Meißner (Meissner, Meisner), Anton
* 15.10.1862 Wien/A, † 22.9.1945 Wien. Privatier, Amateurmusiker.
Sohn des Fleischhauers Johann Meißner und dessen Frau Elise, geb. Bess. Nur zeitweilige Dienstverhältnisse (Bürodienst in einer Metallwarenfirma). 1876 wurde er am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Schüler Bruckners. Während seiner Studienzeit ergaben sich Kontakte, die Meißner Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelt des Komponisten gewährten. Nach einer längeren Unterbrechung begegneten sie einander 1881 an der Universität Wien wieder; von da an wurde der Kontakt aufrechterhalten. Anfang der 1890er Jahre veranlasste Meißner Bruckner zu Improvisationen an der Orgel in der Wiener Kirche St. Augustin, wo der bekannte Jesuitenpater P. Heinrich Abel, mit dem Meißner eng befreundet war, Predigten hielt.
Die Beziehung vertiefte sich während Bruckners Krankheit: In dessen letzten Lebensjahren erwies sich Meißner als ein verlässlicher Freund und Helfer. Laut August Stradal soll er als religiöser Fanatiker auch täglich stundenlange Betübungen abgehalten haben (Stradal, S. 1074). Meißner erledigte Sekretärsarbeiten, führte manche Korrespondenz, und betreute die letzten Kompositionsarbeiten mit, indem er etwa in den Partiturbögen zur Achten und Neunten Symphonie Generelles vorschrieb. Neben Meißner zeigen sich vor allem Cyrill Hynais sowie zwei bisher nicht eindeutig zugeordnete Schreiber für die Vorbereitung der autografen Partitur der Neunten Symphonie verantwortlich (Cohrs 2001, S. XIVf.). Eine exakte Zuordnung von Meißners Schreibprofil bleibt aufgrund bisher fehlender Vergleichsmaterialien jedoch offen.
Bruckners Umzug in seine neue Wohnung im Kustodenstöckl des Belvedere geht ebenfalls auf eine Initiative Meißners zurück: Das Gesuch des Komponisten an die Erzherzogin Marie Valerie vom 19.2.1895 (Briefe II, 950219) ist von Meißner geschrieben; in den Taschen-Notizkalendern stehen Eintragungen von seiner Hand, die die Übersiedlung betreffen. Am Umzug 1895 war er ebenfalls maßgeblich beteiligt.
Für die Rezeption sind Meißners Erinnerungen (durch Viktor Keldorfer allerdings retuschiert veröffentlicht) von Bedeutung, die diverse Lebensgewohnheiten in der letzten Zeit, aber auch Bruckners Einschätzungen zeitgenössischer Komponisten (Urteile über Komponisten) betreffen. Bei der Verstreuung von Bruckners Nachlass spielte er als „Sekretär“ posthum eine eher „dubiose Rolle“ (Finale der IX. Sinfonie, S. 44).
Literatur
- August Stradal, Erinnerungen aus Bruckners letzter Zeit, in: Zeitschrift für Musik 99 (1932) H. 10, S. 853–860, H. 11, S. 971–978, H. 12, S. 1071–1075
- Aus den Aufzeichnungen Anton Meisners, in: Die Furche. Jahrbuch 1947, S. 78–87 [mit Retuschen von Viktor Keldorfer]
- Erich Wolfgang Partsch, Anton Meißner, der letzte „Sekretär“ Bruckners, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1984/85/86, S. 57–62
- Heinrich Salzer, Erinnerungen an Anton Meißner. Nach den Erzählungen meines Vaters Josef Anton Salzer, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1984/85/86, S. 63–64
- Benjamin Gunnar Cohrs, Vorwort, in: Revisionsbericht zu NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet) IX (2001)
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Finale der IX. SinfonieBenjamin-Gunnar Cohrs, Das Finale der IX. Sinfonie von Anton Bruckner. Geschichte, Dokumente, Werk, Präsentation des Fragments (Wiener Bruckner-Studien 3). Wien 2012
- Taufbuch 1862 der Pfarre St. Leopold (Wien II), fol. 178