Textdichter
Mit wenigen Ausnahmen unterlegte Bruckner seiner Vokalmusik Texte zeitgenössischer Autoren, deren Lebensdaten sich – mehr oder weniger – mit den seinigen überschnitten und deren Werke im Verlauf des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden.
Die meisten der verwendeten Texte wurden von ihm für bestimmte Anlässe vertont, zumeist waren aber bereits die Texte selbst anlassbezogen konzipiert worden. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele der von Bruckner herangezogenen Textdichter lokale Kleinmeister waren, die hauptsächlich durch Auftrags- und Gelegenheitsdichtungen in bescheidenem Maße hervortraten und deren Leben und Dichten kaum sichtbare literarhistorische Spuren hinterlassen hätte, wären ihre dichterischen Erzeugnisse nicht von Bruckner vertont worden. Inspiration ging demnach für Bruckner weniger von der literarischen Qualität der jeweiligen Dichtungen aus, sondern mehr von ihrer Brauchbarkeit für bestimmte zeitgebundene Anlässe oder persönliche Stimmungen. Daher war auch sein Zugang zu den jeweiligen Textinhalten ein direkter: Das geschriebene Wort war sein Ausgangsmaterial und etwaige Fragen nach der Entstehung, Intention oder Mehrdeutigkeit eines kunstvoll gefügten Wortgebildes berührten ihn nicht bzw. konnte oder wollte er nicht wissen; etwa dass August von Platens Mein Herz und deine Stimme sich an den späteren Juristen Eduard Schmidtlein, Platens „Adrast“ bzw. „Guido“ richtete, und nicht an ein weibliches Du, oder dass Heinrich Heine in „Du bist wie eine Blume“ ein schönes, armes Judenmädchen besang, oder sein Frühlingslied ursprünglich nicht als gemüthafter Blumengruß, sondern ironisch-parodistisch endend konzipiert war. Ebenso wenig bekümmerte es Bruckner, dass gerade die Autoren seiner am stärksten dem Deutschnationalismus verpflichteten Lieder jüdischer Abstammung waren.
Eine weitere Frage ist Bruckners Umgang mit seinen Textvorlagen: Es finden sich bald kleinere, bisweilen auch größere Eingriffe, die sich allerdings nur an bekannten, eigenständig gedruckten Texten verifizieren lassen. Vereinzelt zog die musikalische Umsetzung eines Textes grobe Verstöße gegen den reimlichen Gleichklang oder die Metrik nach sich, etwa wenn bei der Ballade Vergißmeinnicht die Reimwörter „Au“ und „blaue“ nicht übereinstimmen oder wenn in Friedrich Wilhelm Traugott Schöpffs Herzeleid das jambische Regelmaß durch die Zeile „Der Lieb‘ entbehren ist kaltes Hassen“ massiv gestört wird. Aber auch inhaltlich finden sich kleinere Zurechtrückungen, wenn etwa das Wörtchen „brünstig“ in Schöpffs Wunsch zu „ewig“ verharmlost oder wenn in Die Geburt durch Weglassung von zwei Strophen, Vereinfachung der fröhlich klingenden erweiterten Reime und Abänderung des ursprünglich zukunftsoptimistischen Schlusses „zieh hin! / Zum seligen Lebens-Beginn!“ der Text zu einem Totenlied umgeformt wird. Im weitesten Sinne dürfte Bruckner – wie später Gustav Mahler – bisweilen Texte auch um- und weitergedichtet haben, ob er allerdings bei seinen zwei Vertonungen von Schöpffs „O habt die Thräne gern“ die Strophe „Ihr mögt die Sonn verstehn / Und habt sie alle gern“ selbst formuliert oder aus einem anderen Kontext eingefügt hat, lässt sich nicht nachvollziehen.
Betrachtet man die wenigen der bekannteren Autoren, so zeigt sich, dass zwischen Publikation und Vertonung zeitlich vermutlich ein eher geringer Abstand lag, da die bekanntesten Gedichtsammlungen des 19. Jahrhunderts zumeist sehr viele Auflagen erfuhren und die Annahme, dass Bruckner jeweils immer nur auf Erstdrucke zurückgegriffen habe, unrealistisch ist. Höhere Auflagenzahlen erfuhren v. a. Autoren wie Franz Grillparzer, Heine, Emanuel Geibel, Platen, Friedrich von Sallet, Robert Prutz, Oskar Freiherr von Redwitz, Joseph Christian Zedlitz u. a.
Die Neuentdeckung des Liedes Der Mondabend von Johann Gottfried Kumpf ist die älteste von Bruckner verwendete Textvorlage aus dem 19. Jahrhundert. Mit dem Text dürfte er über Franz Schuberts Vertonung, die 1815, ein Jahr nach seiner Veröffentlichung entstanden war, bekannt geworden sein.
Bei Bruckner übertrifft die Zahl der Kompositionen geistlicher Vokalmusik bei weitem die der weltlichen, wobei lateinsprachige, liturgiegebundene, den Preis des Herrn oder Mariens verkündende Texte sowie Hymnen fast die Hauptsache des Repertoires ausmachen (Chormusik). Daher ist auch die Zahl der Texte, die auf namentlich bekannte Dichter zurückgeht, eher gering. An erster Stelle sind hier wohl die zehn Vertonungen des Pange lingua (inkl. Tantum ergo) des großen Kirchenlehrers und Heiligen Thomas von Aquin zu nennen. Der lateinische Text In Sanctum Angelum custodem hymnus stammte dagegen von einem Zeitgenossen, von P. Robert Riepl aus Wilhering, der den Text eigens für das Namensfest seines Abtes verfasst hatte. Deutschsprachig sind – außer der 1848 vertonten ersten Strophe (Choral [WAB 17,1-2] „In jener letzten der Nächte“) zu einem 13-strophigen anonymen Passionsgedicht aus dem evangelischen Erbauungsbuch Die heilige Passion, gefeiert in Liedern, Betrachtungen und Gebeten – folgende geistliche Vokalwerke aus den Jahren 1851–1878, die meist für einen besonderen, religiös gefeierten Anlass gedacht waren: Ungefähr aus dem Jahre 1851 stammt der dem romantischen Epos Amaranth von Redwitz entnommene Text für das Chorwerk Entsagen, das als „geistliches Lied“ den Namenstag von Michael Arneth, dem Prälaten von St. Florian, schmücken sollte; 1852 entstanden zwei Totenlieder für seinen Freund Karl Seiberl in St. Marienkirchen, die beide Male auf derselben anonymen Textgrundlage „O ihr, die ihr heut mit mir zu Grabe geht“ basieren; 1854 vertonte er für die Begräbnisfeierlichkeiten von M. Arneth Ernst Marinellis dafür gedichtete Elegie Vor Arneths Grab, deren erste drei Strophen er später – 1861 – zum Choral Am Grabe für das Begräbnis von Josefine Hafferl umformte; 1855 komponierte er eine Namenstagskantate zu einem anonym verfassten Festgesang auf den heiligen Jodok, der für die Namensfeier von Dechant Jodok Stülz von St. Florian gedacht war; 1862 die vom Linzer Bischof in Auftrag gegebene Festkantate zur Grundsteinlegung des Neuen Doms auf den Text des Theologieprofessors Maximilian Pammesberger, der auch bei der architektonisch-künstlerischen Ausgestaltung des Doms eine Rolle spielte; der Trauungs-Chor auf einen Text von Franz Isidor Proschko entstand 1865 und war als geistliche Vokalmusik für die Hochzeit Karl Kerschbaums, Mitglied der Liedertafel „Frohsinn“, mit der Konzertsängerin Maria Schimatschek komponiert worden und 1878 vertonte er für die geplante, aber nicht zustande gekommene Trauungszeremonie seines Hausherren, des Privatgelehrten Baron Anton Oelzelt von Newin d. J., mit Amalie Edler von Wieser das von Heinrich Wallmann stammende Gedicht Zur Vermählungsfeier.
Die Frage, welche der Textdichter von Bruckner selbst gewählt worden waren, wird aufgrund vielfach mangelnder Hinweise nicht restlos zu klären sein. Man kann aber davon ausgehen, dass viele der geistlichen Textvorlagen von den jeweiligen Auftraggebern ausgesucht worden waren. Während die Werke geistlicher Vokalmusik Bruckners gesamte Schaffenszeit begleiten, tritt die weltliche Musik – bedingt durch äußere Umstände – nur in einzelnen Perioden auf, etwa in den 1840er Jahren, in der 1. Hälfte der 1850er Jahre, im Jahrzehnt zwischen 1860 und 1870 und in der 2. Hälfte der 1870er Jahre, danach hingegen nur noch vereinzelt.
Die frühesten weltlichen Vokalmusikwerke Bruckners stammen aus dem Jahre 1843 und vertonen das 8-strophige, von dem Kronstorfer Pfarrer Alois Knauer stammende „Tafellied“ An dem Feste, gewidmet dem Pfarrer Josef Ritter von Peßler von Enns, welches er unter dem Titel Festlied in eine andere Tonart und auf den Text des Salzburger Schulrats P. Ludwig Kraus transponierte. In beiden offenbart sich die Vorstellungswelt des Stiftssängerknaben und späteren Organisten Bruckner, die um Pilgerschaft, Friede, Erde und Himmel kreist, wobei aber auch bereits erstmals „die deutsche Weise“ in Knauers An dem Feste anklingt, die in weiterer Folge immer wieder dezidiert bemüht wird, während er sich mit dem Gedanken der Festesfreude bereits der diesseitigen Welt annähert, der in den ab 1850 häufig werdenden Motti für Männergesangvereine in geraffter und auf den Punkt gebrachter Form weiterklingt. Gegen Ende seines Lebens zu, 1893, transponierte er beide Lieder erneut unter dem Titel Tafellied, diesmal jedoch auf drei von Carl Ptak stammende Achtzeiler. Die Zeit bis zum Beginn der 1850er Jahre füllen verschiedene Anlasswerke, meist auf Texte von Marinelli, etwa das zeitlich nur ungenau einzuordnende Chorwerk „Des Dankes Wort sei mir vergönnt“ für die Freunde in St. Florian, der um 1845 entstandene und Prälat Arneth gewidmete Entwurf für das Klavierlied „Mild wie Bäche“, das vielleicht um 1846 in St. Florian als Chorlied komponierte (allerdings zweifelhafte) Herz Jesu-Lied, das um 1847 in Musik gesetzte, launige, dem Schulmeister Michael Bogner aus St. Florian zum 45. Geburtstag gewidmete Chorlied Der Lehrerstand sowie das um 1848 entstandene Quartett Sternschnuppen.
Mit Marinellis Sternschnuppen kündigt sich bei Bruckner nun eine fallweise Vorliebe für Texte voll romantischer Sehnsucht nach der unendlichen Weite der Natur an, die zumeist mit musikalischen Vorstellungen und unterschwellig bisweilen auch mit erotischen Konnotationen verbunden ist, was aber nicht immer an Bruckners Widmungen erkennbar wird: Das neu aufgefundene Klavierlied auf Kumpfs an ein Mädchen gerichtetes Gedicht Der Mondabend entstand 1850 und war für die sechzehnjährige Aloisia Bogner bestimmt; als Gabe für ihr Namensfest widmete er ihr eine weiteres Klavierlied, nämlich Heines Frühlingslied aus dem Jahre 1851. Das um 1865 entstandene Klavierlied nach Geibels Jugendgedicht Im April war seiner Klavierschülerin Helene Hofmann in Linz gewidmet – offensichtlich noch vor ihrer Heirat; das 1868 ebenfalls als Klavierlied vertonte Gedicht Mein Herz und deine Stimme auf einen Text von Platen war dagegen Pauline Hofmann, der älteren Schwester seiner Klavierschülerin, dediziert. Sowohl vom Inhalt der verwendeten Texte als auch von ihrer Form als Klavierlieder und aufgrund der Widmungen lässt sich bei diesen Beispielen durchaus auf ein gewisses persönliches Anliegen Bruckners schließen. Die meisten Vertonungen dieser – im weitesten Sinne – Naturlyrik waren jedoch Liedertafeln gewidmet und daher mehrstimmig konzipiert: 1861 diente beispielsweise Heines „Du bist wie eine Blume“ auf Bitte von Bruckners Freund Alois Weinwurm als Textvorlage für das Eröffnungskonzert des Männergesang-Vereins „Sängerbund“ in Linz; zweimal, 1862 und 1866, vertonte er Der Abendhimmel (WAB 55) und Der Abendhimmel (WAB 56) von Zedlitz als Männerquartett und 1863 entstand das heute verschollene Chorwerk Zigeuner-Waldlied, dessen Verfasser aufgrund des fehlenden Textes nicht eruierbar ist, Teile davon verwendete Bruckner jedoch später im Mittelteil seines Germanenzugs. Der Liedertafel „Frohsinn“ eignete er zweimal, 1864 und 1886, die Lieder Um Mitternacht (WAB 89) und Um Mitternacht (WAB 90) von Prutz sowie 1864 Sallets Herbstlied und 1869 Joseph Mendelssohns Mitternacht zu. Die 1876 und 1879 komponierten Fassungen zu Wallmanns Das hohe Lied waren für den Wiener Akademischen Gesangverein bestimmt, während Wallmanns Nachruf Bruckner 1877 in Gedenken an seinen verstorbenen Freund Josef Seiberl komponierte. Das Werk wurde vom Männergesang-Verein „Sängerbund“ aufgeführt, allerdings unterlegte 1886 August Seuffert der Musik einen neuen Text unter dem Titel Trösterin Musik für den Wiener Akademischen Gesangsverein. Weitere Vertonungen von Naturlyrik sind dagegen anderen Zwecken gewidmet: der Text des 1856 komponierten Klavierlieds Wie bist du Frühling gut und treu ist eine Kompilation aus Amaranths Waldesliedern von Redwitz und war Prälat Friedrich Mayer von St. Florian gewidmet; das 1864 in Musik gesetzte Klavierlied Herbstkummer des Biologen Matthias Jacob Schleiden, der unter dem Pseudonym Ernst dichtete, enthält dagegen keinerlei Widmung, während das 1878 entstandene Chorlied Abendzauber von Wallmann dem mit Bruckner befreundeten Fabrikanten Carl Almeroth gewidmet ist. Betrachtet man diese von Liebesahnungen bewegten Texte, so ergibt sich, dass nicht nur seine 1850/51 entstandenen Klavierlieder davon geprägt sind, sondern dass Bruckner auch im Verlauf der 1860er Jahre immer wieder zu gefühlsbetonten, bisweilen sogar erotisch angehauchten Texten griff, wie etwa 1861 zu Heines „Du bist wie eine Blume“, 1862 und 1866 erneut zu Zedlitzens Abendhimmel, 1865 zu Geibels Im April, 1868 zu Platens Mein Herz und deine Stimme und 1869 zu Mendelssohns Mitternacht.
Die 1861/62, im Zuge seiner Studien in Harmonie- und Instrumentationslehre beim in Linz tätigen Kapellmeister Otto Kitzler verfertigten Liedentwürfe waren in erster Linie für Übungszwecke gedacht, weisen daher keinerlei Widmungen auf, sondern waren von ihm zweckfrei, vermutlich nach eigenem Geschmack gewählt worden, denn sie zeigen von ihrer Textauswahl her eine gewisse Vorliebe für das gemüthaft Verinnerlichte, Naturhafte und rührselig Gefühlvolle. Die meisten dieser Texte – mit Ausnahme von Julius Mosens Der Trompeter an der Katzbach – gehen auf den lutherischen – wie Kitzler gleichfalls aus Dresden stammenden – Pfarrer Schöpff zurück, dessen Gedichte er möglicherweise sogar über Kitzler kennenlernte – und vermutlich wies ihn Kitzler wohl auch auf das Werk des gleichfalls aus Sachsen stammenden Mosen hin. „O habt die Thräne gern“ vertonte Bruckner zweifach, in der Fassung von 1861 zwei Strophen umfassend (Kitzler-Studienbuch, S. 18), und in der Fassung von 1862, mit vier weiteren Strophen ergänzt, als Lied in Trioform (Kitzler-Studienbuch, S. 42). Von der zweiteiligen Liedform Nachglück gibt es zwei Vertonungen (Kitzler-Studienbuch, S. 19, 21). Gleichfalls 1861 wurden Schöpffs Vierzeiler Herzeleid, das Gedicht Vor der schlummernden Mutter und die als dreiteilige Liedform umgesetzte Des Baches Frühlingsfeier (Kitzler-Studienbuch, S. 20, 22f.) musikalisch umgesetzt, sowie der anonyme Text „Wie neid ich dich, du stolzer Wald“ (Kitzler-Studienbuch, S. 24), und 1862 entstanden drei weitere, jeweils zweiteilige Liedformen auf Schöpffs Texte Last des Herzens, „Es regnet“ und Wunsch (Kitzler-Studienbuch, S. 43, 46f., 47f.).
Um 1850/51 setzte Bruckners Tätigkeit als gesuchter Motto-Komponist für verschiedene Männergesangvereine ein. Auch 1868–1874 kam es zu weiteren Aufträgen dieser Art: Hier wären Marinellis 1851 vertonte Sängersprüche „Ein jubelnd Hoch in Leid und Lust“ und „Lebt wohl, ihr Sangesbrüder“ für die Liedertafel Eferding anzuführen sowie Andreas Mittermayrs „Des Höchsten Preis, des Vaterlandes Ruhm“, das entweder 1850 oder 1868 für die Liedertafel Sierning in Musik gesetzt wurde. 1868 setzte Bruckner für die Liedertafel „Frohsinn“ das von K. Kerschbaum, ihrem Sekretär, gedichtete Motto „Das Frauenherz, die Mannesbrust“ in Musik, 1869 entstanden zwei Motti zu den Vierzeilern „Im Wort und Liede wahr und frei“ und „Wir alle jung und alt“ von Jordan Kajetan Markus, dem Ehrenmitglied der Liedertafel „Frohsinn“ sowie 1874 ein weiteres für den Liederkranz Grein – „Freier Sinn und froher Mut“ – auf den Text eines unbekannten Verfassers.
Die erstmals bereits 1843 in der Vertonung von Knauers An dem Feste anklingende „deutsche Weise“ findet sich in patriotischen Wendungen auch in den Motti wieder – etwa bei Markus, Mittermayr und Kerschbaum – und kulminiert in Bruckners eindeutig deutschnational ausgerichteten Vokalwerken. Um 1851 entstand der Hans Schläger, dem Begründer des Chors von St. Florian, dedizierte Männerchor auf Das Lied vom deutschen Vaterland, eine unbekannte Umdichtung zu Friedrich Schillers (1759–1805) Reiterlied aus dem Revolutionsjahr 1848, das Franz Xaver Müller 1921, für eine Aufführung zum 25. Anniversarium von Bruckners Tod, um drei Strophen erweiterte. Um 1854 komponierte er eine patriotische Festhymne auf Josef Hermann Hillischers „Laßt Jubeltöne laut erklingen“, die ursprünglich von der Liedertafel „Frohsinn“ zur Begrüßung der jungen Elisabeth in Bayern, Kaiser Franz Josephs I. Braut, bei ihrem Einzug in Linz vorgetragen werden sollte. Später, 1898, wurde für eine Veranstaltung des Wiener Schubertbundes dem Festgesang ein Text von Anton August Naaf unterlegt, sowie noch später einer von Anton Weiß. Zwischen 1861 und 1863 ist die Vertonung von Mosens Ballade Der Trompeter an der Katzbach anzusetzen (Kitzler Studienbuch, S. 207–213), in der indirekt Blüchers Sieg über die Napoleonischen Truppen im Jahre 1813 verherrlicht und durch den Heldentod eines Trompeters patriotisch sentimentalisiert wird. 1863/64 entstand Bruckners Kantate zu August Silbersteins nordisch-heroischem Germanenzug für ein Preisausschreiben des Oberösterreichischen Sängerbundes, 1866 dienten erneut nationalpatriotische Texte Silbersteins als Vorlagen für den Niederösterreichischen Sängerbund: Vaterländisches Weinlied und Vaterlandslied. 1882 war vermutlich Wallmanns Sängerbund Textgrundlage für einen Männerchor, der 1890 dann mit einer Textüberarbeitung von K. Kerschbaum unterlegt wurde, sowie Josef Winters Volkslied, das 1881 den ersten Preis bei einem Wettbewerb der Deutschen Zeitung gewonnen hatte, als Hymne für das deutsche Volk in Österreich gedacht war und von Bruckner sowohl als Klavierlied als auch als Männerchor in Musik gesetzt wurde. Zehn Jahre später, 1892, komponierte er für das Erste Deutsche Akademische Sängerfest das Chorwerk Das deutsche Lied (Der deutsche Gesang) auf Worte von Aurelius Polzer und 1893, zum 50. Bestehen des Wiener Männergesang-Vereins, die germanisch-heroische Kantate zu Silbersteins Helgoland.
Seine restlichen Vertonungen beruhen auf Texten, die sich – ebenso wie etliche Beispiele der geistlichen Vokalmusik – konkret auf bestimmte Lebenseinschnitte beziehen und von Bruckner nahestehenden Personen oder solchen, denen er sich erkenntlich zeigen wollte, gewidmet wurden. Die Musik zur von Wilhelm Dobelbauer gedichteten Ballade Vergißmeinnicht war die erste einer Reihe von Namenstags-Kantaten. Sie entstand 1845 in Kronstorf und war als Musikalischer Versuch nach dem Kammer-Styl des jungen Bruckner als Kandidat der „Lehrbefähigungsprüfung“ gedacht, die zweite leicht variierte Version war Knauer gewidmet und die dritte übersandte er mit dem Titel Vergißmeinnicht F. Mayer.
Ungefähr 1846 vertonte er für Männerchor das Ständchen für Theresia Schlager, basierend auf einem Liedentwurf, vermutlich auf dem Text Mild wie Bäche von Marinelli fußend. Hier ist etwa auch Bruckners Vertonung des anonymen Textes Die Geburt von 1851 für J. Seiberl anzuführen – Bruckner vertonte nur die erste und letzte der vier Strophen in leicht abgewandelter Form (vgl. Südteutsche Thalia, enthaltend eine Sammlung der auserlesensten Gesänge teutscher Dichter. Zur Beförderung wahren Frohsinns in Circeln der Freundschaft und Vertraulichkeit. 2. verm. u. verb. Abdruck. Reutlingen–Leipzig 1819, S. 191f.); weiters zwei Vertonungen zu Marinellis Das edle Herz (WAB 65), deren erste Version ungefähr um 1851 für das Namensfest von Johann Nepomuk Paulitsch, einem Mitglied des Chors in St. Florian, entstanden war, während die zweite Version aus dem Jahre 1862 stammt (Das edle Herz [WAB 66]); und natürlich auch die „Arneth-Kantate“ „Heil, Vater! Dir zum hohen Feste“ auf einen Text von Marinelli zum Namenstag des Priors von St. Florian, die in der gekürzten Version auf Marinellis „Auf, Brüder, auf zur frohen Feier“ aus dem Jahre 1857 zum Namenstag von Prälat Mayer gedacht war und ungefähr 1870 nach den Worten „Heil dir zum schönen Erstlingsfeste“ von P. Beda Piringer auch bei einer Primizfeier in Kremsmünster Verwendung fand. Hierher gehört auch Marinellis „Auf, Brüder! auf, und die Saiten zur Hand!“ zum Namenstag von F. Mayer im Jahre 1855 sowie Grillparzers entsagungsvoll mahnendes Träumen und Wachen, das Bruckner zur Hundertjahrfeier von Grillparzers Geburtstag im Jahre 1891 vertonte.
Literatur
- Andrea Harrandt, Bruckner und die Chormusik seiner Zeit, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 51 (1997), H. 3/4, S. 184–195
- Andrea Harrandt, Bruckner and the Liedertafel Tradition: His Secular Music for Male Voices, in: The Choral Journal 37 (1996) H. 5, S. 15–21
- Angela Pachovsky, Anton Bruckners weltliche Chorwerke. Zum Inhalt von Band XXIII/2 der Bruckner-Gesamtausgabe, in: Bruckner-Tagung 1999Elisabeth Maier/Andrea Harrandt/Erich Wolfgang Partsch (Hg.), Bruckner-Tagung Wien 1999. 11.–13. November 1999. Bericht (Bruckner-Vorträge). Wien 2000, S. 35–46
- Sandra Föger, Das Chorwerk Anton Bruckners im oberösterreichischen Chorwesen der Zeit (2003–2013), in: Bruckner-Tagung 2013Andreas Lindner/Klaus Petermayr (Hg.), Bruckner-Tagung Linz 2013. Brucknerland Oberösterreich? – Anton Bruckners Bedeutung für die Gegenwart. Linz, 17. und 18. Oktober 2013. Bericht (Bruckner-Vorträge). Linz 2015, S. 111–146
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