und Generalbasslehre, Harmonik, praktischem Orgelspiel, Vokal‑ und Instrumentalmusik sowie Choral‑ und Figural‑Gesang, ausgestellt von Dürrnberger (diesmal „erste Classe mit Vorzug“, Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 42)
2.3.1848 Zeugnis von Anton Kattinger in St. Florian über die Fähigkeiten im Orgelspiel (Dom‑ und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 44)
1.7.1848 Zeugnis von Joseph Anton Pfeiffer (1776–1859), Stiftsorganist in Seitenstetten, über das Orgelspiel (er nennt Bruckner ein „ächtes musikalisches Genie“, Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 43)
9.10.1854 Zeugnis über die Orgelprüfung bei Ignaz Assmayr in Wien (Dom‑ und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 43)
27.4.1855 Zeugnis von Robert Führer über die „gründliche und umfassende Kenntniß in der Harmonie und im Kontrapunkte“ sowie im Orgelspiel (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S 44)
19.12.1855 Zeugnis von Ignaz Traumihler, St. Florian, über das Orgelspiel (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 49f.)
10.7.1858 Zeugnis von Sechter über die Generalbassstudien (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 153)
12.7.1858 Zeugnis von Sechter über Bruckners Präludieren und Themendurchführen (Prüfung an der Orgel der Piaristenkirche in Wien, Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 153)
12.8.1859 Zeugnis von Sechter über die Studien im strengen Satz (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 173)
3.4.1860 Zeugnis von Sechter über die Studien im doppelten, drei‑ und vierfachen Kontrapunkt (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 174)
26.3.1861 Zeugnis von Sechter über die Kenntnisse in Kanon und Fuge (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 184)
22.11.1861 Zeugnis vom Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (theoretische Prüfung am 19.11., Orgelprüfung in der Piaristenkirche am 21.11., Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 195f.)
10.7.1863 Zeugnis von Otto Kitzler über die Studien in Komposition (Kitzler-Studienbuch) und Instrumentation (Dom- und Stadtpfarrorganist, Dokumente, S. 216)
Literatur

ELISABETH MAIER, FRANZ ZAMAZAL

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 22.9.2017

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