Mottl, Felix (Josef)

* 24.8.1856 Unter St. Veit, Niederösterreich/A (heute Wien, 13. Bezirk), † 2.7.1911 München, Bayern/D. Dirigent.

Als Absolvent des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien war Mottl u. a. Student von Joseph Hellmesberger, Felix Otto Dessoff und 1868–1876 Bruckner (Harmonielehre- und Kontrapunktunterricht, Orgel). Er zählt zu den Gründungsmitgliedern des sich auch für Bruckner einsetzenden Wiener Akademischen Wagner-Vereins, in dessen Konzerten er als Pianist und Dirigent auftrat. Außerdem war er als Korrepetitor an der Hofoper tätig. Durch die Vermittlung Hans Richters wurde Mottl 1876 die Mitwirkung an den Vorbereitungen der Festspiele in Bayreuth ermöglicht. 1881–1903 übernahm Mottl als Nachfolger Dessoffs den Kapellmeisterposten am Hoftheater in Karlsruhe, bis 1892 war er auch Dirigent des Philharmonischen Vereins und stieg 1893 zum Generalmusikdirektor auf. Nach einem Engagement an der Metropolitan Opera in New York wurde Mottl 1904 schließlich GMD in München, das durch ihn eine neue Blüte des Musiktheaters erlebte. Zahlreiche Engagements führten ihn nach Großbritannien und Frankreich, darüber hinaus wirkte er 1886–1906 auch als Dirigent der Bayreuther Festspiele. Ferner ist er als Komponist, aber auch als Bearbeiter fremder Werke (Johann Sebastian Bach, Peter Cornelius [1824–1874], Vincenzo Bellini [1801–1835], Christoph Willibald Gluck [1714–1787]) hervorgetreten. Mottl ist zu den bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit zu zählen. Sein Interpretationsstil zeichnete sich durch ursprüngliche Musikalität, Natürlichkeit, kraftvollen Schwung und Wärme, aber bisweilen auch durch seine Vorliebe für langsame und breite Tempi aus.

In seinen Tagebuchaufzeichnungen urteilte Mottl zunächst wenig schmeichelhaft über seinen Lehrer Bruckner. Er stellte eine „originelle Art“ aber auch eine „Bauernschlauheit“ fest. Bruckners Begeisterung für Richard Wagner hielt er für rein äußerlich. „Das Innere von Wagner versteht er nicht. Er ist aufreizend ungebildet!“ (Krienitz, S. 174). Dennoch führte Mottl Werke Bruckners im Rahmen seiner Tätigkeit im Wiener Akademischen Wagner-Verein auf. U. a. interpretierte er 1880 gemeinsam mit Johann Paumgartner einzelne Sätze aus der Vierten Symphonie auf zwei Klavieren. Den Bemühungen Franz Schalks, der 1881 für einige Monate in Karlsruhe als Geiger unter Mottl wirkte, ist es zu verdanken, dass letzterer zu einer Aufführung von Bruckners Vierter bewegt werden konnte. Über die Proben und den Aufführungstag, der am 10.12.1881, zehn Monate nach der Wiener Uraufführung, stattfand, berichtete F. Schalk an seinen Bruder Josef Schalk. Das Orchester konnte den Anforderungen der Symphonie nicht genügen. „Leider will es auch nicht. […] Mottl streicht ungenirt und führt sie eigentlich nur auf, weil er sie unaufgeführt zurückzuschicken sich scheut. Er meint die Sym. hätte große Schwächen.“ (Leibnitz, S. 47). Mottl schien das „Verständnis des Bruckner’schen Genius nicht aufgegangen“ zu sein. „Er dirigirte mit lächelndem Antlitz. Die Tempi machten die zarten Motive zu banalem Gefiedel.“ (Briefe I, 811213, F. Schalk an J. Schalk). Es war dies die erste Aufführung einer Bruckner-Symphonie in Deutschland, jedoch eine gänzlich durchgefallene. „Im ganzen Saale rührten sich kaum ein paar Hände.“ (Briefe I, 811213).

Im Frühjahr 1885 wurde das Adagio der Siebenten Symphonie durch die Vermittlung von Carl Riedel (1827–1888), der das vollständige Werk erfolgreich in Leipzig und München aufgeführt hatte, auf das Programm der 22. Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Karlsruhe gesetzt. Als der Präsident der Versammlung Franz Liszt , der Wagner-Freund Josef Standthartner, dessen Stiefsohn Gustav Schönaich und der Bruckner- und Liszt-Schüler August Stradal den Komponisten über die bevorstehende Aufführung informierten, nahm dieser Kontakt mit Mottl auf. Bruckner konnte im Brief vom 17.4.1885 den Dirigenten mit dem Hinweis, dass es sich bei diesem Adagio um eine Trauermusik zu Ehren Richard Wagners handelt, begeistern und forderte diesen auf, die vorgeschriebenen Wagner-Tuben einzusetzen. Es folgten weitere Briefe, in denen Bruckner Anweisungen hinsichtlich der Tempi und Dynamik gab, aber auch mehrmals, jedoch vergebens, darum bat, das Scherzo der Symphonie mit aufzuführen (Briefe I, 850417/1, 850429/2, 850509). Mottls Dirigat des Adagio am 30.5.1885 in Karlsruhe war schließlich ein großer Erfolg und konnte wesentlich zu Bruckners weiterem Durchbruch beitragen. Als Mottl am 14.4.1886 das Te Deum in einer Fassung mit Klavier anstatt Orchester aufführte, kam es zu einer nachhaltigen Verstimmung zwischen Bruckner und dem Dirigenten. Der gekränkte Komponist schrieb an Mottl, Aufführungen solcher Art zu unterlassen (Briefe I, 860504). Dabei hatte Bruckner selbst das Te Deum am 2.5.1885 in Wien in einer Version mit zwei Klavieren uraufgeführt. Ein Brief Bruckners aus dem Jahr 1893 dokumentiert die bleibende Enttäuschung darüber: „Mein einstiger Schüler u[nd] Freund Mottl gehört unter jene, die mich ganz verlassen haben. Schon ein Jahrzehnt hat er nichts mehr von mir aufgeführt; das Te Deum damals nicht einmal mit Orchester.“ (Briefe II, 930829/2). Erst nach Bruckners Tod widmete sich Mottl, gleich Arthur Nikisch, wieder Aufführungen Bruckner’scher Symphonien; nicht nur in München, sondern auch in Wien. Mit den Wiener Philharmonikern erklangen beispielsweise 1904 die Fünfte und 1905 die Vierte Symphonie unter seiner Leitung. Mottls Tagebuchaufzeichnungen zeigen letztendlich die hohe Wertschätzung, die dieser den Symphonien, aber auch schon zuvor dem Te Deum entgegenbrachte.

Werke
  • Bühnenwerke (u. a. Agnes Bernauer, Pan im Busch)
  • 2 Messen
  • 2 Symphonien
  • Kammermusik
  • Lieder
Literatur

PHILIPP TOMAN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 14.12.2018

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Abbildungen

Abbildung 1: Neue Zeitschrift für Musik 103 (1936) H. 10, S. 1192/2

Normdaten (GND)

Mottl, Felix (Josef): 116942037

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft