Mauracher, Familie
Die Familie lässt sich bis zu Georg M. (1704–1786), einem Tischler, zurückverfolgen.
Johann Nepomuk Carl: * 26.7.1818 Kapfing, Tirol/A, † 20.11.1884
Seekirchen am Wallersee, Salzburg/A. Orgelbauer.
Entstammte der Fügener Linie der
Familie. Er verlegte die von seinem Vater Karl (1789–1844) übernommene Werkstätte in
Kapfing 1845 zunächst nach Braunau am Inn und 1861 nach Salzburg. In seinem Betrieb baute er ausnahmslos
rein mechanische Orgeln. Das Klangkonzept ist in
den Hauptwerken von einem Prinzipalchor mit mehrchöriger Mixtur und zahlreichen
Charakterstimmen in 8’‑ und 4’‑Lage beherrscht. Im 2. bzw. 3. Manual treten die
Prinzipale in höheren Lagen zugunsten der Solostimmen zurück. Größere Werke stattete
er auch mit Zungenstimmen aus.
In den 1870er Jahren kollaudierte Bruckner drei seiner Orgeln: Am 19.1.1873 (zusammen mit Franz Krenn und Ernst Stoiber [1833–1889]) diejenige in der Stadtpfarrkirche Tulln (II/26), am 21.6.1874 (zusammen mit Krenn) jene in der Pfarrkirche Langenlois (II/18) und am 8.7.1875 (zusammen mit Krenn) jene in der Stadtpfarrkirche Krems (II/34). Nachweislich in Langenlois und Krems und wahrscheinlich ebenso in Tulln gaben Bruckner und Krenn am Tag der Kollaudierung auch ein Einweihungskonzert auf der jeweiligen Orgel.
Sein Sohn
Albert: * 12.3.1858 Braunau am Inn,
Oberösterreich/A, † 2.6.1917 Salzburg, Salzburg/A. Orgelbauer.
Er führte
zunächst die Werkstatt seines Vaters weiter, errichtete dann aber 1886 eine neue
Werkstatt in Salzburg und 1893 eine Zweigstelle in Freilassing.
Die von Johann Nepomuk Carl oder Albert Mauracher 1878 in der Stadtpfarrkirche Vöcklabruck errichtete neue Orgel (II/14), spielte Bruckner in den folgenden Jahren, als er bei seiner Schwester Rosalia zu Besuch war (Bruckner, Familie).
Johann Nepomuk Carls Neffe 3. Grades
Matthäus d. Ä. (eigentl.
Mathias): * 20.7.1818 Zell am Ziller, Tirol/A, † 7.8.1884 Salzburg,
Salzburg/A. Orgelbauer.
Entstammte der Zeller Linie der Familie; sein
Urgroßvater und Johann Nepomuk Carls Großvater waren Halbbrüder gewesen. Er führte
ab 1861 oder 1863 eine Werkstätte in Salzburg. Ab 1878 baute er nach mehrjährigen
Experimenten die von seinem Sohn Josef erfundene Hängeventillade (Röhrenladen mit
hängenden Ventilen und horizontalem Hebelverschluss), die Bruckner besonders
schätzte. Bezüglich seines Klangideals sind in der Dispositionsweise kaum
Unterschiede zu jener von Johann Nepomuk Carl Mauracher zu erkennen. Eine
besondere Intonationsweise ist durch den Verlust oder Umbauten und Veränderungen
seiner Werke nicht mehr fassbar.
Auf der von Matthäus d. Ä. 1866–1868 errichteten Orgel der Salzburger Kollegienkirche (III/32) soll Bruckner laut einem Beitrag im Salzburger Volksblatt vom 7.4.1891 bereits im Winter 1869 einige Fugen gespielt haben. Als er sich wegen der Aufführung seiner Messe in d-Moll am 11.9.1870 im Dom einige Tage in Salzburg aufhielt, gab er am 9. September vormittags ein Konzert auf der Orgel der Kollegienkirche. Laut Göll.-A. (4/3, S. 168) soll Bruckner, als er vom 15.–17.7.1891 wegen des 4. Musikfestes der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg weilte, nach der Aufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem am Vormittag des 15.7.1891 im Dom – in dem 1880–1883 ebenfalls eine neue Orgel (IV/70) von Matthäus d. Ä. erbaut worden war – am Nachmittag desselben Tages an der Orgel der Kollegienkirche über Themen aus diesem Werk improvisiert haben.
1873–1875 baute Matthäus d. Ä. unter der Mitarbeit seiner Söhne die Chrismann-Orgel des Stifts St. Florian grundlegend um. Beim Einweihungskonzert der Orgel (IV/78) am 18.10.1875 spielte Bruckner Toccaten von Johann Sebastian Bach und improvisierte über Georg Friedrich Händels (1685–1759) Hallelujah. Er spielte die Orgel auch bei vielen folgenden Aufenthalten in St. Florian.
Bruckner besuchte auch wiederholt das Stift Kremsmünster, besonders oft ab 1880, und spielte bei diesen Gelegenheiten im Rahmen von Konzerten und Hochämtern auf der von Matthäus d. Ä. 1876–1878 erheblich umgebauten Orgel (IV/60) Ludwig Moosers – u. a. bereits am 18.10.1877 beim Hauptgottesdienst zur 1.100-Jahrfeier des Stifts und 1888 bei den Hochämtern zu Weihnachten.
Auch Kronstorf soll Bruckner in seinen späteren Jahren mehrmals aufgesucht und dort zumindest bei seinem letzten Besuch im Sommer 1894 die von Matthäus d. Ä. 1879 neu errichtete Orgel (II/11) der Pfarrkirche gespielt haben.
Als er am 15.9.1891 an der Hauptversammlung des steirischen Lehrerbundes in Admont teilnahm, gab er gemeinsam mit dem Stiftsorganisten P. Viktorian Berger (1855–1914) für seine Lehrerkollegen nachmittags ein Konzert auf der Stiftsorgel (III/42), die 1870–1872 von Matthäus d. Ä. erbaut worden war.
Seine Söhne
Josef: * 2.2.1845 Zell am Ziller, Tirol/A,
† 5.2.1907 St. Florian, Oberösterreich/A. Orgelbauer.
Er gründete 1880 eine
eigene Werkstätte in St. Florian. Um 1870 erfand er die Hängeventillade, die er
wie auch sein Vater ab 1878 in seinen Orgelbauten anwendete.
Als Bruckner Anfang der 1890er Jahre für den Umbau der Orgel von Franz Xaver Chrismann in der Steyrer Stadtpfarrkirche als Berater herangezogen wurde, setzte er sich vehement für die Vergabe des Auftrags an Josef Mauracher ein; als Alternative kam für ihn höchstens die Firma E. F. Walcker & Cie in Frage. In einem Brief an Franz Xaver Bayer vom 22.4.1893 schreibt Bruckner diesbezüglich: „Ich bleibe bei meinem Urtheile über Mauracher: kenne seine Gegner etc.: habe so viele Orgeln gesehen in Frankreich, England, Deutschland etc; kenne auch die Werke der Begünstigten, und kann nach bestem Gewissen sagen: würde Mauracher nicht genommen werden, so nur noch Walker aus Ludwigsburg, der die Orgel zu St. Stephan u[nd] die der Votivkirche meisterhaft verfertigt hat – sonst Keinen!“ (Briefe II, 930422/1). Letztlich setzte er sich durch und die Orgel (II/34) wurde 1893–1895 von Josef Mauracher mit pneumatischer Spiel- und Registertraktur umgebaut.
Seine beiden Brüder Johann (* 29.3.1847 Zell am Ziller, Tirol/A, † 12.6.1900 Salzburg, Salzburg/A) und Matthäus d. J. (* 26.11.1859 Zell am Ziller, † 25.1.1939 Salzburg) übernahmen 1884 die Orgelbauwerkstätte ihres Vaters in Salzburg. 1891 gründete und leitete Matthäus d. J. einen Zweigbetrieb in Graz. Johann wurde 1891 zum k. k. Hoforgelbauer ernannt.
Neben Gemeinschaftsarbeiten als „K. u. K. Hof-Orgelbau-Anstalt Matthäus Mauracher‘s Söhne Salzburg – St. Florian – Graz“ bauten die drei Brüder auch unabhängig voneinander. Das vom Vater übernommene Klangkonzept haben sie nur geringfügig weiterentwickelt.
Auf der von Johann und Matthäus d. J. 1888 in der Ischler Stadtpfarrkirche errichteten Orgel (III/33) spielte Bruckner bei der Hochzeit von Erzherzogin Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator (1866–1939) am 31.7.1890 (Improvisationsskizze Ischl 1890) und bei weiteren Aufenthalten in Ischl.
Literatur
- Salzburger Zeitung 9.9.1870, S. [2]
- Grazer Volksblatt 15.2.1872, S. [3]
- Neue Freie Presse 9.2.1873, S. 16
- Die neue Orgel in der Pfarrkirche zu Langenlois, in: Kremser Wochenblatt 27.6.1874, S. [3f.]
- Neuigkeits-Welt-Blatt 17.7.1875, S. [9]
- Salzburger Volksblatt 20.7.1875, S. 3
- Die große Orgel zu St. Florian, in: Das Vaterland 13.11.1875, S. 1
- Die große Orgel zu St. Florian (Schluß), in: Das Vaterland 14.11.1875, S. 5f.
- Zum Programme des II. Vereins-Concertes des Mozarteums, am 9. April, in: Salzburger Volksblatt 7.4.1891, S. 2f.
- Theodor Helm, Die Mozart-Centenarfeier in Salzburg, in: Musikalisches Wochenblatt 20.8.1891, S. 446f., und 27.8.1891, S. 459f.
- Neue Freie Presse 18.9.1891, S. 3
- Ingo, Begegnung mit Anton Bruckner. Nachklang vom Admonter Lehrertag, in: Grazer Tagblatt 6.10.1891, S. 7
- Albert Binna, Anton Bruckner in Bad Ischl, in: Linzer Volksblatt 14.5.1932, S. 5
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/3, S. 168
- Altman Kellner, Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster. Nach den Quellen dargestellt. Kassel‒Basel 1956
- Hermann J. Busch, Anton Bruckners Tätigkeit als Orgelsachverständiger. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte seines instrumentalen Klangstils zu Bruckners fünfundsiebzigstem Todestag, in: Ars Organi 19 (1971) H. 39, S. 1585–1593
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