Volkshymne

Bruckners bevorzugtes Improvisationsthema (Improvisationen) an der Orgel; komponiert von Joseph Haydn als „Volck‘s Lied“ Gott! erhalte Franz den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz (gewidmet Kaiser Franz II. [1768–1835], 1792–1806 römisch-deutscher Kaiser, seit 1804 als Franz I. Kaiser von Österreich); Text von Lorenz Leopold Haschka (1749–1827) in Anlehnung an die englische Königshymne God Save the King; Originaltonart G‑Dur. Erstmals gespielt am 12.2.1797 im alten Burgtheater in Wien zum Geburtstag Kaiser Franz II. Von Haydn in seinem Streichquartett in C‑Dur („Kaiserquartett“, Hob. III:77) als Variationsthema des langsamen Satzes verwendet. In der vierten offiziellen Textierung der Melodie von Johann Gabriel Seidl (1804–1875), die 1854–1918 in Gebrauch stand, lautet die 1. Strophe: „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser, unser Land! Mächtig durch des Glaubens Stütze führ‘ Er uns mit weiser Hand! Laßt uns Seiner Väter Krone schirmen wider jeden Feind: Innig bleibt mit Habsburgs Throne Österreichs Geschick vereint.“ Die Hymne bildete stets den Höhepunkt von mit dem Kaiser in Verbindung stehenden Feierlichkeiten. 1929–1938 war Haydns Melodie mit einem Text von Ottokar Kernstock (1848–1928) die Hymne der (Ersten) Republik Österreich („Sei gesegnet ohne Ende“). Bereits 1841 dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) auf Haydns Melodie Das Lied der Deutschen, das seit 1922 – in unterschiedlicher Art – als deutsche Nationalhymne verwendet wird.

Oftmals auf Wunsch seiner Zuhörer wählte Bruckner die auch „Kaiserlied“ genannte Volkshymne als Improvisationsthema. Ein erster Hinweis stammt von Anfang 1845, als Bruckner in Kronstorf für seinen Freund Karl Seiberl „meisterlich und überwältigend“ (Göll.-A. 1, S. 279) über die Melodie improvisierte. In Nancy bei der Inauguration der neuen Merklin & Schütze-Orgel der Kirche Saint-Epvre, deren Neubau das Haus Habsburg-Lothringen gefördert hatte, hieß der 5. Programmpunkt des Konzertes am 29.4.1869: „Improvisation sur l‘HYMNE AUTRICHIEN, par M. Bruckner, professeur du Conservatoire de musique de Vienne et organiste de sa Majesté l‘Impereur d‘Autriche“. Bei einem Konzert in London im Crystal Palace am 28.8.1871 paraphrasierte Bruckner sowohl das österreichische Gott erhalte, Gott beschütze als auch das englische God Save the Queen. Zum 25‑jährigen Regierungsjubiläum des Kaisers ließ Bruckner die Hymne am 2.12.1873 in St. Augustin in Wien erklingen. In der Stadtpfarrkirche in Steyr bearbeitete er am 18.8.1886 nach dem Hochamt zum Geburtstag des Kaisers die Melodie als Introduktion und Fuge.

Als Hoforganist wurde Bruckner auch außerhalb der Hofmusikkapelle für Festgottesdienste bestellt, bei denen der Kaiser anwesend war, und bald soll dieser schon an den ersten Klängen das Spiel seines Hoforganisten erkannt haben. Zum Namenstag Franz Josephs I. kombinierte Bruckner am 4.10.1876 in Klosterneuburg die Hymne mit Richard Wagners Siegfried-Thema, und am 15.11.1885 soll der Kaiser beim Einzug in die Klosterneuburger Kirche beim „ehrwürdigen Rhythmus des Kaiserliedes“ geäußert haben: „Ah, der Bruckner!“ (Göll.-A. 4/2, S. 366).

Zum 31.7.1890 wurde Bruckner als Organist für die Hochzeit der Kaisertochter Erzherzogin Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator nach (Bad) Ischl beordert. Laut der erhaltenen Improvisationsskizze Ischl 1890 plante Bruckner, zum Einzug das Finale-Hauptthema seiner Ersten Symphonie mit der Volkshymne und dem Händel‘schen Halleluja zu verbinden, was allerdings als „nicht passend“ abgelehnt wurde. Ebenso fürchtete man, eine Fantasie nur über die Hymne würde „den Kaiser langweilen“ (Göll.-A. 4/3, S. 59). Dennoch „erbrauste die Kaiser-Fuge“ auf der Orgel der Ischler Stadtpfarrkirche, „auf der Bruckner das Thema der Volkshymne varierte [sic] und zuletzt in das Halleluja Händels überging“ (Ischler Wochenblatt 3.8.1890, zit. n. Göll.-A. 4/3, S. 59). Der Kaiser soll bei Tisch wiederholt Bruckners Spiel erwähnt haben.

Literatur

CHRISTIAN K. FASTL, ERWIN HORN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 22.9.2017

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