Präludium für Harmonium in C‑Dur (WAB 129, „Perger Präludium“)

für (Pedal-)Harmonium resp. Orgel, „Feierlich, langsam“

EZ: August 1884 (Skizze, 24 Takte Urfassung, vor dem 20.8.) in St. Florian; 20.8.1884 erweiterte Skizze (27 Takte) sowie Reinschrift mit Überarbeitung in Kremsmünster
W: Josef Diernhofer
UA: 21.8.1884 in Kremsmünster, Stiftskirche (Bruckner)
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44609, Reinschrift mit Begleitbrief; früher J. Diernhofer und Familie); Stift Kremsmünster, Musiksammlung (C56/15ab, Skizze; Erstbesitzer P. Oddo Loidol)
ED: Universal Edition, Wien 1926 (Josef Venantius von Wöss; Reinschrift; Musikbeilage zu Musica Divina 14 [1926] H. 10 [Reprint 1954]); Alfred Orel, Ein Harmonielehrekolleg bei Anton Bruckner. Berlin–Wien–Zürich 1940, S. 95 (24‑taktige Skizze der Urfassung nach einer Abschrift von Loidol)
NGA: Band XII/6 (Erwin Horn, 1999; inkl. ED der auf 27 Takte erweiterten Skizze) und Revisionsbericht (2001)

Der geläufige Titel „Perger Präludium“ bezieht sich auf den Wohnort Perg des Widmungsträgers J. Diernhofer, der sich auf einer gemeinsamen Bayreuth-Reise (Juli 1884; Reisen Bruckners) von Bruckner eine Komposition für sein häusliches Pedalharmonium erbeten hatte. Von Bruckners Hand gibt es für dieses Stück zwei im August 1884 geschriebene Autografe: eine Skizze (geschrieben in St. Florian) und eine Reinschrift (geschrieben in Kremsmünster). Loidol überschrieb die Skizze, die ihm Bruckner überließ, zutreffend mit „Präludium für Harmonium“. Die Reinschrift trägt keinen Titel. Vorgaben für kontinuierlich zu schwellende Lautstärken und obligates Pedal lassen aber deutlich die Bestimmung für ein Harmonium mit eigenständigem Pedal erkennen.

Die Skizze ist teilweise beschrieben mit Strukturen zum 1. Satz der Achten Symphonie (Bogen 4), was auf die zeitnahe Komposition beider Werke weist. Auf der anderen Seite des Blattes befindet sich die Bleistiftskizze zum Präludium für Harmonium in C‑Dur sowie ein Improvisationsthema in c‑Moll (Orgel-Skizze in c‑Moll), von Loidol notiert. Zudem versah er das Notenblatt mit informativen Marginalien: „Präludium für Harmonium v. A. Bruckner ([dieses] Brucknerische Manuscript hat er mir (Fr. Oddo Loidol) auf mein [Ersuchen gegeben] am 24. Aug. 884[)]“. Unter der Überschrift und am rechten Rand: „Diese Composition hat Bruckner im Aug. 884 in St. Florian componirt, in Kremsmünster rein abgeschrieben und von Kremsmünster aus dem Lederhändler Diernhofer aus Perg (Ob. Öst.) auf dessen wiederholte Bitte um eine Composition geschickt am 22. Aug. 884. Dieses Präludium hat Bruckner bei seinem Orgelconzerte in Kremsmünster am 21. Aug. 884 als ersten Satz gespielt und dann weiter ausgesponnen. Fr. Oddo Loidol.“ Die in St. Florian entworfene Urfassung der Skizze umfasste 24 Takte, in Kremsmünster erweiterte Bruckner sie auf 27 Takte und gestaltete so die Uraufführung des Präludiums für Harmonium in C‑Dur auf der großen Orgel in Kremsmünster, indem er es anschließend in freier Fantasie weiterführte, wie einer weiteren Anmerkung Loidols zum notierten Improvisationsthema zu entnehmen ist: „NB. Dieses großartige Thema führte H. A. Bruckner auf der großen Orgel in Kremsmünster am 21. August 1884 in höchst genialer Weise durch.“

Auf einem zweiten Blatt, das in drei Streifen zerschnitten wurde, finden sich drei weitere thematische Skizzen zum gleichen Orgelkonzert, darunter nochmals (autograf) das Improvisationsthema sowie Fragmente zu einer Fugenexposition inkl. Datierungsanmerkungen (Orgelskizze in c‑Moll).

Die Urfassung der Skizze, die Bruckner aus St. Florian nach Kremsmünster mitbrachte, schrieb Loidol ab, bevor Bruckner Änderungen vornahm: u. a. T. 5 Vorhalt auf zwei Takte ausgedehnt, T. 6 im Tenor h statt dis‘, T. 24 Schlussakkord um einen Takt und eine Viertel verlängert. Die Reinschrift enthält nochmals eine Reihe von Änderungen, angefangen von der Tempoangabe „feierlich langsam“ bis hin zu genauen Angaben für differenzierte dynamische Stufungen zwischen pp und ff im Verbund mit Anweisungen für An- und Abschwellen des Klanges (crescendo/diminuendo) gemäß der Bestimmung für ein Pedalharmonium.

Bruckner übersandte die Reinschrift von Kremsmünster aus an Diernhofer in Perg zusammen mit einem Begleitbrief vom 20.8.1884: „Euer Wohlgeboren! Gegenwärtig bin ich in Kremsmünster, wo ich Ihnen das in St. Florian componirte Stückchen abgeschrieben habe. – Wenn es Ihnen gefallen sollte, werde ich mich sehr freuen. […] Ihr edler Geschmack u. Kunsteifer gereicht Ihnen zur höchsten Ehre.“ (Briefe I, 840820).

Harmonisch wie motivisch weist das konzentrierte Stück deutlich auf die Achte Symphonie, an der Bruckner damals (seit Juli 1884) arbeitete. Ungeachtet der Kürze trägt das Werk prägnante Züge, die mit der symphonischen Reife Bruckners konform gehen. Als singuläres und letztes Orgelstück Bruckners ist es in die Musikgeschichte eingegangen. Nach der UA durch Bruckner selbst kam es am 10. und 11.3.1923 auf Initiative von August Göllerich zur ersten „öffentlichen“ Aufführung im Rahmen zweier Orchesterkonzerte des Wiener Schubertbundes (vgl. Konzertankündigung, in: Mitteilungen des Wiener Schubertbundes 60 [1923] F. 7). Eine durch einen Mittelteil erweiterte Bearbeitung des Präludiums für Harmonium in C‑Dur stammt von Franz Karl Neuhofer, der von 1905–1930 einer von Bruckners Nachfolgern als Domorganist in Linz war.

Literatur

RAINER BOSS, ERWIN HORN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 29.5.2017

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Erstdruck

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft