Germanenzug (WAB 70) „Germanen durchschreiten des Urwaldes Nacht“

Vierstimmiger Männerchor mit Männer-Soloquartett und Blechbläsern (2 S-Kornette in B und Es, Tenorhorn bzw. Euphonium, 2 Hr. in F, 2 Hr. in D, 2 Trp. in D, 2 Trp. in B, 3 Pos., Tb.) in d‑Moll

Sätze: Chor: „Frisch und kräftig, nicht schleppend, doch nicht zu schnell“; Soloquartett (mit 4 Hr.): „Langsamer, würdevoll“; Schlusschor: „Erstes Zeitmaß: Frisch und kräftig“
Text: August Silberstein
EZ: Ende Juli 1863 bis August 1864 in Linz
UA: 5.6.1865 beim 1. Oberösterreichisch-Salzburgischen Sängerbundesfest in Linz (Liedertafel „Frohsinn“; Bruckner)
Aut.: Stift Kremsmünster, Musiksammlung (C56/6a, teilweise vom Kopisten Franz Schimatschek)
ED: Kränzl, Ried 1864
NGA: Band XXII/2 (Franz Burkhart/Rudolf H. Führer/Leopold Nowak, 1987)

Der Germanenzug ist Bruckners erste Komposition nach Abschluss seiner Studien bei Otto Kitzler – auch sein erstes gedrucktes Werk überhaupt. Er begann das Stück nach Erhalt des Textes, der dem Brief des Dichters Silberstein vom 27.7.1863 (Briefe I, 630727) beilag. Er beteiligte sich mit diesem Werk an einem Preisausschreiben für Männerchöre, das vom „Ausschuß des oberösterreichischen Sängerbundesfestes“ im Hinblick auf das für 14./15.8.1864 geplante (dann jedoch nicht stattgefundene) 1. Oberösterreichische Sängerbundesfest veranstaltet wurde. Die erfolgreichen, in die engere Wahl gekommenen acht Kompositionen (bei der Vorstandssitzung des Oberösterreichischen Sängerbundes am 10.1.1864) wurden von der Firma Josef Kränzl in Ried veröffentlicht und im Juni 1865 beim 1. Oberösterreichisch-Salzburgischen Sängerbundesfest uraufgeführt. Während des Festes wurden die eingereichten Stücke dann nach der Größe des Applauses gereiht. Bruckner war tief gekränkt, als sein Germanenzug nur den 2. Preis hinter Germania seines Freundes Rudolf Weinwurm erhielt. Bis August 1864 war die Arbeit am Germanenzug ein ständiges Thema in Bruckners Korrespondenz, v. a. in jener mit dem Verleger.

Einige Biografen berichteten, dass der Germanenzug eine Umarbeitung einer früheren Komposition – eines Zigeuner-Waldliedes im ¾‑Takt – sei. Der Komponist erwähnt diesen Titel in einem Brief vom 29.7.1863 (Briefe I, 630729) an Silberstein. Heute ist das Zigeuner-Waldlied allerdings verschollen. Ob Bruckner im Germanenzug früheres Material benutzte, ist zurzeit nicht zu klären.

Das Stück hat drei Abschnitte, die in der Gesamtform A (Chor) – B (Soloquartett) – A (Chor) gestaltet sind. Die zwei Chöre sind auf starken Fanfaren aufgebaut. Im Gegensatz dazu ist der mittlere Teil („In Odins Hallen ist es licht“) ein lyrisches, nur von vier Hörnern begleitetes Soloquartett, das auch bei Bruckners Begräbnis aufgeführt wurde – ein Hinweis auf die Popularität, die der Germanenzug zu Lebzeiten des Komponisten erreicht hatte.

Im Jahr 1892 (?) druckte der Verlag Robitschek eine neue Ausgabe sowie eine Bearbeitung mit Streicherbegleitung. Eduard Kremser publizierte eine Version für großes Orchester. Seine handschriftliche Partitur und ein (unvollständiger) Stimmensatz wurden im September 2019 vom Verlagsarchiv Robitschek der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek übergeben (Mus.Hs.45359, Mus.Hs.45360). 1936 schuf Richard Gottschalk (?–?) für die Aufstellung der Bruckner-Büste in der Walhalla im darauffolgenden Jahr einen neuen Text zum Germanenzug (abgedruckt bei Harrandt, S. 223), weil man bei diesem Anlass nicht den Text des jüdischen Dichters Silberstein erklingen lassen wollte. Aufgrund der Unzufriedenheit Siegmund von Hauseggers mit Gottschalks Textierung wurde das Werk bei diesen Feierlichkeiten jedoch nicht aufgeführt. Bereits 1938 dichtete Hans Rauschnabel (?–?) aus Tübingen einen weiteren neuen Text (abgedruckt bei Harrandt, S. 224)

Literatur

PAUL HAWKSHAW

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 13.11.2019

Medien

Kategorien

Digitalisate

Quellen (Werkverzeichnis)

Erstdruck

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft