Liedertafel „Frohsinn“, Linz

1845 gründete Ignaz Karl Figuly von Szep (1807–1875), der spätere Bürgermeister von Linz, einen Männerchor (Männergesangverein Linz), der rasch neue Mitglieder gewann, sich seit 1849 Liedertafel „Frohsinn“ nannte und wesentlich zur Entfaltung des Linzer Musiklebens in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts beitrug. Bekannte Linzer Persönlichkeiten wie Hans Commenda, Max Edlbacher (1835–1893), Alois Greil (1841–1902), Ferdinand Krackowizer (1813–1893), Adalbert Markus (1827–1913), Johann Milbeck (1838/39–1906) und Karl Zappe waren Mitglieder oder Unterstützer der Liedertafel. Chormeister und Chormeisterstellvertreter waren (bis 1868) Ferdinand Moritz Foßel (1809–1855), Eduard Hauptmann (?–?), Matthäus (auch Mathias) Kirchberger (1826–1861), Wenzel Eugen Kopriwa (1823–1895), Engelbert Lanz, Theodor Gustav Neubert (oft auch bzw. mit dem Zusatz Abendroth; ?–?), Emil Mayer (1822–1868), Franz Xaver Rafael (1816–1867), Josef Ruzek (1834–1891), Karl Schiedermayr, Anton M. Storch, Bruckner, Karl Stupöck (1832–1918) und Karl Weilnböck (1829–1891).

Die Konzerte fanden im ständischen Redoutensaal, im landständischen Theater und im Volksgarten statt, auch bei Messenaufführungen im Dom (Alter Dom, Linz) war die Liedertafel beteiligt. Weiters gestaltete sie Privatunterhaltungen und Wohltätigkeitskonzerte, wirkte bei Produktionen des Linzer Musikvereins, bei Hauskonzerten, Damen- und Herrenabenden usw. mit und veranstaltete jährlich ein Gründungsfestkonzert. Besonders beliebt waren die Kostümbälle, die zunächst im Redoutensaal, später in der Jugendstilhalle im Volksgarten und nach dem Zweiten Weltkrieg im Kaufmännischen Vereinshaus stattfanden. Probenlokale waren Hackls Saal (Pfarrgasse 9, Linz), das Nordische Stiftshaus (heute Nordico; Bethlehemstraße 7, Linz) und der Gasthof „Zur Stadt Frankfurt“ (bis 1874).

Nach seiner Übersiedlung nach Linz wurde Bruckner im März 1856 ausübendes Mitglied der Liedertafel „Frohsinn“ und reiste mit ihr bereits im September 1856 zur Mozart-Zentenarfeier (Wolfgang Amadeus Mozart) nach Salzburg. Am 31.10.1856 wurde Bruckner 2. Archivar (Notenwart) und am 7.11.1860 als Nachfolger von Anton M. Storch 1. Chormeister. Seine Tätigkeit als Chorleiter wie auch als Begleiter am Klavier bei Aufführungen des Vereines wurde immer wieder lobend hervorgehoben. Bei der Probenarbeit soll Bruckner nach Aussagen von Liedertafelmitgliedern sehr gewissenhaft gewesen sein. Besonderen Wert legte er auf eine fein abgestimmte Dynamik, v. a. auf das Pianissimo. Die Liedertafel „Frohsinn“ sang folgende Uraufführungen unter der Leitung des Komponisten: Am Grabe am 11.2.1861, Ave Maria (WAB 6) am 12.5.1861, Festkantate am 1.5.1862, Vaterländisches Weinlied am 13.2.1868 und Vaterlandslied am 4.4.1868. Große Erfolge konnte der Chor 1861 beim Kremser sowie beim großen Nürnberger Sängerfest erzielen. Im September desselben Jahres trat Bruckner aus der Liedertafel aus, blieb dem Verein aber weiterhin verbunden. Am 15.1.1868 wurde Bruckner zum zweiten Mal zum Chormeister der Liedertafel gewählt. In dieses letzte Jahr seiner Linzer Tätigkeit fällt die Uraufführung des Schlusschores aus den Meistersingern von Nürnberg, den Richard Wagner auf Bruckners Wunsch dem Chor überließ und dessen Aufführung am 4.4.1868 zu einem Erfolg für den Komponisten wie für den Chormeister wurde. Bruckner widmete der Liedertafel die Kompositionen Inveni David (WAB 19; zur Gründungsfeier 1868) und Mitternacht (zur Jubiläumsfeier 1870). 1861 schrieb er für die Beerdigung von Josefine Hafferl, der Mutter des Liedertafel-Vorstandes, Am Grabe und 1865 das Trauungslied Zur Vermählungsfeier für Karl Kerschbaum und Maria Schimatschek. 1864 widmete Bruckner das Herbstlied dem – nun ehemaligen – Vorstand Joseph Heinrich Hafferl. Für den gemischten Chor der Liedertafel schrieb er 1868 den Wahlspruch „Das Frauenherz, die Mannesbrust“. Nach Beendigung seiner Linzer Tätigkeit wurde Bruckner am 9.6.1869 zum Ehrenmitglied des „Frohsinn“ ernannt (Ehrungen). Auch während seiner Wiener Jahre blieb Bruckner weiterhin in Kontakt mit der Liedertafel. So erlebte der Chor Um Mitternacht (WAB 90) seine Uraufführung beim Gründungskonzert des Vereins am 15.4.1886. Die Uraufführung von Der Abendhimmel (WAB 55) in der Bearbeitung für Männerchor fand angeblich erst am 4.7.1900 statt (lt. Linzer Tages-Post 4.7.1900, S. 4).

Nachfolger Bruckners als Chormeister waren Franz Behr, Wenzel Kopriwa, Karl Berghof, Wilhelm Gericke, Joseph Friedrich Hummel und Wilhelm Floderer. Anlässlich ihres 50‑jährigen Jubiläums stiftete die Liedertafel 1895 eine Gedenktafel an Bruckners Geburtshaus in Ansfelden (Gedenkstätten).

1909 fusionierte die Liedertafel mit dem Männergesang-Verein „Sängerbund“ und nannte sich nun Sängerbund Frohsinn, der unter August Göllerichs 25 Jahre währender Leitung eine Blütezeit erlebte. Chorleiter waren später Robert Schollum (1913–1987), Helmut Eder (1916–2005), Kurt Wöss und Theodor Guschlbauer. 1960 änderte der Chor seinen Namen in Linzer Singakademie; 1970–2011 war Johannes Wetzler (* 1936) Chorleiter, dann folgten ihm Eduard Matscheko (* 1970) und seit 1.1.2015 Alexander Koller (* 1979).

Das Vereinslokal des „Frohsinn“ befand sich seit 1874 am Pfarrplatz 10, wo heute noch der Nachfolgeverein Linzer Singakademie sein Probenlokal hat. Im Besitz des Vereines befinden sich einige Musik- und Briefautografe Bruckners (heute im Archiv der Stadt Linz). Von 2010 bis 2019 war auch das Anton Bruckner Institut Linz (ABIL) im Haus Pfarrplatz 10 untergebracht.

Literatur

ANDREA HARRANDT

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 15.3.2021

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Abbildungen

Abbildung 1: Linz, Pfarrplatz 10 (© Christian K. Fastl)

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft