Rott, Hans (eigentl. Johann Nepomuk Karl Maria)

* 1.8.1858 Braunhirschen, Niederösterreich/A (heute Wien, 15. Bezirk), † 25.6.1884 Wien/A. Organist und Komponist.

Vorehelicher Sohn der Sängerin und Schauspielerin Maria Rosalia Lutz (1840–1872) sowie des Schauspielers und Gesangskomikers Carl Mathias Rott, eigentlich Roth (1807–1876). Nach Privatunterricht und 1872–1874 Besuch des k. k. Akademischen Gymnasiums sowie der 1. Öffentlichen Höheren Handels-Lehranstalt studierte er 1874–1878 am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Abgangszeugnis vom 15.7.1878): Orgel bei Bruckner (Mitschüler u. a. Rudolf Krzyzanowski, Fortunato Luzzatto [?–1937] aus Triest), Klavier bei Leopold Landskron (1842–1900), Harmonielehre bei Hermann Grädener (1844–1929), Kontrapunkt und Komposition bei Franz Krenn (gleichzeitig u. a. mit Gustav Mahler; Rott hatte schon vor 1874 zu komponieren begonnen). 1876 und 1877 gewann er im Fach Orgel jeweils den 1. Preis beim Wettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und nahm als Organist auch bei mehreren Vortragsabenden des Konservatoriums sowie 1878 bei einem Gesangsabend des Wiener Akademischen Gesangvereins teil. 1876 besuchte er als Mitglied des Wiener Akademischen Wagner-Vereins u. a. zusammen mit Bruckner die ersten Bayreuther Festspiele. 1876–1878 war er Organist des Josefstädter Kirchenmusikvereins an der Piaristenkirche und wohnte auch im Piaristenkloster. Sein Zimmer dort wurde zum Treffpunkt zahlreicher Mitschüler und Musikfreunde, darunter die Brüder Rudolf und Heinrich Krzyzanowski (1855–1933), Mahler, Hugo Wolf, der Philologe und Archäologe Friedrich Löwy (1859–1924; seit 1887 Löhr) sowie der Germanist Joseph Seemüller (1855–1920). Danach lebte Rott ohne feste Anstellung, gab privaten Musikunterricht und erhielt finanzielle Unterstützung durch seine Freunde. 1878–1880 komponierte er sein Hauptwerk, die Symphonie in E-Dur, die erst 1989 in den USA uraufgeführt wurde und seither weltweit Erfolge verzeichnet. Seit Sommer 1880 traten bei Rott gesteigert krankhafte Erregungszustände auf. Im Herbst 1880 trat er in Verhandlungen mit der Chorvereinigung Concordia der Association des Chanteurs Alsaciens in Mülhausen (Mulhouse/F), um eine Anstellung zu erlangen. Es folgten am 21.10.1880 die Abreise nach Mülhausen und gleichzeitig der Ausbruch der Geisteskrankheit. Nach der Einlieferung in die Psychiatrische Anstalt des Allgemeinen Krankenhauses in Wien wurde er im Februar 1881 in die niederösterreichische Landesirrenanstalt überstellt, wo er etliche seiner Kompositionen vernichtete. Friedrich Löhr – auch ein enger Freund Mahlers – sicherte nach Rotts Tod dessen musikalischen und sonstigen Nachlass, der sich zum größten Teil heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek befindet.

Rott war angeblich Bruckners „bester Schüler“ (Briefe I, 770614), sowie sein „Lieblingsschüler“ (Loehr, S. 16), mit dem er auch später immer wieder persönlichen Kontakt pflegte (u. a. im „Riedhof“ [Gasthäuser]). Dokumente von Bruckners Wertschätzung für Rott sind sowohl das Schreiben, das er am 14.6.1877 an den Regens chori von St. Florian, Ignaz Traumihler, richtete, um Rott als Nachfolger für den soeben verstorbenen Stiftsorganisten Josef Seiberl zu empfehlen, als auch die Anregung im Sommer 1878, sich in Klosterneuburg um eine Anstellung zu bewerben, sowie das Zeugnis vom 12.3.1880, in dem er dem jungen Komponisten und Organisten „gediegene Kunstleistungen auf musikalischem Gebiete“ (Abdruck in Metzger/Riehn, S. 11) bescheinigte. Als am 2.7.1878 der erste Satz von Rotts Symphonie in E-Dur im Zuge des Kompositions-Concurses des Konservatoriums präsentiert wurde und seitens der Jury auf spöttische Ablehnung stieß, stellte sich Bruckner an die Seite seines Schülers: von diesem werde man „noch Großes hören“ (Göll.-A. 4/1, S. 446). In der Irrenanstalt versuchte deren Direktor Rott zu ermuntern, „für Prof. Bruckner ‘was zu schreiben“ (Harten 2000, S. 222). Mehrfach bezeugt ist Bruckners tiefe Erschütterung beim Begräbnis seines ehemaligen Schülers (an dem auch Friedrich Eckstein, Carl Hruby, Cyrill Hynais und Franz Marschner teilnahmen); seine Vermutung, Rott sei wegen der schroffen Zurückweisung von Seiten Johannes Brahms‘ geisteskrank geworden, muss allerdings als unhaltbar angesehen werden, was auch von Rott selbst in Notizen aus der Irrenanstalt bestätigt wurde.

Rotts Symphonie in E-Dur wurde als bedeutendes Dokument der symphonischen Tradition zwischen Bruckner und Mahler wiederentdeckt. Insbesondere finden sich in Mahlers Zweiter und Dritter Symphonie offene Reminiszenzen an dieses Werk, das Mahler aus der Entstehungszeit kannte, 1882 den gemeinsamen Freunden am Klavier vorgespielt hatte, 1890 von seiner Schwester Justine (1868–1938) sich hatte zuschicken lassen und noch im Sommer 1900 im Urlaub in Maiernigg mit der Absicht einer Aufführung eingehend studiert hatte. „Was die Musik an ihm verloren hat, ist gar nicht zu ermessen“, die Symphonie habe Rott „zum Begründer der neuen Symphonie [ge]macht, wie ich sie verstehe“, äußerte sich Mahler (Killian, S. 157). Ebenso wie von Bruckner, der am Todestag seines Schülers vermutlich für diesen ein „†“ (Totengebet?) bei seinen Gebetsaufzeichnungen im Taschen-Notizkalender notierte und sich 1884 oder 1885 bei J. Seemüller nach den hinterlassenen Kompositionen Rotts erkundigte, sind also auch von Mahler Äußerungen über Rott überliefert, die von höchster Wertschätzung zeugen. Bruckners Verhältnis zu Rott wird auch im 2016 in schwedischer und 2019 in deutscher Sprache erschienenen Roman Wie man ein Genie tötet belletristisch nachgezeichnet.

Beim Brucknerfest in Würzburg 2002 waren neben mehreren Kompositionen Bruckners insgesamt elf Werke seines Schülers zu hören. Während dieses Festes wurde die Internationale Hans Rott Gesellschaft (mit Sitz in Wien) gegründet.

Werke
  • 1. Symphonie in E-Dur und Skizzen zur 2. Symphonie
  • weitere Orchesterwerke
  • Kammermusik (u. a. Streichquartett in a‑Moll)
  • Orgelwerke
  • Klaviermusik
  • Chorwerke
  • Sakralmusik
  • Lieder (z. T. 2013 orchestriert von Enjott Schneider)
    [Werkverzeichnisse bei Leopold Nowak und Paul Banks]
Literatur

UWE HARTEN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 15.4.2020

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Normdaten (GND)

Rott, Hans (eigentl. Johann Nepomuk Karl Maria): 121196488

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