Floderer, Wilhelm
* 10.5.1843 Brünn/Mähren (Brno/CZ), † 6.4.1917 Marienbad/Böhmen (Mariánské Lázně/CZ). Dirigent, Chorleiter, Komponist, Musikpädagoge.
Studierte 1861–1864 am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Generalbass bei Simon Sechter. Ab 1868 Theaterkapellmeister in Bukarest, Temesvar (Timișoara/RO), Laibach (Ljubljana/SLO), 1871–1875 und 1879–1888 am Landständischen Theater in Linz, Oktober 1872 bis April 1875 und November 1877 bis November 1899 Chormeister der Liedertafel „Frohsinn“, dazwischen Theaterkapellmeister in Brünn und an der Komischen Oper (Ringtheater) in Wien. 1885–1899 Klavierlehrer des Linzer Musikvereins, 1889–1895 Bundeschormeister des Oberösterreichisch-Salzburgischen Sängerbundes. In Linz als gesuchter Klavier-, Gesang- und Kompositionslehrer tätig, u. a. Lehrer von Franz Gräflinger, Mitglied des Linzer Richard Wagner-Vereins. Ab 1909 in Wien vor allem als Komponist tätig, schließlich Privatier in Marienbad.
Als Operndirigent erwarb sich Floderer in Linz mit hervorragenden Aufführungen von Opern Richard Wagners und der Novitäten anderer Zeitgenossen rasch Anerkennung. Bei besonderen Anlässen und verschiedenen Auftritten der Liedertafel „Frohsinn“ und in den Konzerten der Gesellschaft der Musikfreunde Linz, die Floderer häufig leitete, setzte er stets Werke Bruckners auf das Programm und verschaffte damit den Symphonien und großen Vokalwerken (Chormusik) durch mustergültige Aufführungen breite Akzeptanz. Floderer wurde damit zu einem wichtigen Wegbereiter der Bruckner-Rezeption. Auch als Chormeister der Liedertafel „Frohsinn“ erlangte er durch seine sorgfältig einstudierten Aufführungen von Werken Bruckners bald dessen Wertschätzung und volles Vertrauen. Der Briefwechsel zwischen beiden bezeugt eine hohe gegenseitige Wertschätzung. Da sich bei der Vorbereitung der Uraufführung (1886) des Männerchores Um Mitternacht (WAB 90) unüberwindbare Intonationsschwierigkeiten ergaben, fügte er mit Bruckners Zustimmung – „Ich bin natürlich mit allem einverstanden.“ (Briefe I, 860413) – eine begleitende Harfenstimme hinzu. Bei der von Floderer geleiteten Aufführung des Te Deum anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Grundsteinlegung des Neuen Domes in Linz und der Orgelweihe (29.9.1887) wirkte Bruckner an der Orgel mit. Als Karl Kerschbaum 1889 Bruckners Chor Sängerbund einen neuen Text unterlegte, übertrug der Komponist Floderer die künstlerische Verantwortung dafür, dass der neue Text der vorhandenen Komposition auch hinsichtlich Inhalt und Deklamation entspreche (Briefe II, 891011). Floderer ehrte Bruckner durch seinen Chor An Meister Bruckner (Text: K. Kerschbaum), den er 1886 beim Festkommers und anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel an Bruckners Geburtshaus in Ansfelden (12.5.1895) aufführte (Hommagen und Widmungen an Bruckner). Beim 2. Festkommers des 4. Deutschen Sängerbundfestes (Sängerfeste) in Wien sang am 16.8.1890 der Oberösterreichisch-Salzburgische Sängerbund unter Floderers Leitung Bruckners Sängerbund. Schließlich erschien Floderer am 14.10.1896 bei den Trauerkundgebungen im Trauerhaus in Wien als Vertreter der Liedertafel „Frohsinn“.
Werke
- Opern
- Orchesterwerke
- Chorwerke
- Klavierwerke
- Lieder, Liederzyklen
Literatur
- Karl Kerschbaum, Chronik der Liedertafel „Frohsinn“ in Linz über den 50jährigen Bestand vom 17. März 1845 bis anfangs März 1895. Linz 1895, S. 273f., 310
- Franz Brunner, Der Linzer Musikverein in den Jahren 1821–1901. Linz 1901
- Emil Bild (Hg.), Der niederösterreichische Sängerbund 1863–1913. Festschrift zum 50. Jubelfeste 8. Juni 1913 in Wien. Wien 1913, S. 110
- Kapellmeister Wilhelm Floderer †, in: [Linzer] Tages-Post 10.4.1917, S. 3
- Franz Gräflinger, Anton Bruckner. Leben und Schaffen (Umgearbeitete Bausteine). Berlin 1927, S. 212ff., 302
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, 3/1, 4/2–4
- Robert Lach, Die Bruckner-Akten des Wiener Universitäts-Archives. Wien–Prag–Leipzig 1926, S. 60f.
- Friedrich Klose, Meine Lehrjahre bei Bruckner. Erinnerungen und Betrachtungen (Deutsche Musikbücher 61). Regensburg 1927, S. 126f.
- Ferdinand Krackowizer/Franz Berger, Biographisches Lexikon des Landes ob der Enns. Gelehrte, Schriftsteller und Künstler Oberösterreichs seit 1800. Passau–Linz 1931, S. 68
- Heinrich Wimmer, Das Linzer Landestheater 1803–1958, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 13 (1959) H. 1/2, bes. S. 45, 50, 52, 55, 124
- Edith Grünsteidl, Die Geschichte des Linzer Landständischen Theaters im 19. Jahrhundert. 2 Bde. Diss. Wien 1970, S. 697, 754, 768
- Constantin Floros, Brahms und Bruckner. Studien zur musikalischen Exegetik. Wiesbaden 1980, S. 201
- Othmar Wessely, Bruckner, Wagner und die Neudeutschen in Linz, in: Bruckner-Symposion 1984Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner, Wagner und die Neudeutschen in Österreich. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1984. 20.–23. September 1984. Bericht. Linz 1986, S. 27–34, bes. S. 29ff.
- Bruckner-Symposion 1991Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Rezeption. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1991. 18.–22. September 1991. Bericht. Linz 1994, S. 33, 48
- Ingrid Fuchs, „Künstlerische Väter“ und „Vormünder“. Bruckner und die zeitgenössischen Dirigenten seiner Symphonien, in: Bruckner-Symposion 1994Othmar Wessely u. a. (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Freunde – Bruckner-Kenner. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1994. 21.–25. September 1994. Bericht. Linz 1997, S. 65–85, bes. 65, 69, 78
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009
- ABCD
- Elisabeth Th. Hilscher/Monika Kornberger, Art. „Floderer, Wilhelm“, in: www.musiklexikon.ac.at [20.5.2020]